
[191205 Benachrichtigung L. Heinke]
Wir freuen uns, ein neues Projekt ankündigen zu können, das auf der Arbeit und den Ergebnissen von „Trug & Schein“ basiert, aber wie alle bisher entstandenen Projekte einen eigenen Ansatz verfolgt:
All das geschieht, während es alles das gibt – eine szenische Lesung zur Demokratieentwicklung
Die Göttinger Gruppe Trug & Schein beschäftigte sich schon lange mit der Transkription der Briefe, als 2017 der Wunsch aufkam, die Briefe über die derzeitige Bearbeitung hinaus einer breiteren Öffentlichkeit zu vorzustellen. Damals zeichnete sich bereits eine Verschiebung der politischen Landschaft und der gesellschaftspolitischen Diskussionen nach rechts ab. Die meist alten Teilnehmerinnen der Gruppe wollten ihre Erfahrungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit weitergeben und die jüngeren Menschen auf die sich abzeichnenden Entwicklungen aufmerksam machen: Aggressivität, persönliche Beleidigungen, Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus schienen ihnen stark zuzunehmen und gefährliche Entwicklungen anzudeuten.
Die Gruppe überlegte, in welcher Form die sich in den Briefen wiederspiegelnden ebenso wie die eigenen Erfahrungen dargestellt werden könnten. Eine szenische Lesung schien besonders geeignet: Diese Form erfordert für die Aufführung wenig technischen Aufwand (keine Kostüme und Requisiten z.B.), keine große Gruppe von Akteuren, wenig Platz (keine Bühne) und kann – wenn die Lesung erst mal entwickelt ist – mit relativ geringer Vorbereitungszeit auf die Beine gestellt werden – auch unabhängig von dem Personenkreis, der die Lesung entwickelt hat.
Der Titel dieses Projektes „All das geschieht, während es alles das gibt“ geht zurück auf Karl Kraus (1874 – 1936), den großen österreichischen Satiriker und Publizisten. In seiner Zeitschrift „Die Fackel“ (erstmals erschienen 1899) veröffentlichte er Aphorismen, Gedichte und zeitkritische Artikel. Kraus setzte er sich sehr früh mit dem aufkommenden Nationalsozialismus auseinander und äußerte sich bis zu seinem Tod immer wieder scharf gegen den Krieg und seine Urheber und stemmte sich gegen den Hetz-Journalismus der damaligen Zeit. Das ursprüngliche Zitat lautet „All das gibt es, während es all das gibt!“ und stammt aus der Aufsatzsammlung „In dieser großen Zeit? Aufsätze 1914–1925“ aus dem Kapitel 9, dem Essay „Das technoromantische Abenteuer“ (Verlag Volk und Welt, Ausgewählte Werk in drei Bänden, Band 2 1. Auflage 1971). Die Formulierung schien uns für die heutige Zeit und unsere Ziele sehr passend.
Die Hauptaufgabe dieses Projektes ist also die Entwicklung der Lesung, hierfür werden finanzielle Mittel und Fachleute gebraucht. Die Bundeszentrale für politische Bildung war dankenswerterweise bereit, dieses Vorhaben zu fördern. Die Suche nach der notwendigen Ko-Finanzierung gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht, und so dauerte es über ein Jahr, bis die Finanzierung stand: die Stadt Göttingen hat die notwendigen zusätzlichen Mittel bereitgestellt, und so hat das Projekt am 1. November 2019 offiziell die Arbeit aufgenommen.
Neben den finanziellen Förderern, bei denen wir uns sehr bedanken, haben sich zwei Göttinger Institutionen zur Mitarbeit bereit erklärt: Das deutsche Theater Göttingen wird uns helfen eine gute Dramaturgie zu entwickeln, das Göttinger Institut für Demokratieforschung unterstützt uns mit wissenschaftlicher Expertise und arbeitet bei der historischen und aktuellen Materialauswahl mit. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.
Die Lesung soll in der Zusammenstellung von Passagen aus den Briefen, eigenen Erfahrungen der alten Menschen, historischen Materialen und aktuellen Bezügen eine Sensibilisierung für heutige Entwicklungen zu erreichen – aus der Geschichte lernen im besten Sinne.
Ende März 2021 wird die Lesung fertig sein, vorher wird es eine Reihe von „Testaufführungen“ z.B. an Schulen geben, in denen die Lesung vorgestellt und erprobt – evaluiert – wird. Wenn das Material fertiggestellt ist, kann die gesamte Lesung mit allen Materialien elektronisch abgerufen und am eigenen Heimatort aufgeführt werden. Für die Nutzung dieser Materialien wird eine Vereinbarung zwischen der Projektleitung und der aufführenden Gruppe/ Institution geschlossen, die die Bedingungen der Verwendung regelt.
Aktuelle Entwicklungen im Projekt finden Sie auch auf der Seite der Freien Altenarbeit Göttingen:
http://freiealtenarbeitgoettingen.de/cms/front_content.php?idcat=523
Kontakt – Fragen – Anregungen gerne an
Freie Altenarbeit Göttingen e.V. unter +49 551 43 606 oder info@f‑a-g.de
Lutz Heinke: l‑heinke@t‑online.de
