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[OBF-430114-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 14. Januar 1 9 4 3

Geliebtes teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Magst nicht einmal in unser Stübel kommen, Herzelein? Heute ist’s doch ganz extra fein. Ja. Seit ungefähr 8 Tagen funktioniert unsre Zentralheizung nicht mehr, unser Heizkörper wird nicht richtig heiß, auch in anderen Stuben. Und der Fehler ist nicht zu finden. Und draußen wird es doch nun kalt. So bin ich schon einige Abende in eine wärmere Stube geflüchtet, aber fein war das nicht. Steht doch in unsrer Stube auch ein großmächtiger Kachelofen — und der rauchte so schlimm, daß wir ihn nicht benutzen konnten. Nun sind wir aber beim Spieß vorstellig geworden und haben Abhilfe gefordert. Seit gestern wird nun an der Zentralheizung gebaut – und heute am Vormittag hat der Feuerrüpel unsern Ofen in Ordnung gebracht! Hurra!! Heut mittag [sic] fanden wir unser Stübel reichlich verstaubt und verschmutzt vor. Die Betten hatten wir vorsorglich zugedeckt.

So sind wir nach dem Essen drangegangen, haben eingeheizt – Holz – und sauber gemacht. Schätzelein, deshalb bin ich doch auch mit dem Boten so ins Gedränge gekommen: bin gestern abend [sic] zeitig ins Bettlein gekrochen, weil mir kalt war und wollte heute in der Mittagstunde zu ende [sic] schreiben. Aber nun hat uns heute ein fein warmes Stübel empfangen! Du weißt doch wie das Mannerli viel auf Wärme hält. Und richtige heimliche Ofenwärme ist’s – beinahe schon ein bissel unheimlich – paradiesisch – Du!!! Könntest gleich ein feines Sommerkleid anziehen! Ach Du! Nun kann es kalt werden, nun kann die Heizung auch mal aussetzen – wir haben ein warmes Stübel! Und Holz ist genug da. Nun hat man doch erst Lust, wieder etwas anzufassen. Und meinem Schätzeli an der Wand, dem wird es auch recht gefallen nun, Du!!!

Herzelein! Zwei liebe Boten sind heute zu mir gekommen: Der vom Heiligabend! und der vom Freitag. Hab doch soviel Freude drüber, Du! Du!!! Liebes! Liebstes! Mein! Mein!!! [sic] Schön habt Ihr den Heiligabend verlebt – und ich hätt mögen gleich dabeisein! Du!!!

Das Programm der Christvesper enthält alle lieben schönen Weihnachtslieder, die dem Antichrist ein Greuel sind. Der Herr Pfarrer wird wohl nun auch so langsam weiskriegen, [sic] daß die Partei von der Kirche überhaupt nichts wissen will, auch von denen nicht, die die Kirche dem Staate in die Hände spielen wollten zum willfährigen Werkzeug, daß sie die Spaltung innerhalb der Kirche nur begünstigten, um sie nur desto schneller ihrem Niedergang zuzuführen.

Und daß Ihr den lieben Pappsch mit dem Christbaum überrascht habt, das gefällt mir ganz besonders. So wollen wir doch einmal auch die lieben Eltern überraschen mit unsrer festlichen Weihnachtsstube, daß sie die große Weihnachtsfreude auch spüren, so, daß sie ihnen ganz lieb und vertraut wird – ja? Du!!! Freut mich auch – daß Du die Treue des alten Schuhmachers und des Briefträgers gelöhnt hast mit einer persönlichen Anerkennung. So wollen es auch wir einmal halten in unserem Kreise später – viel Freude kann man so bereiten allein damit, daß man überhaupt daran denkt, auf die Größe des Geschenkes kommt es gar nicht an – und so hilft man, daß ein wenig Liebe bleibt in unsrer amtlichen, liebearmen Zeit. Herzelein! So schaue ich allein darin schon, wie Du den Heiligabend zu einem reichen Tag gemacht hast – Liebe schenken, Freude bereiten – und die Tiefe Herzensliebe hast doch dem Mannerli erzeigt in der Ferne, indem Du es in Deinem Herzen trugest und sooo lieb seiner dachtest, sooo lieb! Du!!! Und über Vaters Geschenk freue ich mich ganz sehr mit – laßt es nur nicht verfallen. Und aufheben könnt Ihr das nicht alles, das Mannerli bringt doch auch mit!

Du, weißt was nun noch einmal kommt? Eine Husche! [=Gans] Aber diesmal eine richtige Masthusche, sachgemäß durch die Wehrmachtaktion, bis Wien im Kühlwagen befördert. Magst die lieben Eltern damit überraschen! Die K.er Eltern sollen auch einen Braten abkriegen. Sollt fein teilen im Verhältnis 1: 2, Oberfrohna 2 Teile, Kamenz 1 Teil. Sind doch in Oberfrohna 4 Personen – ja, mit dem Mannerli. Das in seiner Abwesenheit von seinem Fraule vertreten wird – auch im Essen, gelt? Wenn ich heimkomme, beiß ich mir die Feinsten Stückchen ab – hast schon Angst? Du!!! Bin gespannt, ob wir fein bedient sind – ist auch teuer genug. Aber ist doch fein, daß die Gelegenheit geboten wurde!

Der liebe Freitagbote bringt mir wieder alle Liebe und Sehnsucht – die alte, treue Liebe – und doch immer neu, Deinem [Roland] zu Freud und Sonne! Oh Geliebte! Geliebte!!! Ein Zauber ist um unsre Liebe! Ein tiefer, heimlicher Zauber! Ein Geschenk ist unsre Liebe! Du! Du!!! Herzelein! Und des bin ich doch sooo froh und glücklich bewußt – daß dieser Zauber zwischen uns so tief und heimlich geht – daß wir einander so ganz zu Eigen werden können.

Herzlieb mein! Du! Du!!! Heimlich und tief ist der Zauber, der von Dir ausgeht – tief ist der Brunnen Deiner Liebe – zur Innigkeit und Gediegenheit neigt Dein Wesen – und wer Zugang haben will zu ihm, der muß es heimlich anfangen – nicht jeder Sonnenstrahl erschließt dieses Blümleins [sic] Schöne - oh Herzelein, Du! Geliebte! Geliebte!!! Du kannst ganz die Meine werden! Du bist es schon! Und wirst es immer mehr! Du!! Du!!!

Ach Herzelein! Verzeih mir, daß ich so Heimliches in Worte fasse, aber ich muß Dir doch künden, wie glücklich ich bin mit Dir! Wie sooo glücklich, Du!!! Daß ich Dich fand! Daß wir einander fanden – so verwandt einander – an Leib und Seele, Du! Du!!! Oh Du! Du!!! Wir wollen einander ganz besitzen und einnehmen! Ganz!!! Wollen einander ganz in des Liebsten Herze drängen – ach Du! Dein Mannerli doch nicht minder! Wollen einander ganz leben – wollen ganz eins werden? Oh Geliebte! Geliebte! Geliebte!!!!! !!!!! !!! Liebes, liebstes Weib! Bei Dir – vergeß [sic] ich alle Welt ringsher [sic] – bei Dir mündet alle Sehnsucht – bei Dir wird alle Unrast Stille – bei Dir ist Frieden und Heimat und Erfüllung! Oh Herzelein! Du bist ganz mein Eigen! Mit Dir ist rechte Zweisamkeit! Du kannst mir folgen und bist mir gefolgt in die Einsamkeit. Wir haben einander gefunden und liebgewonnen, wo das Eigene, das Wesen ruft, in des Herzens Tiefe. Wir haben einander die Herzen geöffnet bis zum letzten Kämmerlein! Oh Herzallerliebste mein – und im Beschenktwerden [sic] wie im Schenken verbinden und verlieren wir uns immer mehr aneinander zu unveräußerlichem Eigen. – Du! An Kaufungen muß ich denken – an die Bauernhöfe im Oberdorfe, die so trützig und trotzig in zwei Reihen einander gegenüberstehen wie zwei feindliche Heerlager – und jeder Hof noch gegen die Nachbarn für sich abgeschlossen – daß man hinschaut, ob man nicht einmal einen Menschen sieht – und wenn man einen erblickt, dann betrachtet man ihn erstaunt und folgt ihm verwundert, wenn er durch das Tor im Gehöft, in der Burg verschwindet. Herzelein! Ist das nicht erst rechte Hochzeit, wenn zwei Menschen von solch einzelnen, einzellebenden Höfen ^ sich verbinden – wenn dann der Man seine Frau heimführt auf seinen Hof, wenn sich das Tor hinter ihnen schließt – das ist doch erst ein rechtes, tiefes Verbinden und Einswerden – und solch tiefes Verbinden und Einswerden und Vermählen ist auch dort, wo Liebende einander in des Herzens Tiefe suchen, wo sie in ihrem Lieben zuletzt ganz einsam und allein gehen, so wie dort in den Hof, so hier in das Land, den Garten der Liebe/wo zwischen zwei Liebenden letztes Wissen und Anvertrauen steht, wo Liebende sich Letztes, Liebstes anvertrauen, wo Liebende einander wert und unersetzlich werden – wo zwischen Liebenden Eigenes erblüht – wo Liebende einander ganz zu Eigen werden – wo zwei Eigenwesen zu einem Neuen sich verbinden!

Oh Herzelein! Deine, unsre Heimat zeigt, für den Sehenden abschreckend, wie die Liebe etwas Öffentliches, Allgemeines wird, und damit verflacht, wie das Eigenleben der Menschen eingeebnet und verschüttet wird, wie die Menschen verlernen, die Einsamkeit zu lieben – eine Folge des Dichtbeieinanderwohnens [sic] und des Fabriklebens.

Und Du! Du!!! fühltest [sic] Dich hingezogen zu dem Einsamen – Du suchtest die Einsamkeit, Du wolltest ein einsames, einsiedlerisches, eigensinniges Mannerli ganz heimsuchen – Du wolltest ein ganz sichtbares Eigenleben zu Deinem Eigen haben, um Dich selber ihm ganz zu Eigen zu geben – Du ersehntest solch tiefe Zweisamkeit – oh Du! Du!!! Du!!! Geliebte! Herzalleliebste mein!!! Mein liebes Weib! Meine liebe [Hilde]!!! Du hast mich so glücklich gemacht – Du hast mich ganz zu Eigen gewonnen – und ich habe das liebste Weib zu Eigen, ganz zu Eigen – und lebe mit ihm im tiefsten Herzen verbunden! Herzelein! Herzelein! Du! Du!!! Freue Dich mit mir! Lobe und danke mit mir! Oh Herrgott im Himmel! Halt uns demütig in unserem Glücke! Segne unseren Bund! Amen!

Du! Du!!! Ich habe Dich sooo sehr lieb! Ich gehöre Dir ganz! Und halte Dich sooo gücklich umfangen: mein Eigen, Du! Mein Alles! Geliebte mein! Mein Leben! Du hast mich doch gefunden und ganz gewonnen – ganz verzaubert!!! Und ich halt Dich so fest umschlungen in heißer Liebe! Du, mein liebes einziges Weib! Meine ganze Freude! mein ganzer Reichtum!

Oh! Du bist mein! Bist Mein! Ganz mein!

Dein glücklicher [Roland]

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Ausschnitt aus dem Brief. Zeichnung eines Herzens.

Ba-OBF K02.Pf1.430114-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946