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[OBF-430127-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 27. Januar 1943

Herzallerliebste mein! Du, meine liebe liebste [Hilde]!

Herzelein, komm doch jetzt wieder zu Dir! Du!!! Weißt Du denn noch, wie gerne ich komme? – Du weißt es nimmer genau – muß bald einmal wirklich wieder kommen! Ach Du! Du!!! Jetzt kriegst erst ein paar liebe Küßchen – magst Du nicht? — Du, ich bin ein Bub, ich steig gleich selber auf den Kußelbaum [sic] und pflück mir die schönsten – Du! Du!!!

Bin doch ganz allein – hilft Dir kein Zappeln und Schreien – ich weiß aber etwas: mein Schätzelein ist ganz fein stille mit mir – Du!!! – Neben mir steht doch noch die Kaffeetasse und das feine Paket hab ich grade weggesteckt mit dem Streuselkuchen.

Kannst Dir denken, wie ich ihn gegessen hab? Beileibe noch nicht allen! Lange Bänder zerschnitten und sie in den Rachen Nimmersatt geschoben. “Wenn ich doch auch mal ein Streuselkuchen wäre!" Ach Herzelein, ich weiß ein noch viel lieberes Aufessen und Verschlingen als eben das Leibliche.

Was unser Magen zwischen seine Wände bekommt, das bleibt nicht lange drin. Aber was ins Herze ein geht, das bleibt, solange das Herze lebt. Und so hab ich Dich doch schon lange "aufgegessen”, Du! Du!!! Kein Hinkelbeinchen schaut mehr heraus, kein Fältchen und Grübchen ist vergessen worden – mein ganzer lieber Herzenstraute [sic] lebt in meinem Herzen – ach Du! Du!!! möchte Gott dies Herze doch recht lange noch kräftig und gesund schlagen lassen – für Dich!

Nun sag nur auch der lieben Mutsch recht herzlichen Dank für den guten Kuchen.

So, jetzt aber erst eine Rüge! Wie kannst Du nur mit Kindern bis zu 10 Jahren 30 Kniebeugen machen! und Du großes Mädel selber 30 Knie beugen! Wo die erwachsenen Soldaten nur 20 machen.

10 Stück sind für die Kinder Vollauf genug – und für mein liebs Weiberl dürfen es nicht viel mehr sein. Weißt auch, daß für die Frauen und Mädchen ein anderes Frönen sein muß?

Das [sic] bei aller Beweglichkeit auf [di]e Weichheit der Bewegungen achthaben muß? Ein muskulöses Weiberl verliert doch allen weiblichen Liebreiz.

Na, ich muß schon mal mitturnen.

Denkst schon an die Aufstellung! und an die Tracht! Viel Umstände darf es nicht machen, damit der Impuls über den Vorbereitungen nicht schwindet. “Damit er beim sonst bleibt? – und ob!

Ja, an den lieben Mond hab ich gar nicht gedacht – wenn man allein ist, da sieht ihn ja niemand. – Herzelein! Ich schrieb dir ja gestern schon, daß auch die Kamenzer Eltern mein so lieb dachten.

Mutter war nur eben 2 Stunden heim, hat sie mir einen langen Schreibebrief geschrieben.

Der kleine Mattis ist noch nicht daheim – Mutter hat ihn noch gar nicht gesehen – und Hellmuth hat ihn noch einmal aufgesucht, ehe er nach Rußland fuhr! Der Kleine hat gar nicht sehr viel Notiz von ihm genommen!

Im Wasser ist er sehr lebendig gewesen, aber die Milchflasche und die Pflegerin sind das wichtigste gewesen.

Glaubst, daß ein solch Kindlein Vater und Mutter ganz vergessen könnte? – vergessen, verleugnen nie!

Ist also doch das Band der Liebe zu den Eltern ein feines Gewebe, das nicht von Anbeginn da ist.–

Von Siegfried hat Nachricht dagelegen. Offenbar hat man die Truppe nach dem Süden verlegt, dorthin, wo jetzt die Hölle los ist. Gott steh ihm bei!

Vater hat nun lange allein hausgehalten. Dazu hat er eine Ader. Wie Dein Mannerli? – na, selbständig sein kann es – aber haushalten tut es doch nur mit, um das liebe Fraule recht schnell frei zu bekommen von seinen Haushaltspflichten! und um so [i]n seiner Nähe zu sein! oder um einmal zu naschen!

Denk, heute sind wieder zwei Helferinnen gekommen. Diesmal zwei junge Frauen.

Ganz "unbelastet” auch frisch aus Deutschland. Sie sollen in der Geheimregistratur angelernt werden. Die eine stammt aus Bonn. Ihr Mann ist vor 1½ Jahren gefallen. Die andere kommt von Plön bei Kiel. Ihr Mann ist auch Marinesoldat. Damit sie sich etwas schaffen können und beide verdienen, hat sie sich gemeldet. Ja, nun wird das weibliche Element bald die Oberhand haben, aber nicht über Dein Mannerli.

Ach Du! Du! Du!!! Ganz lieb möcht ich Dich um die Mitte nehmen – und Dich herzen und küssen und es Dir zujubeln, wie so ganz Du mein bist! wie so ganz ich Dein bin, Geliebte!!! Hast einen [Nordhoff]bub an Deiner Seite – und die halten treu am guten Lieben, und an der Heimat – und Dein [Roland], ich glaub, der am meisten und eigensinnigsten!! Ach Herzelein, Geliebte!

Ein Schatz ist uns so lieb, wie lieb wir ihn gewonnen haben, ist uns so zu eigen, wie wir ihn uns zu eigen machten, wieviel wir Herzenskraft an ihn verwandten.

Ach, das weißt du doch ganz lieb und fein, Du Liebste, Tapfere, die auch aller sich erschaffen und erringen und aneignen will, um es dann ganz ganz lieb zu haben – und nimmer, nimmer wieder herzugeben — und so erst recht recht mit dem Allerliebsten, das uns geschenkt wurde und noch geschenkt wird vom Herrgott: Eine Mutter hat ihr Kindlein so lieb, wieviel sie Hoffnung und Liebe und Herzblut und Schmerzen ihm schenkte.

Herzlein! Oh Du, Geliebte mein! So lieb hast Du mich doch – und noch lieber wie eine Mutter ihr Kindlein.

Und ich – wie lieb ich Dich habe? — weißt Du es?

Ach Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!! Frag den Boten, der zu Dir kommt – und der Dir mein Glück und die lebendige Liebe täglich bringt – ach Du! frag Dein Herze – Du! Du!!! – frag Dein Mannerli, wenn er wieder zu Dir kommt – Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!

weißt du schon, was er Dir zu Antwort gibt, wenn Du fragst?

Oh Herzelein! Geliebte mein!!!

oh Geliebte! Wie ganz Du mein Eigen bist, wie ganz ich Dich zu Ureigen haben will, das verstehst nur Du – weil Du es so leidenschaftlich ebenso willst – aus heißer, tiefer Liebe! Oh Du! Du!!! Das ist doch mein höchstes Glücklichsein – daß wir darin einander ganz verstehen - willst mich ganz haben, mich ganz zu Eigen haben, willst ganz allein in meinem Herzen trohnen – willst allein herrschen und thronen in meinem Herzen – und Dein [Roland] ersehnte doch nichts lieber als ein Weib, das so ihn besitzen wollte – und daß selber sich so ihm zu Eigen gäbe. Oh Herzelein! So hat sich alles am reichsten erfüllt.

Du bist meine liebe Frau. Und Du weißt, wenn Dein Mannerli Dirs [sic] bekennt, so liegt darin alles heiße, leidenschaftliche Lieben neben dem heiligen, ersten Wollen, mit Dir dieses Leben zu bestehen - so stehe ich mit Dir selbst vor Gott mit Dank und Bitte darum, daß er unseren Weg segnet!

Es ist doch etwas ganz Köstliches, das das ganze Herze erglühen macht: ein geliebtes Weib sein Eigen nennen zu dürfen – oh Geliebte, etwas ganz unsagbar Köstliches ist es Deinem [Roland] – Du bist mein Eigen!!!!!!!!!!!!! Oh Geliebte! Und daß ich Dich noch daheim weiß, in einem Bezirk, in dem das Weib recht walten kann und herrschen – das macht mein Glück noch kostbarer.

Herzelein! Laß es Dir von Deinem Mannerli noch einmal sagen: Dein Schaffen daheim ist um so vielmals reicher, als es würdiger und schöner und weiblicher und königlicher ist — ich kann Dich gar nicht anstelle der Frauen und Mädchen hier denken, ich kann Dich nicht dahin denken –

Du! Herzenskönigin mein!!!

Herzelein! Kalt ist es bei uns nun! Seit gestern, 15 Grad, aber hell und still dazu, schöne Winterluft.

Halt Dich nur fein warm – mußt soviel mehr anziehen, als Dein Mannerli Dich sonst dazu warmhalten würde. Ich kann Dich doch fein wärmen – weil ich ganz warm werde bei Dir – aus Liebe, denke ich! Du!!! Und wenn das Mannerli wird immer bei Dir sein, gibt es kein Wärmfläschel [sic] mehr – sonst werd ich doch eifersüchtig! Du!!! Ich bin´s schon ohnehin.

Ach Du, Geliebte mein! Aber Dein get[unklar]r Herz kann ich mit meiner Liebe erfüllen und wärmen und durchsonnen – und das ist noch viel mehr, das kann nur ich, wie Du mein Herze ganz froh und glücklich schlagen machst, Du allein!!! Behüt Dich Gott!!!

Ich hab Dich ganz sehr lieb!

Und wirst Dir Deine Küsse schenken? Und sehne mich nach Dir – und bleibe ewig Dein!

Dein [Roland]!

[*] Werd mir auch bald fein gesund. Du! ich bin doch immer bei Dir! Ganz nahe auch!

 

[* = Text an den linken Rand gequetscht. Sehr klein geschrieben.]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946