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[OBF-430108-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 7. Januar 1943

Herzensweiberl! Meine [Hilde]! Geliebte mein!!!

Jetzt ist es schon 9 Uhr. Und seit 5 Uhr geh ich wie im Traume [sic] schon, Herzelein, in den Landen unsrer, Deiner Liebe! Ach Du! Drei – drei liebe Boten sind gekommen – und einer von der lieben Mutsch und einer von Gerhard – nun bin ich aber ganz daheim – ganz abwesend hier – ganz bei Dir! – und so bewegt von vielen lieben Gedanken, von soviel Herzensfreude und von der Sehnsucht, von der Sehnsucht, Dir nahe zu sein, Dir Liebes zu tun, Dir all meine Liebe zu zeigen – oh Geliebte! Du! Meine liebe, liebste [Hilde]! Mein Herzblümelein! Ach Du! Du!!! Geliebte mein! Daß ich Dich nur immer lieb genug habe! Daß ich Dein Sehnen nur immer ganz erfülle – mußt so sehr warten mein! Liebes, liebstes, herzallerliebstes mein! Meine [Hilde]! Meine [Hilde]!!! – Daß Du es nur immer fühlen möchtest, daß Du mein Liebstes, mein Alles bist – oh Herzelein! Meine Heimkehr, mein Frieden!!! Daß Du ganz ganz zu meinem Leben gehörst, daß Du es hältst – oh Geliebte! Daß Du in meinem Herzen lebst als meine Sehnsucht, als mein kostbarstes, mein teures Weib, meine liebe Frau, meines Herzens ganzer Schatz! Ach, daß er Dich allzeit mit hohem Mut erfülle – daß Du wie ich immer das weite, herrliche Land unsrer Liebe schauen möchtest – oh Herzelein, daß Du diese diese hohe Schau nicht verlieren möchtest, wenn um Dich her einmal Enge und nüchterner Sinn und billiges Genügen sind. Herzlieb! Du und ich müssen in einer Umgebung leben, unter Menschen, die nicht so reich sind an Liebe, die nicht ein so reiches Leben vor sich schauen – und ich hier unter Menschen, die diesen Reichtum zumeist ihn verkennen und vielleicht seines spotten, die auch mit dem billigsten Vergnügen sich bescheiden, die nicht Blei von Gold unterscheiden können. Aber das macht mich nicht irre in meinem Glauben, das bringt mich keinen Fußbreit von meinem Wege ab — ich bin gefeit gegen jede Suggestion der Masse – ich gehe meinen Weg – und weiß glücklich, für wen ich ihn gehe, für wen ich lebe: für Dich, für Dich allein!!! Oh Herzelein! Wenn Gott es will, dann wollen wir doch ein Leben uns zimmern – das beste, das wir uns denken können, und ich glaube, das ist schon ein gutes, Du!!!

Schätzlein, weißt, was mich diesen Gedanken so ausspinnen läßt – komisch, wie ein Wort doch einen ganzen Komplex benennen kann – Die liebe Mutsch schreibt, vielleicht nur im derben Scherze: „nächste Woche wollen wir beiden Weibsen [sic] zum Zahnarzt gehen". Herzelein, in diesem Wort schwingt der Unwert, schwingt Freud-, SonnenWertlosigkeit [sic]– weißt, Herzelein, darin schwingt etwas von der Stimmung, der Atmosphäre, wie ich sie mir in einem Frauen- oder Mädchenlager denke – wo lauter Blümlein sich zusammenfinden ohne Sonnenstrahlen, wo niemand sich freut an dem Blühen, wo niemand sich sehnt nach dem Herzblümlein – da sind dann Trübnis und Nebel der Sinn- und Wertlosigkeit. Ach Geliebte, es ist eben dann der unnatürliche Zustand, in dem das wundersame Weben zwischen Mann und Weib, zwischen Liebenden aufhört. Bei Männern reißen dann Roheit [sic] und Gemeinheit ein – und bei Frauen Dumpfheit, Gleichgültigkeit.

Oh Herzelieb mein! Das ist mein Streben hier, daß ich nichts verliere von dem, was Persönlichkeit ist, was scheidet, was unterscheidet von namenloser, formloser Masse, die alles gleichmacht und alles in den Boden trampelt, von der Herde, die dumpf und blind dahintrottet. Und dazu bedarf es bei mir gar keiner besonderen Anstrengung des Willens, da leitet mich ein Instinkt ganz sicher. Oh Geliebte! Du wirst mich ganz, ganz so wiederfinden: Dein Herzensbub, Dein Herzensmannerli mit dem Glauben an gute Liebe, mit der Verehrung und Bewunderung und Liebe – Liebe zum geliebten Weibe – zu Dir! zu Dir!!! zu Dir!!! Meine [Hilde]!!!!! Oh Herzelein! Die Blume unsrer Liebe! Was gibt es Beglückenderes, als sie zu hegen im Herzen?!!! Oh Herzelein! Möchtest Du allzeit, geliebtes, einziges Herzblümelein, möchtest Du es allzeit spüren und fühlen in all Deinen Blütenstrahlen und Blättelein: [sic] daß Du Deinem Sonnenstrahl erblühst zu Glück und Freude, zu einzigem Glück, zu einziger Freude! Du! Du!!! Du!!!!! Oh Herzlieb mein! Im Glauben an unsre gute Liebe, in unendlicher Liebe zueinander gehen wir hohen Sinnes und Mutes durch die Tage auch der Trennung. Oh Du! Du!!! Wie lieb ich Dich! Wie lieb ich Dich!!!!! !!!!! !!! Oh Herzelein! Wie kannst Du Deinem Mannerli sooo reich erblühen – wie sehne, sehne ich mich, mein Herzblümelein zu bescheinen – oh Du! seine Schönheit, sein Blühen zu schauen – oh Du! Du!! Wunderblüte des Weibes! Oh Geliebte! Wie blüht es mir schon zur Freude und Sonne über alle Ferne! Bist so lieb, sooo lieb zu mir gekommen! Ach Du! Du!!! Bist ganz die Meine! Meine liebe, liebste [Hilde]!!!!! Ach Herzelein! Du! Du!!! Denk nur froh daran immer, daß jetzt böse Wartezeit ist — hast das Fest so allein begehen müssen – warst der mütterlichen Unrast ein wenig ausgeliefert. Ach Du! Du!!! Magst mit mir ganz froh daran denken, wie schön wir dann unsre Feste begehen wollen – Du! Du!!! Du! Herzelein! Das werden nicht nur Gedanken und schöne Worte bleiben. Du! Ich will Dich doch sooo liebhaben und Deinem Glücke leben und nimmermehr von Dir gehen – so wie jetzt schon! So wie jetzt schon – Du! Du!!!!!

Oh Herzelein! Wie nun hier alles um mich her ausgebreitet liegt – all die Zeichen Deiner Liebe – da möcht ich doch ganz, ganz glücklich Dich umfangen zu Dank und Freude – oh Herzelein! Geliebte! Dir mein Glück zeigen! Ach Du! Das kann ich doch gar nicht schreiben. Und ich will heut abend [sic] auch aufhören. Will mich ganz dem Glücksgefühl hingeben und es heimlich wundersam mit Dir teilen. Will noch einmal Deine lieben, lieben Boten lesen und dann ins Bettlein gehen. Es ist noch ausgekühlt vom Lüften – ist auch noch ein beißender Geruch in der Stube – wir müssen diese Nacht uns ganz warm einpacken und lüften. Herzelein! Morgen komme ich wieder zu Dir! Oh Du! Du!!! Wie gerne! wie gerne!!! Behüt Dich Gott! Mein Liebstes! Mein Alles! Meine liebe Frau! Meine [Hilde]! Du! Du!!! Ich liebe Dich!!!!! !!!!! !!!

Und wenn ich bei Dir wäre? – ach Du! Du!!! Liebes, Liebstes! Mein! Mein!!!

Dein glückliches Mannerli!

Ewig Dein [Roland]

 

Herzelein! Geliebte! Du!!!

Kalt war´s diese Nacht. Hätt Dich nicht mit wärmen können – hab mich ganz in mich selber zusammengekrochen.

Ein paar Stunden hab ich geschlafen, aber dann bin ich wachgelegen und habe Dein ganz viellieb [sic] gedacht. Ob Du es gemerkt hast? Am Nasenspitzl vielleicht? Aber ans Nasenspitzl hab ich gar nicht gedacht. Ach Du! Du!!! Hab sooo froh – sooo froh Dein gedacht, Du! Du!!!!!

Sei immer hohen Mutes und Sinnes, geliebtes Weib! Ein Blühen ist Dein Leben.

Und Dein [Roland], Dein Mannerli, Dein Sonnenstrahl ist sooo voll Liebe, Zärtlichkeit und Behutsamkeit, sooo voll Freude, voll überglückseliger [sic] Freude an dem Wunder Deines Blühens, Deines Lebens – oh, sooooo voll Sehnsucht – oh Geliebte! so voll glückseliger Sehnsucht nach dem Leben mit Dir! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ich liebe Dich!

Ich weiß doch allein um die Wundertiefe Deines Blühens – so wie Du allein mein Strahlen kennst. Herzelein! Das Glück der Liebe erfahren doch nur zwei. Das Wunder der Liebe umschlingt uns zu letzter Traute.

Ein Wunderwirken ist die Liebe. Kein eingebildetes – ein ganz großes wirkliches Wunderwirken. Aber das wissen nur wahrhaft Liebende: Wie die Welt sich dann auftut in ihrer Schönheit, in ihrem Gutsein. Der Liebe Wunderwirken ist in der Welt der Sterne – und gibt ihnen Bahn und Ort und heilige Ordnung. Und an diesem großen Wunderwirken haben Liebende teil. Die Liebe gibt uns Bahn, einen Halt, einen Ort – und damit Sinn und Wert.

Ich weiß nun, wohin ich gehöre – habe eine Heimat – bei Dir!!! Und von dieser Heimat aus kommt Ordnung in die Welt. Ich weiß nun, wofür ich lebe – für Dich! Geliebte!!! Oh Du! Du!!! Auf einer Bahn bin ich – neben dir – wandle mit Dir, liebstes Sternlein [sic] – Du!!! Bin nicht verloren, bin nicht so arm, bin kein irrender wie die Menschen, die das Wunder der Liebe nicht erfahren – oder die es verscherzen – die den Wunderring verlieren: die Treue – die Treue! Ja Geliebte! Die Treue, die Traute, das ganze und letzte Vertrauen ist der Ring, der die Zauberkraft der Liebe trägt. Zu mächtig ist der Liebe Zauber zwischen unseren Herzen, als daß wir auch nur daran dachten, ihn abzustreifen.

Oh Herzelein. Geliebte! Geliebte!!

Behüt Dich Gott!

Ich bin Dein glückliches Mannerli,

in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland]!

Ein Blühen ist Dein Leben – Herzblümlein, mein! mein!!! Mir blühst Du – mir erschließt sich das Wunder Deines Blühens ganz – weil ich Dich liebe – weil ich Dein Sonnenstrahl bin – sooo voll Glück, sooo voll Freude und Reichtum von Deinem Erblühen – oh Du! Du!!! Mein Alles, mein Leben, Du!!!

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Kommentare

Es ist 9 Uhr und Roland ist schon seit 5 Uhr wach. Seit er die drei neuen Briefe von Hilde gelesen  hat, ist er ganz wie im Traume bei ihr. Auch von Mutsch und Gerhard ist je ein Brief gekommen. Er schreibt von seiner Liebe und Sehnsucht und bedauert, dass er und Hilde in einer Umgebung  leben müssen, in der dieser Reichtum an Liebe verkannt und nichts zu zählen scheint. Vielleicht  sogar verspottet würde. Unter Menschen, die „nicht Blei von Gold unterscheiden können“. Davon  lässt er sich aber nicht beirren und ist glücklich, seinen Weg „gefeiht gegen jede Suggestion der  Masse“ hoffnungsvoll weiter zu gehen, denn er weiss ja, wofür und für wen er das tut. Er beschreibt einen Gedanken, der ihn beschäftigt, seit Mutsch in ihrem Brief wohl im derben  Scherz erwähnte: „nächste Woche wollen wir beiden Weibsen zum Zahnarzt gehen".

Dieses Wort  betrübt ihn, denn er erkennt darin „Unwert, Freud-, Sonnen- und Wertlosigkeit“ in einer Stimmung  wie er sie sich in einem Frauen- oder Mädchenlager vorstellt. Wo diese sich als lauter Blümlein  ohne Sonnenstrahlen zusammenfinden. Ganz unbeachtet und sich wertlos fühlend. Wo der  unnatürliche Zustand vorherrscht, „in dem das wundersame Weben zwischen Mann und Weib,  zwischen Liebenden aufhört“, wo dann bei Männern Rohheit und Gemeinheit einreißen und bei  Frauen Dumpfheit und Gleichgültigkeit. Es ist sein unverbrüchliches Streben, nichts von dem, was Persönlichkeit ist, zu verlieren. Sich nicht an die „namenlose, formlose Masse“ anzupassen, die herdengleich „alles in den Boden trampelt“  und dabei „dumpf und blind dahintrottet“. Er vergleicht seine und Hildes Liebe mit einer Blume, die glücklich im Herzen gehegt wird. Er  beschreibt Hilde als Blume, die von ihm als Sonnenstrahl beschienen wird. Nach dem sie ohne ihn das Fest hat begehen müsse, ist er voll Freude auf die zukünftigen, die sie  gemeinsam feiern werden. Es ist Abend und er wird vor dem Schlafengehen Hildes Briefe noch einmal lesen.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946