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[OBF-430115-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 15. Januar 1943

Herzallerliebstes Schätzelein! Mein liebes, teures Weib!

Im U.v.D-Stübel sitzt das Mannerli – einmal nicht sonntags – ich hätt mir’s auch nicht gefallen lassen. Und nun läßt es rasch einmal den Tag an sich vorüberziehen, ob denn nicht etwas Erzählenswertes darin ist. Ach Du, heut morgen [sic] hätt ich doch am liebsten schnell mal zur Feder gegriffen, um Dir von meiner Freude zu künden, die ja mit Dir immer in meinem Herzen ^ist, die mich aber heut morgen [sic] ganz besonders anrührte. Meist geh ich den Morgenweg ja mit H.– aber heut [sic] morgen ging ich ihn allein.

Ach Herzelein! Was läßt mich so froh werden jeden neuen Morgen? Hier in der Fremde? Was weckt im Herzen alle Wärme, alles Freuen und Glühen? Was lässt mich so froh gehen, so froh vorausschauen, hier in der Fremde? woher kommt solch glückhafte Gewißheit [sic] – solch innere Freude? Solch Liebeserhaltenwissen [sic]? Oh Herzelein – welch Bild ist es, das ich so lebendig in mir trage und schaue, so glücklich, als stünde es vor mir – jeden neuen Morgen? Was erfüllt mich mit solcher Freude jeden neuen Morgen – mit unverminderter Freude? – Oh Geliebte! Geliebte! Deine unsre Liebe ist es, die so lebendig in mir ist, die meinen Tag übersonnt, die der Fremde ein Teil der Bitterkeit nimmt, die mir alles viel leichter macht – oh Herzelein, die als meines Daseins Sinn, meines Lebens Wert, als Hoffnung und Ausblick in die Zukunft in mir wirkt – oh Du! Du!!! Meine Freude und Sonne, Du!!!

Bist ja heute wieder so lieb und reich zu mir gekommen in 3 Boten! vom Sonnabend, Sonntag und Montag. Sei von Herzen bedankt, Geliebte! Ach Geliebte! Wie hilfst Du mir mit Deiner Liebe! Oh Herzlein! Alles bist Du mir! Ich hab doch nur Dich! An Dich halt ich mich! Solange ich in Dir lebe, bin ich nicht verloren und einsam. Oh Du!

Herzlein! Was hält den Menschen bei diesem Leben? Was gibt ihm in schweren Stunden Kraft, auszuhalten, sich zur Wehr zu setzen? Das Bewußtsein, irgendwo hier in der Welt noch vonnützen zu sein – das Gebundensein und das Verwurzeltsein der Herzens, das, woran unser Herz hängt: Der Bauer hängt an seinem Werk ^Hof, den Bürgersmann hält sein Geschäft, den Forscher und Gelehrten sein Werk – der Mensch muß eine Berufung in sich fühlen, er muß an einen Plan seines Schicksals glauben – alle weiseren Menschen sind irgendwie so gebunden. Die stärksten Bindungen sind aber doch die Bande des Herzens – der Vater denkt an seine Familie, der er tatsächlich unersetzlich ist, undsofort [sic]. Sündige Menschen sind wir, und obwohl wir nicht sollen, hängen wir unser Herz doch an Irdisches. Und in Stunden der Not und Lebensangst klammern wir uns zuerst an diese Erde und ergreifen Gottes Hand nur zaghaft – so sind wir. Ach Geliebte! Meine [Hilde]! Und ich habe nur Dich! Nein Herzelein, nicht "nur" – ich habe Dich, Dich ganz allein! Was mich hält, worinnen mein Herze wurzelt, wozu ich mich berufen fühle — Dein Herz zu besitzen, Dich zu lieben, mit Dir dieses Leben zu bestehen! Geliebte! Ich erkenne nichts anderes. Du allein hältst mich! Mein Hof, mein Haus? - ich besitze keines?! – Mein Werk? Ich treibe keines, das mich vonnöten [sic] hätte. – Unsre Familie – unsre Art? – Oh Geliebte! Mit Dir will ich sie! Mit Dir scheint sie mir wert! Aber ohne Dich – nein, Du! ich mag daran nur in Verbindung mit Dir gerne und lieb denken! – Oh Geliebte! Wir wollen nicht undankbar und vermessen sein! Wir wollen nicht mindern im Wert, was Gott uns schickte und zumaß, wir haben kein Recht, an unserem Schicksal zu kritisieren – das will ich auch nicht! Will Dir nur sagen, wie lieb ich Dich habe, wie Deine Liebe mich ganz erfüllt. Oh Geliebte! Du kennst mich – Du liebst mich wie niemand sonst – auf der Welt – Dir hat sich mein Herz geöffnet – Dir bin ich ganz verbunden – oh Herzelein! Meines Lebens und Herzens beste Kräfte sind gebunden an unsre Liebe – unsre Liebe ist der Schatz, an dem mein Herze hängt – sie ist Mittelpunkt meines Lebens geworden. Oh Geliebte! Die stärksten Bande der Liebe – sie verbinden mich mit Dir! Des Herzens Wurzeln und Anker sind in Dein Herze gesenkt: Glaube, Liebe, Hoffnung. Dich liebe ich! Und an unsre Berufung zu einem Leben in Liebe mit Dir glaube ich! Und aus diesem Glauben strömt alle Freude und Hoffnung auf die Zukunft. Oh Geliebte mein! Dir vertraue ich bis ins Letzte! Und mit Dir bauen wir ich auf Gott! – Und es ist unser Vertrauen zu Gott ein innig, demütig Bitten um die Kraft, Liebe und Treue zu bewähren hier auf Erden, mitten in Wechsel und Unbestand. Oh Du! Du!!! Und wir erkennen unsre Liebe doch dankbar als ein Geschenk Gottes – wir ergreifen es froh und dankbar und halten sie heilig als ein Geschenk des Höchsten. Oh Herzelein! Wir erleben doch beide an uns so deutlich die Segnungen solch guter Liebe! Und deshalb dürfen wir ihrer auch ganz froh sein – so recht von Herzen froh.

Oh Du! Du!!! Sie ist ein rechter Nothelfer! Sie ist es geworden! Aber viel mehr ist sie mir, ach Du! Du!!! Sie wird auch dann im Frieden mit uns sein.

Oh Herzelein! Du liebst mich! Du liebst mich! Dein Sonnabendbote sagt es mir doch auf ganz eigene, heimliche Weise! Oh Herzelein! Dein Sehnen, Dein Lieben all geht zu mir, findet zu mir – hat nur ein Ziel – oh Geliebte, Du! So wie das meine! Oh Du! Du!!! Kannst mir doch nichts Lieberes sagen, kannst mich doch nicht glücklicher machen als mit diesem Bekenntnis! Und Du bekennst es ganz glücklich – ach Herzelein, glücklich über allem Schmerz des Sehnens. Oh Geliebte! Und so wird es bleiben zwischen uns, solange wir einander ferne sein müssen! Oh Du! Wer hätte noch so Zugang zu meinem Herzen? Und woher hätte er ihn? Wer fände noch so zu meinem Herzen, wie Du, Herzallerliebstes mein? Oh Geliebte! Der Thron in meinem Herzen, Dein Thron, er wird doch bewacht von meiner Liebe – sie hält ihm alles fern, war seinen Glanz auch nur trüben könnte. Oh Geliebte! Und diese Wehr ist keine angestrengte oder gar verzweifelte, ein Ringen mit Versuchungen etwa – ach Du! Du!!! Glück und Freude, ungestümes Drängen zueinander hüten unseren Schatz — sie drängen alles beiseite – nichts kann uns aufhalten auf dem Weg zueinander, nichts uns vom Wege abbringen! Oh Herzallerliebste mein! Sind wir darum nicht recht glücklich?!!! Daß wir ein so schönes Ziel vor uns sehen? Daß wir so sicher gehen mit liebeerfülltem Herzen?

Oh Du! Du!!! Sagst mir zu meinem Glücke, daß Du immer nur in meiner Gefangenschaft bleiben willst. Und ich muß Dir immer aufs neue bekennen: wie sicher ich gehe – ach Herzelein, wie mich gar nichts anficht – wie ich so ganz erfüllt bin von Deiner Liebe, wie ich ganz glücklich bei Dir bine und dieses Glück alles überstrahlt. Oh Du! Hinter allem steht der Sonnenglanz unsrer Liebe, in meinem Herzen wohnst Du – und das macht mich so froh immer. Ach Herzelein! Deine Liebe ist es, die das Feuer meines Lebens nährt und unterhält!

Herzelein! Es war wieder mancherlei los in meinem Dienst, und ich konnte nicht so recht lieb Dein denken, so ganz ungestört. Und auf Deine lieben Boten gebe ich Dir doch heute abend [sic] Antwort. Kommst heute in unser Stübel? Wir wollen es heute nachmittag [sic] ganz sauber machen, das Parkett einmal wischen. Es ist heute häßlich draußen – es weht aus Osten. Will heute am Nachmittag trotzdem mal durch ein paar Straßen schlendern. Morgen will ich den Gottesdienst besuchen. Ja, wird unser Stübel ganz besonders fein sein h[eut] abend [sic]. Müßtest es Dir mal anschauen – ach, Deinem Gutachten hielte noch längst nicht alles stand – überhaupt mein Schrank nicht, Du! Liederlich ist es nicht darin, aber für das Auge ist eben auch nicht gearbeitet. Es liegt halt alles griffbereit – und in solchem Spind muß doch eben die ganze Ausstattung stehn.[sic] Ob wir allein wären heut abend?[sic] Ich weiß es nicht – möchten wir das? – O [sic] Herzelein, Du! Ich müßt Dich doch ganz nah an mich drücken – und müßt Dich küssen – und das Herze ließe sich nimmer halten – es wollte dann endlich, endlich zu Worte kommen – o Gelie[bte] Du! Dann muß des Herzens Überfluß sich befreien im Schenken, im Ganz– sich–Verschenken – ach Du! Du!!! All unser Liebhaben ist doch des Herzens Überfluß – fühlst auch Du es? Und der Liebe Glut – Du nährst sie in mir – und mehrst sie zum Überfluß – das fühl ich doch – und darum ist sie doch Dein all Dein! Darum geht doch alles Sehnen zu Dir! Wundersam Wogen und Fluten der Liebe! Und ich weiß es ganz überglücklich: so erblüht mir mein Herzblümelein! So streckt es sich nach seinem Sonnenstrahl und öffnet sich ihm – oh Du! Du!!! Du bist doch ganz mein Eigen – und ich bin Dein! ewig Dein!

Behüt Dich Gott!

In ewiger Liebe und Treue

Und viel liebe Küsse! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli.

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Kommentare

Roland sitzt im „U. v.D-Stübel“ und lässt den Tag Revue passieren. Heute ging er den Morgenweg nicht wie sonst mit H., sondern allein. Er ist voller Freude über die innere Gewissheit der  Liebe zwischen Hilde und ihm, sie gibt ihm Hoffnung, Wärme und Vorfreude auf die Zukunft und  macht ihm Vieles soviel leichter in der Fremde. Drei Boten sind heute von Hilde gekommen. Von Sonnabend, Sonntag und Montag. Überaus  dankbar beschwört er seine und Hildes Liebe als ein Schatz und Geschenk Gottes. Im Dienst ist gerade viel los, weshalb Roland sich noch nicht ungestört seinen Gedanken an Hilde  und der Beantwortung der Boten widmen konnte. Er fragt, ob Hilde heute in „unser Stübel„ kommt.

Das Wetter ist häßlich und es weht aus Osten, aber Roland will nachmittags trotzdem mal durch ein  paar Straßen schlendern. Morgen will er den Gottesdienst besuchen. Im Stübel soll am Nachmittag sauber gemacht und das Parkett gewischt werden. Es soll am Abend  ganz besonders fein sein. Roland fragt sich, ob seine Ordnung wohl Hildes Gutachten Stand hielte. Sehnsuchtsvoll verabschiedet er sich.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946