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[OBF-430118-001-02]
Briefkorpus

Montagabend, den 18. Januar 1943

Herzelein! Geliebte mein! Meine liebe liebste [Hilde]!

Kann doch jetzt fast jeden Abend damit rechnen, daß ich allein bin – lieb ist es mir doch! Du!!! – Heinrich ist wieder bei seinen Gastgebern, gestern war er da schon von mittag [sic] an. Am Abend kam er mit der Tochter des Hauses auf einen Sprung in unsre Stube. Das Mädchen macht einen guten Eindruck, es lahmt mit der rechten Hüfte. Es nahm sich von Heinrichs Bildergalerie mehrere Bilder mit, auf denen das Töchterchen abgebildet ist – bat sie sich aus.

Ach Schätzelein – Du darfst mich nicht für prüde halten oder engherzig – aber ich könnte bei solchem ^Umgang nie und nimmer froh werden, oh, mir würde alles zu eng, ich sehnte mich nach meiner Freiheit, nach dem Alleinsein mit Dir. Oh Du! ich müßte Dich ja vergessen. Ja, Herzelein, wenn Dein Mannerli solchen Umgang pflegte, dann hätte es Dich wirklich ein wenig vergessen – bei anderen mag es vielleicht nicht so sein - aber die haben Ihr ihr Weiberl auch nicht so lieb – die haben auch nicht ein so liebes goldiges Weiberl – Du! Du!!! Nein, Herzelein, ich bin nun eben so – bin ein hölzerner Bauer – magst Deinen Bauer gern haben?

Oh Du! Und ich weiß doch glücklich, daß Du nicht so geschaffen bist wie viele, mit den Männern zu tändeln und zu liebeln, [sic] zu spielen mit der Liebe – ach Du! Sie ist uns beiden doch etwas Hohes, Ernstes und Heiliges – ein heiliger Bezirk, ein Ganzes! Ja, wir gehören zu denen, die dieses Leben erst nehmen, die nicht nur dahingaukeln und ziellos darauflosleben [sic] können, sondern etwas Rechtes schaffen wollen – als eine Aufgabe erkennen wir dieses Leben – und erkennen die Segnungen heiliger Ordnungen – sinn- und ziellos zu leben wäre uns furchtbar.

Heute kam eine Marinehelferin zu uns, Rheinländerin, vor kurzem hat sie sich freiwillig gemeldet und nach kurzen Formalitäten hat man sie losgeschickt, ohne Kenntnisse in Stenographie und Schreibmaschine, ohne ein [sic] Einweisung in ihre Aufgaben – also ohne jedes Können, ohne ein Wissen um den rechten Zweck ins Ausland reisen - Herzelein!, welches Mädel dagegen sich nicht sträubt und davor nicht scheut – ich kann mir nicht helfen – der mangelt ein gesundes Gefühl, das dem Schamgefühl nicht ganz fremd ist. Meinen Aufgabenkreis will ich wenigstens kennen, mit einem bescheidenen Können will ich reisen – will nicht wie eine Seifenblase abschweben [sic] – will ein Amt sehen, in dem meine Kraft gefordert wird – will, wenn ich in die Fremde ziehe, wenigstens mit etwas vertraut sein. Ist noch nicht ganz entschieden, ob sie in unsrer Registratur eingesetzt wird, dann würde sie meine Mitarbeiterin. Binnen 4 Wochen muß dann ein Soldat abgegeben werden. Mir ist solch weibliche Gesellschaft durchaus nicht lieb. Aber ich finde schon den rechten Ton und Umgang, dessen Basis ist und bleibt der Dienst. Und bei uns ist immer zu tun. Und ist wirklich einmal frei – dann schreibt das Mannerli trotzdem – wohin? – das weiß mein Schätzelein am allerbesten. 5 Mädchen sind noch bei uns tätig – das heißt – 2 davon außer unserem Gebäude. Herzelein, ich kann sie nur bedauern – zwei von ihnen haben wohl gefunden, was sie suchten – aber die andern [sic] kann ich nur bedauern. Stenotypistin zu sein ist schon so nichts Erfreuliches – hinter Schreibarbeiten hocken den ganzen Tag etwas Unfrauliches, ein totes Gleis, reinste Handlangerarbeit – mit diesem 'Beruf' aber noch in die Fremde ziehen?

Herzelein, ich kann und mag Dich nicht an solche Stelle denken – viel zu lieb und wert bis [sic] Du mir!!! – viel freier, würdevoller, fraulicher ist Dein Schaffen daheim, viel freier – ungebundener, Schätzelein! Bist Dein Herr in Deiner Arbeit, mußt niemandem zu Gefälligkeit und zuliebe arbeiten – oh Du! das ist etwas Kostbares! Bist Dein eigener Herr, frei in Deinen Gedanken – und damit ganz mein liebes Weib! mein Eigen! Niemandem dienstbar und gefällig sonst! Herzlieb! Wenn es nur irgend geht – so soll es bleiben – ja? Du!!! Und Dein Mannerli bleibt frei – könntest Du es Dir anders denken? – bleibt so frei wie immer – Dein Schwälbchen, Dein Sonnenstrahl, Dein Ureigen, Dein hölzerner Bub.

Dein lieber Mittwochbote ist gekommen – der Dienstagbote fehlt noch, damit auch der Bericht über die Verhandlungen mit Frau S.. Aber Frau R. scheint ausgeschieden zu sein aus der engeren Wahl. Weißt Du denn im Kreise Deiner Bekannten niemanden? Aber die einen werden nicht frei sein, die anderen nicht bei der Partei oder Frauenschaft – und den dritten wird es unbequem sein. Ja, wo nur etwas freiwillig ist und keinen klingenden Lohn abwirft und ein wenig Mühe verursacht – da kannst Du schon Menschen damit vertreiben. Schätzelein, ich denke an meinen Posaunenchor und Gesangverein: gerade dort habe ich deshalb am liebsten gearbeitet — in dieser Arbeit war ich auch mein freiester Herr. Daß Du Dir freie Hand läßt, das ist mein Wunsch – daß Du Dich nicht einfach zur Nummer, zum Funktionär stempeln läßt, der zu allem bereit und fähig ist, wie die Partei es liebt – freiwillig ist Dein Helferdienst, diesen Stolz und Trumpf laß Dir nicht nehmen und abkaufen etwa mit einer amtlichen Funktion und einem Titel. Freiwilligkeit ist kündbar – ist eine Bindung auf der Basis der Gleichberechtigung und gleicher Achtbarkeit – Eine amtliche Funktion ist unkündbar – und die Verabschiedung daraus erfolgt mit einem Fußtritt und einer Ohrfeige – ist eine Bindung auf Befehlen und Gehorchen und auf Über- und Unterordnung. Das ist ein wichtiger Unterschied, der noch viel deutlicher würde, wenn jetzt nicht Kriegs- und Notzeit wäre. Denn in normalen Zeiten folgten dann bei hauptamtlicher Tätigkeit bestimmt Tagungen und Kurse und was weiß ich noch mehr an Pflichten und 'Drangsalen'. Und soviel ich habe erkennen können, ist bei solchen Kursen viel Leerlauf. Die werden meist und am liebsten auf 14 Tage und auf ein Lagerleben ausgedehnt, die ganze Wucht des Hammers der nationalsozialistischen Schulung wird auf die armen Opfer geschwungen (hörst Du mich lachen?) und Fachliches und Wissenswertes fällt nur wenig ab dabei. Du, Dein Mannerli ist jetzt noch an all diesen Lagern und Schulungen vorbeigekommen, gnädig vorbeigekommen – ohne Schaden zu nehmen an seiner Seele und an seinem Verstande. Na – und später will ich schon auf die lange Schulung jetzt verweisen, gelt? Da laß ich mich nämlich von meinem Herzensweiberl überhaupt nicht scheiden mehr – alle Tage, alle Stunden, die uns an diesem Leben noch bleiben, sind uns kostbar, sind schon besetzt – ja? Das Mannerli ist für sein ganzes Leben schon verengagiert [sic]. Ach Du, Geliebte! Unser Leben! Du! Schenke uns es Gott in Gnaden – und recht lange möcht es sein – ja? Du!!! Wir stehen ja schon mittendrin! Du! Ich kann mir doch gar nicht mehr recht denken, daß ich einmal ohne Dich lebte – erst recht nicht, daß wir jemals den Kurs dieses Lebens, dieses Miteinanderlebens aufgeben könnten – ach Du! Ich lebe doch mit Dir! So ganz – und so glücklich! – Und was dieses Leben auch uns bringen mag – es ist ein heilig Gebundensein, [sic] ein heilig Schicksal, zu dem ich immer gläubig und darum im Letzten und Innersten ganz froh ja sage. Ja, Geliebte, was auch kommen mag. Ein Schicksal nur noch, Deines und meines, vor Gott und den Menschen. Auch vor Gott, das wissen wir.

Herzelein! Dieser Bote, wenn er fein pünktlich ist, wird am Sonntag zu Dir kommen – an dem Tag, da mein Schätzelein das Mannerli doch besonders erwartet, und an dem es doch auch ein wenig länger und mehr liebgehabt werden möchte als sonst – ist es so, Du? Du!!! Später einmal ganz gewiß – ja? Du!!!!! Ach Du! Du!!! Ich möcht Dir doch sooo gern all meine Liebe bringen – möcht Dir doch alles Liebe tun!!! Du! Du!!! Du!!!!!

Ach Du! Du!!! Die Sehnsucht ist mit Liebenden, wenn sie einander ferne sein müssen – die Sehnsucht nach dem Liebsten, nach der Ergänzung, nach der Erfüllung – nicht nur körperlich, sondern überhaupt – ach Du! Du!!! Die Sehnsucht nach Deinem geliebten Wesen – nach allem, Herzelein! nach allem! nach allem Reichtum, der mir nun mit Dir wurde – nicht nur im Empfangen, sondern auch im Verschenken – ach Du! Das Mannerli kann doch nun erst bei Dir erst [sic] recht leben, kann bei Dir nun erst recht ein Mannerli sein – Dein Mannerli – Dein Gegenpol, Dein Sternengeschwister – kann bei Dir nur noch recht sich freuen und alles nur mit Dir nur noch tief erleben. Oh Herzelein! Schau und wisse es glücklich, daß mein Leben, mein Herze tausendfältig und ganz unlöslich dem Deinen verbunden ist. Wie mit der Heimat ich so tief und innig verbunden bin, so bin ich es Dir als des dem Heimlichsten, Köstlichsten, Tiefsten dieser Heimat, Du! Du!!! Und glücklich weiß ich Dich noch in dieser Heimat, weiß Dich all die lieben Wege gehen, weiß Dich daheim, dort, wo heimlich uns aus dem Mutterboden der Heimat Segen und Kraft zuströmt. – Segen und Kraft. Oh Herzelein! Wenn Du es kannst, bleibe in der Heimat!!!

Herzallerliebste mein! Behüt Dich Gott! Er sei mir Dir auf allen Wegen!

Oh Du! Ich bin so froh, wenn ich Dein denke! Du, mein Ein und Alles! Mein geliebtes Weib! Meine liebe Frau! Du! Du!!! Ich liebe Dich! Und halte Dich ganz wert!

Und wer es nicht glauben wollte, dem wollte ich auch allen Stolz zeigen, mit dem ich Dich in meinem Herzen trage! Liebes, Liebstes, Herzallerliebstes, Du! Du. Du!!!!! !!!!! !!!

Ich liebe Dich!

Ewig

Dein [Roland]!

Und tausend liebe Küsse! nicht alle aufs Mündelein – Du! Du!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946