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[OBF-430119-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, 19. Januar 1943

Geliebtes teures Herz! Geliebtes Weib. Meine [Hilde] Du!

Schaust wohl die roten Bäckelein von Deinem Buben? Rot sind sie von innerem Erglühen – weil Du so lieb zu mir gekommen bist – Geliebte mein! Bin nach dem Dienst gleich noch ein Stündchen durch den hellen Abend gestapft – ganz allein, hätt auch niemanden mitgenommen – hatte doch schon jemanden bei mir – Du! Du!!! Geliebte mein! Ich geh doch sooo gern mit Dir allein! Oh Du! Sooo froh bin ich im Herzen – ob Deiner Liebe! Du!!!

Und nun umfängt mich wieder die Heimlichkeit und Wärme unsres Stübchens. Nun sitz ich wieder bei Dir, nachdem das Bauchel sein Teil hat: Suppe gab es noch von Mittag und Schnitten mit Ei und Hartwurst. Heinrich ist heute mal da – er sitzt mir schreibend gegenüber. Man merkt, daß er da ist: Das Radio geht – das stell ich doch ab, wenn ich allein bin und Dein denke. Aber jetzt mag ich das nicht.

Vom Donnerstag ist Dein lieber Bote. Ganz allein sein wollt mein Schätzelein mit mir – und ganz munter war es noch am Abend – war es denn schon mal so? Du! Dann ist’s doch so, wenn man des Liebsten sehnsüchtig wartet!!!

Und eine List hat mein Schätzelein wieder gebraucht, mein Evchen! Ob das Mannerli darob die Stirn runzelt? Über das Manöver mit der Klingel nicht – das Recht auf das Alleinsein ist ein hohes Recht, das man, wenn es sein muß, mit Gewalt sich nehmen muß – das kenn ich nur zu gut!

Über den Butterhandel bin ich freilich andrer Meinung. Ich mußte im vorigen Kriege die Marken holen von der Ausgabestelle. Und einmal bekam ich damals einen Streifen Brotmarken zu viel abgezählt, das waren 2 ½ Brot. Damit bin ich sieghaft heimgezogen in dem Bewußtsein, die Sorge um das Nötigste erleichtert zu haben, die Sorge, die damals wohl noch fühlbarer an uns herantrat und in unseren Kinderherzen dunkel sich abzeichnete. Die Unrechtmäßigkeit ist ^mir mit solcher Deutlichkeit noch nicht bewußt geworden. ^ immerhin, ich hatte es mir gemerkt. Aber ich muß sagen, von meinem Kaufmann die Butter zweimal holen, das konnte ich nicht, das ist mir schon zu persönlich – mit meinem Kaufmann verbindet mich schon ein Teil Vertrauen herüber und hinüber - und mit meiner Unehrlichkeit schädige ich ihn. Ihn im Verhältnis guten Vertrauens einmal um eine Bevorzugung bitten, das könnte ich auch. Also, Schätzelein, ich billige Dein Handeln darin nicht, selbst wenn ich weiblicher und mütterlicher Vorsorglichkeit etwas zugute rechnen will. Aber ich will Dich an Deine gute Vorsorglichkeit erinnern, wenn es gilt, mit besserem Recht uns einen Vorzug zu verschaffen, einen Anspruch zu verteidigen: unsere Freiheit meine ich. Aber das werde ich gar nimmer nötig haben, gelt, Herzelein? – Siehst, solche Zeiten, wie sie jetzt sind, die bringen Gebote, die man gar nicht so ernst nimmt, Gebote der Disziplin, Gebote, die an das Gemeinschaftsgewissen appellieren – die ihren Sinn und ihre Bedeutung von der Volksgemeinschaft her erhalten. Ihre Übertretung bedeutet nicht die unmittelbare Schädigung meines Nächsten, wohl aber eine mittelbare, die aber umgelegt auf die Volksmasse ganz geringfügig erscheint, die sich aber zu einem bedeutsamen Schaden summiert, wenn viele diese Gebote übertreten. So ist es auch mit dem Geldschicken. Es ist hier dazu gar keine Möglichkeit. Kein Soldat gibt seine Lewas weg, weil es dafür etwas zu kaufen gibt. Mit Reichsmark und Kreditmark bekommt man garnichts. [sic] Ich habe jetzt mal von einer „Schwarzen Börse" – gelesen, auf der man für 1 Reichsmark etwa 20 Lewas bekommt, also ⅓ Drittel des Kurswertes - aber dieser Tausch ist etwas Verbotenes, etwas Schäbiges auch, ist Schwarzhandel schlimmer Art – und wird gewisslich streng geahndet.

Von Kamerad H. habe ich noch keine Nachricht. Kamerard K.s Brief lege ich Dir bei.

So, Herzelein! Das wäre erst einmal die Antwort auf Deine Fragen.

Ach Du! Herzelein! Wie künd ich Dir nur recht mein Glück und mein Frohsein? Du! Du!!! Du!!!!! Darüber, daß Du mich sooo lieb hast – und daß ich Dich soo liebhaben darf – Du! Du!!! Oh Herzelein! Diese Freude will doch zu Dir! Will all zu Dir!!! Daß Du mein Eigen bist mein Eigen? mein Ureigen – oh Du. mein geliebtes Weib! Oh Geliebte! So groß diese Freude ist, so heimlich ist sie auch! So lieb ich Dich habe – so möcht ich doch ganz allein sein mit Dir, Dich ganz für mich haben. Du! Zu tiefem, innigem Lieben gehört doch auch ein tiefes Gefühl für das Eigene, für das Heimliche, für das, was niemand je erfährt, was nur zwei Herzen in der ganzen Welt gehört. Es gibt Menschen, die ihrem Nächsten gar nicht nah genug auf den Leib rücken können und die es gar nicht erwarten können, bis sie jemandem ihr Leben gebeichtet haben. In Deinem Mannerli lebt ganz viel Liebe und Hang zu Heimlichkeit und Eigensinn – ich denk – schon aus der Zeit, da die liebe Mutter mich trug, ganz heimlich mußt es bleiben, da sie vielleicht oft mit dem Buben unter ihrem Herzen gesprochen hat und mit ihm sich getröstet hat und fertig geworden ist mit manch innerem Widerstreit. Und das Gefühl für Traute und Heimlichkeit hat sich auch übertragen aus der Kleinstadt, in der Dein [Roland] die erste Kindheit erlebte.

Und auch Du liebst die Heimlichkeit – vielleicht aus ähnlichem Grunde – Du! Und da passen wir doch wieder einmal so recht zusammen. Und Heimlichkeit wird zwischen uns bleiben – solange wir zusammengehören – das Liebste ist etwas Ureigenes, etwas Heimliches – anders können wir es uns nicht denken. Und die heimlichen Stunden werden uns die Liebsten sein. Und wenn einmal Kinderlein zwischen uns stehen – dann sind die Stunden ganz uns, wenn sie zu Bett sind.

Soviel Liebheimliches [sic] sagt mir mein Schätzelein – zu meinem Glücke – oh Du! Du!!! Soooviel [sic] Sehnsucht ist schon mit meinem Herzblümelein! Träumst schon vom Frühling – vom Sonnenstrahl, der dann kommen wird – der dann alle Tage scheinen soll – alle Tage – Du!!! Und vom Brünnlein, von den Brünnlein, die dann fließen sollen – ganz satt trinken will ich mich mit Dir – Du! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte mein!!! Oh Du! Du!! Wie sehne ich mich nach meinem Herzblümelein! Oh Du! Geliebte mein! Nach seinem Blühen! Nach seinem soso [unklar] Erblühen! Nach seiner Schönheit! Nach seinem in-Liebe-sich-Neigen – nach seinem Küssen – Du! Du!!!

Ich hab doch schon fein mit acht aufs Kalendermannerli! Ich helf es Dir doch verjagen! Aber ich glaub, dort schaut schon wieder das Schwänzlein Übermut aus meinem Weiberl, wo es von den, [sic] fremden Reitersmännern spricht – Schwänzlein Übermut ist eigentlich auch nicht recht gesagt, ist männlich ausgedrückt, gelt? Ja, ich glaub, Du mußt dem Mannerli sein Schwänzlein Übermut auch wieder mal stopfen!!

Ganz süße Absichten hast mit Deinem Mannerli schon wieder – hm! Streuselkuchen! Und ein Stückel [sic] von Deinem Viertel noch dazu? Von welchem Viertel denn? Dumme Frage, gelt?, wo auf dem Streuselkuchen doch lauter Knöppchen [sic] sind, wenn Du sie nicht schon runtergeholt hast, Du! Ja, Du sollst mich nicht umsonst Deinen Lausbuben nennen! Ach Du! Du! Nun aber schnell wieder den Übermut verstecken – Du! und fein still halten!

Ach Du! Geliebte mein! Unsre Li[eb]e verbindet uns so vielgestalt, [sic] so tief und tausendfältig, daß wir nicht darum fürchten müssen, daß die Sehnsucht, der Schmerz der Sehnsucht, uns untreu werden lassen könnten – ach Du! Du! Nie und nimmermehr! Das brauchst Du nicht von mir zu fürchten und ich nicht von Dir! Wohin sollten wir auch mit dieser Sehnsucht? Wo käm sie zur Ruhe? Oh Herzelein! Nur bei Dir! Nur bei Dir! Nur an Deinem Herzen! Deine Liebe weckt alle Sehnsucht – und darum will sie all zu Dir! Hätte sie aber Dein Herz nicht mehr zum Ziel, dann stürbe sie – dann verlöschte die Glut – oh Herzelein! nicht mir die Glut der Liebe, das Leben in mir selber!

Ach nein! Die Liebe selber läßt uns auch Herr werden über die Sehnsucht – niemandem Fremdes zeigen wir sie – sie ist doch unser heimlichstes Eigentum – und fein still halten wir, daß wir sie nicht zeigen. Und es ist doch so glückvoll, Sehnsucht im Herzen zu tragen!

Ach Herzelein! Sooo glückvoll, Dich in mir zu tragen! Hab ihn heute noch einmal ganz froh in mir bewegt den Gedanken – auf meinem Spaziergang – daß ich doch bei Dir erst recht nun ein Mannerli sein kann – recht Dein Mannerli sein: das bedeutet doch: alles vor Dich bringen, Geliebte!, das ganze Herze Dir ausbreiten, ganz Deiner Liebe mich ergeben, ganz in Liebe Dich erfassen und umfangen, alle Sehnsucht, alle Liebessehnsucht auf Dich richten, oh Geliebte! ganz [sic] Dich erwählen zur Herzenskönigin, zur Einen und Einzigen – zum Herzgemahl – Herzelein! ganz mich vermählen Dir – ganz mich Dir vermählen – zum Kindlein, Du!!! – und all das aus dem Wunder, aus der Tiefe und Sehnsucht ersten und einmaligen Liebens – Du! Du!!!

Bei Dir nur kann ich mein ganzes Glück finden – bei Dir nur ist der Liebe ganze Erfüllung. Und so kannst Du bei mir nur recht das Weib sein – Geliebte mein!!! Und dieses „Nur", dieses Einzige und Einmalige schreckt uns nicht – so sehnten wir uns zu lieben – sooo ganz, so schicksalhaft – und so sind wir glücklich, daß es sich erfüllte! Oh Gott im Himmet! Segne Du unser Lieben! Amen!

Schätzelein! Auf Mitternacht geht es. Heinrich schläft schon. Mein Schätzelein wird sich auch bereiten für den Federball. Du! Der Mond zieht wieder sein rundestes, neugierigstes Gesicht – sperr das Kämmerlein fein zu – sonst bin ich doch ganz eifersüchtig! Wenn er mein Herzelein im Schlafe sieht, das liebe Antlitz – das darf er nicht! Oder gar ein Beinel, [sic] das sich verirrt hat, – das ist schon was ganz Schlimmes. Ja! Ach Du! Du!!! Bewahrst mir doch alles fein lieb – weil Du mich ganz liebhast, und weil Du doch ganz mein Eigen sein willst – und weil alles dem Mannerli gehören soll! Oh Herzelein! So glücklich sind wir doch darin: Was wir uns voneinander wünschen, das erfüllen wir einander doch – ganz ohne Willen, ohne Zwang – aus lauter tiefer Liebe! aus gleichem Empfinden und Wesen – Geliebte, Herzallerliebste mein! Sternengeschwister!

Behüt Dich Gott!

Ich hab Dich sooo lieb! Soooooooooooo lieb!

Ich bleibe in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland], Dein glückliches Mannerli!

Das Küßchen vergeß ich nicht – Du! Aber dazu gehen wir doch beiseit, ins Kämmerle – Du!!! Daß auch kein Strahlen ein fremdes Auge sieht – oh Du! Geliebte mein!!! Mein liebes einziges Weib! Meine liebe [Hilde]!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946