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[OBF-430104-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 4. Januar 1943

Herzallerliebste mein! Mein liebes, treues Weib! Mhmh [sic] – wie duftet es mir entgegen aus dem Montagboten. So eine Duftblume mußt dem Pappsch [sic] mal in seinen Rock stecken, der freut sich darüber gewiß – nun, das Mannerli auch – hätte Dir gerne ein Fläschchen Duftendes geschenkt; aber meine Devisen waren schon all gerechnet. Mit den Nüsseln und Mandeln muß ich Dich auch noch mal vertrösten – aus einem ganz bestimmten Grunde – aber das verrate ich nicht – und das Mannerli kann gar dicht halten – gelt? Ach, jetzt nach der großen Weihnachtsbescherung kann ich Euch schon mal ein paar Tage auf die Folter spannen – Du! Schade, daß mein Päckchen nicht zur rechten Zeit angekommen ist. Am 19. hat Heinrich es aufgegeben – in normalen Zeiten wäre es längstens 2 Tage gegangen.

Heute ist kein Bote zu mir gekommen. Ach — ich habe ja noch zu zehren, reichlich, von denen, die gestern sooo lieb zu mir kamen. So kalt ist’s schon daheim gewesen ohne Schnee – und mein Herzlieb muss schon frieren. Wie froh bin ich, daß ich doch entschlossen nach den wärmenden Dingen packte, wenn man bei dem Kauf auch überteuert wurde. Werd wohl mein Herzensschätzelein noch viel oft ganz fein warm halten müssen – Du!!! – ob ich es gerne tue? Ach Du! Du!!! Was täte ich lieber? Meinem Herzensblümelein lieb und warm strahlen – Du! – das ist doch meine ganze Freude! Oh Geliebte! Daß wir so innerlich auch die Wärme und Traute des Herzens beieinander finden, macht doch das Glück der Liebe aus.

Herzelein! Und nun ist meine große Freude bei Dir. “Freude, die wir andern bringen, kehrt ins eigne Herz zurück” – das gilt schon von der Freude, die wir anderen schenken – und es gilt doch ganz besonders, wenn wir einander beschenken. In diesem Schenken liegt alle Freude! Schöner kann unsre Liebe sich nicht kundtun als im Schenken. Oh Herzallerliebste mein – und wir können einander am reichsten und liebsten beschenken. Du allein kannst mich doch so froh und glücklich m[ac]hen und froh und glücklich bin ich doch durch Dich – aber am meisten aber doch darum, daß Du ganz die Meine bist! Oh Geliebte! Dieses Wissen, dieses Fühlen ist der Inbegriff der Liebe – Du bekennst es auch. Und dort ist das glücklichste Paar, wo dieses Wissen und Fühlen ganz tief verankert ist, wo zwei wirklich ganz einander gehören, wo zwei es jubelnd bekennen, daß sie, und nur eben sie, so ganz einander gehören, daß es sich wundersam gefügt hat – ach Herzallerliebste, dort, wo zwei suchten nicht auf den Wegen der großen Menge, wo zwei suchten nach einem seltenen Schatz — und ihn doch fanden! – dort, wo zwei gingen mit hohem Glauben und Sehnen – und doch Erfüllung fanden!!! Und dieses Glück wurde uns doch geschenkt! Du! Du!!! Oh Herzelein! Ich schaue nur noch Dich! Ich schaue mein ganzes Leben nur noch mit Dir! Schaue glücklich, daß wir miteinander ein Eigenes darstellen können – daß ich mit Dir dieses Leben erfüllen kann. Oh Geliebte! Schaue den Garten unsrer Liebe – so voll Hoffnung, Glauben, Freude! – und voll heißer, inniger Liebe zu Dir! – voll ungestümem Drängen und Wollen zu Dir: ich will mit Dir leben, mit Dir gehen und leben! Oh Du! Geliebte! Geliebte!!! Schaue Dich voll Liebe! voll Liebe!!! Ich gehe mit Dir! Und Du bist mein!!! Und wir gehen schon jetzt miteinander – Du! Du!!!

Oh Herzelein! Und weißt Du es denn noch, wo mit Gottes Güte dies Eigensein seinen höchsten Ausdruck finden soll: im Kindlein! im Kindlein! Geliebte! Meine [Hilde]!!! Oh Herzelein! Es bliebe schon mein höchstes Glück, auch wenn ich ohne Kindlein mit Dir durch dieses Leben gehen müßte. Aber dann kommen doch die Stunden, wo wir einander gar nicht nah genug sein können, wo wir einander ganz durchdringen möchten, ganz einssein, [sic] ganz verschmelzen, ganz ineinander aufgehen – oh Herzelein, die Stunden, da es uns drängt, das Liebste zu sagen, das Liebste zu schenken – und diese Glut, dieser Wille, diese Leidenschaft lebt in uns beiden, und die Liebe zueinander entfacht sie. Du – Du!!! [sic] Herzelein! Du mußt mir Kindlein schenken! Darüber bist Du aber böse – ja? – dagegen wehrst du Dich aber – grolle mir nur – wehre Dich nur – das Mannerli hat einen starken Willen – und ist wehrhaft – und hat eine Fackel – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Herzelein! Es wird mir nichts größere Freude bereiten als Deinen Herzenswunsch – unseren Herzenswunsch – zu erfüllen – mußt Du doch auch mithelfen – Du!!!

Oh Herzensschätzelein! Was könnte je von solchem Glück mich scheiden? Wer wollte mich aus der Bahn dieses Lebens mit Dir werfen? Wer brächte mich ab von meinem Kurs? Oh Geliebte! Geliebte! Was bedeutet uns doch die Liebe! Leben! Leben zu zweien in einem! Vereintes, glücklich vereintes Leben bedeutet sie uns! Das bedeutet aber, daß wir mit allem aneinander gebunden sind, daß wir alles miteinander teilen – daß wir ganz miteinander leben, keine Empfindung, keine Regung des Herzens, die nicht ihr Spiegelbild, ihre Ergänzung im Geliebten hätte – nichts mehr, was wir ohne ihn schauten, ohne ihn entschieden, ohne und durch ihn erlebten! Oh Herzelein – nicht nur ein schmales, flaches Berühren der Sinne – nicht nur ein flaches Berühren gleicher Wohnung, gleicher Gewohnheiten – oh Geliebte! Du mein Herzblut! Mein Alles! Mein Leben! Ich lebe mit Dir! Wir leben miteinander! Ich lebe Dir! Wir leben einander!!! Diese Liebe kann niemand rauben – den Strom solcher Liebe kann niemand hemmen – er raubte und hemmte denn mein Leben selbst! Und dieser Liebe sind wir ganz inne – Herzelein! Du! Mein Herzelein! Wir tragen sie in uns als eine Zaubermacht, als eine Seligkeit des Herzens, die unser ganzes Herzblut durchdringt – wir tragen sie in uns aber auch als ein helles, waches, glückhaftes Bewußtsein, das dieser Liebe zugleich Wehr und Schutz ist. So, daß alles nun im Dienste unsrer Liebe stehen muß.

Oh Geliebte! In diesem Bewußtsein erkennen wir einander – und fühlen uns erkannt. Oh Du! Du!!! Ja! ja!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich wie nichts auf dieser Erden – nur Deinem Glück ist dieses Herz geweiht – oh Geliebte, ich sage es nicht, um mich eines Verdienstes zu rühmen – ich bekenne es Dir nur – ich muß Dich ja so liebhaben – und Du erkennst es! und meine Liebe nimmst Du an – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich muß Dich ja so liebhaben! muß Dich sooo liebhaben!!!!!

Oh Geliebte! Wir haben noch kein Heim, kein Kindlein, müssen den größten Teil des Jahres einander äußerlich ferne sein – was Menschen sonst äußerlich zusammenbindet und aneinanderweist [sic] – wir haben es noch nicht – aber lieb haben wir einander – von ganzem Herzen! – und wir leben einander – oh Du, meine [Hilde]! sind ganz Eines in unseren Herzen!!! Das bindet zu ewiger Liebe und Treue! Das vermählt in Wahrheit!! Darin ruht wahres Glück!!!

Oh Herzelein! No[ch] keinen Augenblick bin ich irre geworden, noch keinen Augenblick habe ich bereut, noch keinen Augenblick bereuend zurückgedacht auf unserem Weg, auf dem Weg an Deiner Seite, dem Weg ins Land der Liebe! Aber Sehnsucht und Freude, glückliches Verlangen beflügelt meine Schritte, Sonne lauteren Glückes liegt über ihn gebreitet und übersonnt [sic] liegt der Garten unsrer Liebe!!! Oh Geliebte! Nur eines noch: Dir leben! Mit Dir leben!!! Segne Gott unser Wollen! Oh Herzelein! Von solch glücklichem Lieben kündet mir Dein geliebtes Bildnis! Du drängst zu mir wie ich zu Dir! Ich soll Dich immer im Auge behalten und Dich gar nicht übersehen können – oh Du! nach wem schauten meine Augen lieber aus? – nach wem suchten sie noch so voll Sehnsucht und Verlangen? – stündlich, täglich – wo verweilten sie lieber, wo fänden sie Ruhe als bei Dir? bei Dir!!! Geliebte mein!!! Mein einziges, inniggeliebtes [sic] Weib! Behüt Dich Gott!

Ich liebe Dich! Ich küsse Dich herzinniglich!

Dein glücklicher [Roland]

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Kommentare

Roland freut sich über einen duftenden Brief vom Montag und meint, über so eine Duftblume  würde sich Pappsch sicher auch freuen. Roland hätte Hilde gerne ein Fläschchen Duftendes  geschenkt aber seine Devisen waren schon gerechnet. Auch die Nüsseln und Mandeln bekommt sie  später. Er bedauert, dass sein Päckchen nicht rechtzeitig ankam, welches Heinrich am 19. aufgab. Auch ist  heute kein Brief von Hilde gekommen. Daheim ist es schon kalt und daher ist er froh, wärmende  Dinge für sie gepackt zu haben. Er ist glücklich, ihr eine Freude machen zu können und führt aus,  dass dies doch das größte Glück sei, sich gegenseitig zu beschenken.  Er schwärmt sehr von Hildes und seiner Liebe, ihrem gemeinsamen Weg und dem Herzenswunsch  nach einem Kind. Vor allem aber beschwört er die Tiefe ihrer Liebe, derer beide sich bewußt sind  und dadurch geschützt sind, so dass niemand ihre Liebe rauben kann. Auch wenn beide noch kein Heim und kein Kind haben und den größten Teil des Jahres äußerlich  getrennt sind, fühlen sie sich in ihrer Liebe stark, nah und tief verbunden.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946