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[OBF-430126-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 26. Januar 1943

Herzliebes Schätzelein! Meine [Hilde]! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Ach Du heut abend hab ich gar keine rechte Ruhe. Der schöne lange Abend liegt nicht vor mir – ich bin nämlich U.v.D. - um 10 Uhr ist Runde, dann ist Unruhe bis 11 Uhr, und dann möchte ich das Bettlein aufsuchen, und so bleibt nur die Zeit zwischen 8 und 10 Uhr. Das ist dem Mannerli doch gar nicht recht – will doch den ganzen Abend für das Schätzelein haben!

Ach Du, Geliebte! Heute liegt eine Sorge obenauf – Sorge um Dich, mein Liebstes. Ich hab Dir gleich mal ausgeschnitten, was in unsrer Zeitung zu lesen steht und was ich schon früher ahnte. Womit wird man nun wieder ankommen? Wird man Dich denn in Frieden lassen?

Oh Geliebte! Wirst Du an Deinen [Roland] denken? An meine Wünsche auch? Wirst Du an unser Glück denken? An Deine Gesundheit?

Oh Herzelein! Wenn ich doch bei Dir sein könnte! Dir helfen! Oh Du! Du!!! In die Fabrik laß ich Dich nicht! Dazu bist Du nicht geschaffen an Leib und Seele. Und ein Kontor ist nicht viel besser als eine Fabrik. Und Du stehst ohnehin schon in lauter Hast. Hör nur, was mir Mutter [Nordhoff] heute schreibt:

Deine Hilfe hat man nicht annehmen mögen, weil Du schon so überlastet bist. „Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr halst man zu viel auf, sie ist zu gut. Wohin soll das Hetzen führen? Schieb nur mal einen Riegel vor!"

Nun, ich habe getan, was ich konnte. Ich habe widerwillig beinahe immer wieder gemahnt – Du bist doch nicht taub und langsam von Begriff. Ich habe auch vorausgeschaut und habe Dich gewarnt, übergenug für meine Begriffe.

Und Du hast mir doch nicht gefolgt in allem. Ich habe auch Dich verstanden – Deine Ungeduld – und ich wollte Dir meine Dankbarkeit zeigen dafür, daß auch Du mich verstehst in meinen Wünschen – ach, daß Du mir die Heimat hältst, daß Du unsrer Liebe wartest! Und ich habe mich nun doch auch darüber beruhigt, daß es möglich war bisher, daß Du daheim bliebest! Habe mich beruhigt darüber, daß Du mir versprachest, rücksichtslos alles beiseitezulegen, wenn einmal Unwohlsein und Krankheit Dich anfallen. Und ich will auch noch darüber mich beruhigen, daß Du nun noch einmal mehr Pflichten und Dienste auf Dich genommen hast, wenn dieser neue Pflichtenkreis Dich freimachen könnte von anderen Drangsalen – wenn Du darum daheimbleiben könntest. Ich habe Dich damals gebeten, als Du die zweite Schar übernahmest, leis, aber eindringlich: „willst Du denn nicht mal einen Punkt setzen?" - Herzelein! Wenn Du nun noch einmal nachgibst, dann werde ich richtig böse. Jetzt ist’s genug!

Ich habe das ja auch alles wieder kommen sehen: die dritte Schar auch übernehmen, dazu den ganzen Organisations und Schreibkram, dazu den Posten der Amtswalterin, und nun bald auch noch die Nötigung, einen zweiten Nachmittag anzusetzen – ich habe das genau kommen sehen! – Herzelein, und all Dein liebes Zureden konnte mich darin nicht irre machen.

Dazu kenne ich den Kram schon ein wenig länger – und dazu kenne ich Dich – Du kannst nicht nein sagen. Aber das soll nun der Riegel sein, den ich vorschieben will, aus lauter lieber Sorge, aus lauter Liebe – ach, aus lauter Liebe!!!! Wenn Du nun noch mehr übernimmst, dann denkst Du nicht genug an Deinen [Roland], dann folgst Du ihm nicht, dann bist Du ungehorsam – ja, Du! Du! Du!!! Liebstes! Sorge machst Du mir! Sorge machst Du mir! Ich sehe Dich gern bei den Kindern – ich gönne Dir vor allem die Freude, die reine Freude, die Kinder bringen können – ich erkenne ganz froh, daß Du in dieser Arbeit ganz Dein eigner [sic] Herr bist – ich sehe auch mit Freude, daß Du da ein Betätigungsfeld findest, das Dir niemand so leicht streitig macht – weil niemand dazu Lust hat und Liebe und Geschick – und sehe mit stolzer Freude auch Dich herausgehoben mit diesem Amt - (wohlgemerkt, mit der tatsächlichen Arbeit, nicht mit dem Parteiklamauk) ja, ich erkenne, daß es eigentlich gar keinen schöneren Einsatz für Dich gibt als eben diesen – und ich will mich beruhigen darüber, ich will dankbar auch sein, wenn dieses Amt Dich befreit von dem Zwang zu einer anderen Betätigung oder gar davon, daß Du die Heimat verlassen mußt.

Aber, Herzelein! , das versprichst Du mir doch:

Rücksichtslos Dich zu schonen in dem Augenblicke, da Du Dich unwohl nur fühlst – rücksichtslos etwas abzusagen und aufzukündigen, wenn es über Deine Kräfte ist — Du, ich lasse mir nicht zureden – mich kannst Du so leicht nicht überreden! und beschwichtigen! Und wenn Du nun noch etwas dazu übernimmst - dann sollst Du an den Riegel stoßen – ach Geliebte!

Geliebte! Du erkennst meine Liebe! Und Liebe will auch alle Sorge nehmen – und Liebe sorgt sich. Ach Du! Du!! Du!!!!!

Mir ist doch heute gar nicht ums Herze, Dir böse zu sein! Ach Geliebte! Ich erkenne es doch sooo dankbar, wie unsre Liebe uns hilft und tröstet und hoffen läßt auch in diesen trüben Tagen, wie sie als eine belebende Sonne uns wohltut! Ach soooviel [sic] Liebe widerfährt mir heute, soviel glückliche Freude mit Deinen lieben Boten! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Und Dein Paket ist heute gekommen! Und dazu noch zwei liebe herzliche Boten von Vater und Mutter – ach Geliebte – lauter Liebe ist um mich – und die Deine zunächst und zumeist, ja, Du, Du!!! die Deine zunächst und zumeist!!! Ach Herzelein! wie wohl ist mir in Deiner Liebe! Du! mein Alles! mein Leben! Du mußt mir doch bleiben! Dich darf ich nicht verlieren!!!!!

Oh Herzelein! Ich hatte doch auch recht mit meiner Ahnung, daß noch ernstere Tage kommen würden, daß dieser Krieg noch härter und ernster wird – und Du erkennst nun mit mir, was man von all dem Beschwichtigen und Vertrösten und Rosarotmalen hat halten können – ich glaube nicht mehr so leicht und gebe mich keinen falschen Hoffnungen hin. Bereit sein ist alles!

Ach Herzelein! Ich denke immer Dein! Ich will Dir bleiben und heimkehren! Ich will Dir auch soviel Sorge abnehmen und ersparen, wie ich nur kann! Und mein ganzes Trachten wird darauf gerichtet bleiben, Dir ganz nahe zu bleiben immer – ach Du, soviel und so nahe ich kann, werd ich mich zu Dir drängen – oh Du! mich zu Deinem Herzen drängen – werde Dich fest halten!!! Ach Du! Geliebte mein!!! Und will für Dich beten – für unsre Liebe – wie schon seither!!!

Herzelein! Bis hierher konnte ich gestern abend schreiben. Dann kann wieder die Unruhe – es war mir so leid darum. Es gab auch wieder etwas Besonderes wie zumeist in meinem Dienst. Als wir abends um 11 Uhr das Tor schließen wollen, ist der große eiserne Riegel weg — Bummelei und Liederlichkeit in der Kompanie. So war es nötig, Leute aus dem Bett zu holen und eine Wache aufzustellen. Als wir soweit waren, kam es heraus, daß einer den Riegel mit in die Stube genommen und neben seinem Bett stehen hatte. Das ganze Theater kostete mich kostbare Zeit.

Aber heut abend laß ich mich gar nicht stören. Du! Ich freu mich doch schon! Ach, Herzliebes, Herzallerliebstes mein! Du! Du!!!

Fräulein Cordula war da zu Besuch. Du! Gewöhn Dir keinen Besuch dazu noch ins Haus – sonst schafft es die Matte gar nicht – und dann stehen die Besucher womöglich Schlange. Du! Gut, daß wir ganz oben wohnen – kann niemand etwa an die Scheiben klopfen oder gar hereinschauen!

Ja, Herzlieb mein! D. schrieb ich einen etwas längeren Brief. Ich habe zwei Jahre bei ihnen gelebt – und habe viel Liebes erfahren – und es sind im Grunde gute, einfältige Menschen.

Sie kennen viele Lebensgeschichten, sie kennen auch ein wenig die meine. Und es hat mich ein wenig erst geschmerzt, richtiger gereizt, daß sie mich in meiner Verbindung mit Dir nicht verstanden haben – wer weiß, aus welchem törichten Grunde.

Und ich hätte meine Besuche gewiß eingestellt bei ihnen, wenn sie Dich nicht neben mich gestellt hätten in ihrem Urteil und ihrem Verhalten.

Und das haben sie doch nun, ohne daß wir etwa uns beimüht hätten darum. Nein, Herzelein, diese Menschen kennen mich und meine Lebensgeschichte ein wenig, und die sollen auch erfahren, daß diese Lebensgeschichte keineswegs einen Bruch hat, sondern ganz geradeaus und hinan geht – mit Dir! – mit meinem lieben Weibe!

D. haben mich als einen wahrheitsliebenden Menschen kennen gelernt, und ich habe ihnen leise aber deutlich genug oft meine Kritik und Zurückhaltung zu verstehen gegeben, wenn sie gar einmal rasch urteilten. Und sie haben das auch verstanden.

Und in meinem lezten [sic] Briefe, da konnte ich doch nicht anders, als ihnen ganz schlicht und im Zusammenhang zu sagen, daß ich ganz glücklich mit Dir bin – da konnte ich nicht anders, als ganz eng und lieb vereint mich mit Dir ihnen darzustellen.

Ach ich sag Dir auch die Worte, weil ich Dich sooo lieb habe: „und ich bin so froh und dankbar darum, daß ich in meiner Frau einen so lieben und tapferen Gefährten gewonnen habe.”

Schätzelein! Nun weiß ich niemanden mehr, dem ich das noch sagen müßte!

Niemanden will ich es sonst sagen – und wie lieb ich Dich habe – Geliebte! – wie lieb wir einander haben, das sagen wir keinem Menschen – das läßt sich ja gar nicht sagen — das kannst Du nur aus meinem Glückstrahlen lesen – und ich an dem Deinen – und dann sind wir ganz allein – dann ist es ganz einsam und still um uns – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ach Du! Geliebte mein! Nun spiegeln meine Gedanken sich in Deinem Herzen in Deinen lieben Boten – und nun bin ich doch erst recht glücklich darüber, weil Du sie empfängst, und verstehst, und aufnimmst und bewegst – und Dich mit mir freust und mit mir glücklich bist.

Herzelein! Ach Du! Du!!!

Das ist doch etwas ganz Wundersames und Eigenes, wenn es mich drängt, Dir meine Gedanken zu sagen, wenn mich richtig die Ungeduld packt. Du sollst sie wissen und empfangen – dann haben sie erst einen Wert. Ach Herzelein! Darin ist etwas von dem Wunderheimlichliebsten! [sic] Du!!! Von dem Schenken – Herzelein, Du! Einmal sollst Du doch ganz tief und ganz, ganz mich empfangen – in der Geburtsstunde des Kindleins – willst Du mich wohl so ganz empfangen? – Oh Du! Du!!! Und ich will zu Dir kommen, will zu Dir kommen – zu Dir — zu Dir!!! Oh Geliebte – so ganz mit allem nur zu Dir! Du! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Herzelein! Geliebte!

Denkst Du wohl, daß Anfang und Schluß des Briefes gar nicht zusammenpassen?

Herzelein, Herzlieb, sie passen so zusammen, wie der erste und der letzte Brief von mir an Dich zusammenpassen werden: mein Herz schlägt Dir in treuer Liebe - unwandelbar – schlägt lauter Liebe – ach Du! weil Du mein Liebstes und Einziges bist auf Erden, darum sorg ich mich um Dich – Du mußt mir bleiben! Ganz mein Eigen! mein Ureigen! Ach Du! Du!!! Herzelein!

Ich werde Dir heimkehren, so wie ich auszog: mit unverminderter, ungetrübter, gläubiger Liebe! Ich weiß, wie man sie sich bewahrt, und ich bewahre sie mir, weil sie das Köstlichste ist auf Erden!

Oh Herrgott, Du, im Himmel! Sieh mit Deiner Gnade darein! Mach uns stark und geduldig! Behüte uns! Segne unsre Liebe!

Oh Du! Führe uns! Amen!

Herzelein! Du! Wirst Du mich küssen mögen – so wie ich Dich küssen möchte? – wirst Du mich lieb an Dein Herze nehmen – wie ich es ersehne?

Oh Du! Ich hab Dich über alles lieb! Bleib mir! Und wenn Du kannst, bleib mir in der Heimat!

Du! Du!!! Tausend liebe Küsse!

Dein glücklicher [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946