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[OBF-430103-001-02]
Briefkorpus

Sonntag, den 3. Januar 1943

Herzelein! Herzensschätzelein! Du! Geliebte mein!!!

Endlich – endlich! Du bist wieder bei mir! Ach Du! Du!!! Du!!! Wie hab ich doch gewartet – und wieviel Freude ist nun bei mir! Du bringst sie doch! Bei Dir ist doch mein Freudenquell! Oh Geliebte, Herzelein!

Jetzt muß ich Dich erst einmal ganz lieb umfassen und an mich drücken – Du bist’s, Du bist’s, mein geliebtes Weib, meine [Hilde]! Mein! Ganz mein! Du! Du!!! Herzelein! Ich hab Dich sooo sehr lieb!!!

Drei liebe, liebe Boten sind gekommen vom Sonntag bis zum Dienstag. Fehlt mir nur noch der Heiligabendbote. Ach Herzelein! Geliebte! Wie bist Du sooo lieb zu mir gekommen – hast Dich zu mir gedrängt – hast es sogar mit List versucht und bedrängst nun das Mannerli – mit Deiner Liebe! – Und das Mannerli? – weicht gar nicht aus und weicht nicht zurück – es tut sein Herze auf und läßt all Deine Liebe ein – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Herzlieb! Nun gehen doch all meine Gedanken zu Dir so nahe – auf all den heimlichen und lieben Wegen der Heimat und der Herzens!

Ja, damit man erkennt, wie schön es zu Hause ist, muß man erst einmal irrefahren. Ich wollte diesmal nichts wieder sagen – aber nun kommst Du doch selbst zu der Einsicht, daß es doch eigentlich törichta ist, an der [sic] Feiertagen herumzureisen, als ob man selber kein Zuhause habe – töricht schon deshalb, weil man alle Mühe darauf verwandte, die Behausung festlich herzurichten. Aber ich weiß schon, daß Du der schuldige Teil nicht wärest. Glaubst mir, daß das Mannerli es bis hierher fühlt, wenn mein Herzensweiberl mal uneins ist mit sich selbst? Wenn die Unruhe mit ihm ist? Die Großmutter [Laube] war zugaste [sic], das freut mich ganz sehr. Und nun haben ^alle fein Mittagstunde gehalten – und wenn das Mannerli noch dagewesen wäre – hätte es gar kein freies Sofa mehr gegeben - hätten wir im Bettlein Mittagstunde halten müssen – aber meine Höseln [sic] hätt ich nicht ausgezogen – höchstens, wenn – nein, das sag ich nicht – Weil Du’s schon weißt! Du! Du!!!

Da muß ich gleich an den Brief denken, bei dem die Klappe nicht zuwar [sic] – Du! War es wohl solch harter, brauner Umschlag? Die gehen nämlich leicht wieder auf und kleben schlecht. Daß ich die Klappe sollte haben offenstehen lassen - ach, möglich ist auch das einmal – aber sonst wacht auch keiner so über das Briefgeheimnis wie das Mannerli – Du weißt es. Und ich bin froh, daß nichts verloren ging.

Ach Du! Herzallerliebste mein! Und nun sehe ich Dich so froh, sooo glücklich zu mir kommen! Zu mir! Ins Land, in den Garten unsrer Liebe! Oh Geliebte! Das macht mich so glücklich! Das macht mich so zuversichtlich für die Zukunft, so getrost – Du! Du!!! Wir werden einander nicht verlieren – oh Du! Du!!! Du!!!!! Wir lassen unser Liebstes nicht rauben! Wir lassen es nicht rauben von diesem Krieg! Wir halten einander so fest – aus tiefer, heißer, inniger Liebe! Oh Geliebte! Du! Mein liebes, treues Weib! Meine [Hilde]!!! Oh Du! Du!!! So voll tiefer, jubelnder Freude bin ich darum – voll so froher, stolzer, glücklicher Gewißheit! Oh Herzelein! Du gehst mit mir durch diese Zeit festen, gewissen Herzens – Du! Du!!!!! Du bist Dir unsres Glückes ganz bewußt, wie ich es bin – und bist so wie ich bereit, aus diesem Bewußtsein zu leben und zu handeln – ach Du! Du!!! Du!!!!! Gehst mit mir so frohen, festen, gewissen Herzens durch diese Zeit – meine [Hilde]! meine [Hilde]!!!!!

Oh Geliebte! Wenn Gott diesem Krieg einmal gnädig ein Ende setzt – wir werden dankbar aufatmen! Wenn wir gesund bleiben und vom Unglück verschont, dann haben wir Grund genug zu tiefster Dankbarkeit – wenn wir einander haben, einander dann wiederhaben für immer – oh Du! Dann wird in unseren Herzen Jubel und Dank sein! Das ist dann unser Sieg, unser Frieden! Oh Herzelein! mehr erwarten wir nicht von diesem Frieden – mehr bringt er uns auch nicht – aber mehr wollen wir auch nicht – wenn wir einander haben, haben wir doch alles! Alles! Geliebte!!!

Ach Schätzelein! Ich muß ja richtig lachen über Deine tückische List. Wie Du es ahntest, daß sie doch noch kommen würde – und richtig, keine halbe Stunde ist verstrichen, da soll die List funktionieren – und die Ilse greift zur Gegenwehr, die Du ihr selbst liefertest, und die Watte fiel vom Klöppel, und B.s reagierten prompt – zum Lachen ist’s, so komisch: wo ein Wille, da auch ein Weg – stimmt, stimmt. „Ich hatte nun grade mal keinen Appetit auf sie" – Und auf’s Mannerli? – Du! Du!!!

Wenn wir so lang voneinander getrennt sein müssen, werden wir ihn vielleicht ganz verlernen? – Meinst Du?!!! Ach nein! Herzelein! Bald will ich doch wieder einmal in Urlaub kommen – ich will doch! Du?!! – Willst Du mich empfangen? Oh Herzelein!!! Geliebte!!!!! Ach Herzelein! Da muß ich doch bedenken, wieviel Güte uns beiden immer zuteil wurde bisher. Der arme Siegfried hat an der Heimat vorüber wieder nach Osten fahren müssen – in die zwiefache Hölle des Kampfes und des Winters. Oh, wie ist das hart, so mit vollem Bewußtsein in solch Ungemach zu ziehen – und dazu noch über die Weihnachtstage. Möge Gott ihm beistehen und Kraft schenken, das Schwere zu tragen! Die lieben Eltern waren doch ganz allein am Heiligabend – Mutter schreibt es mir heute – ganz allein zum ersten Male seit 35 Jahren! Ja – ja, seit 35 Jahren, so alt wie das Mannerli ist – das war doch damals Christkindl! – ach Herzelein! wie schwer und traurig für die lieben Eltern! – Singen konnten sie nicht, es hätte sie die Einsamkeit zu sehr empfinden lassen. An den Feiertagen ist dann wenigstens Besuch gekommen. Und nun ist Hellmuth da seit dem 27. Dezember! Elfriede noch im Krankenhause. Wird da heute wohl Taufe gewesen sein? Ach, so ein Durcheinander wieder einmal, ein Kommen und Gehen – nur wir saßen – na – will sagen, das Mannerli saß artig und ruhig auf einem Fleck, dafür zieht es ein andermal wieder. Es ist doch eine Welt gar nicht nach unserem Sine; aber wir müssen uns dreinfinden – müssen uns in ihr einrichten – aber wir behalten dabei unseren Kopf für uns, gelt? Du! Ach Herzelein! Das neue Stapelbuch bringt wieder solche Fülle und Summe von Gedanken – ich freue mich recht sehr darüber – und finde darin so vieles, worauf ich wartete – ach Herzelein, eine Bestätigung auch unsrer Haltung – es macht doch Freude, seine Haltung wieder einmal recht beleuchtet und bestätigt zu finden, seine Stellung zu erkennen, seinen Platz. Herzallerliebste mein! Ich will auch dieses Buch mit Dir einmal lesen – ich freue mich schon jetzt darauf.

Herzelein! Gleich geht es hier auf Mitternacht. Es war unruhig im Dienst heute – es ist immer ein wenig Unruhe; auf die Heizung achtgeben, auf das Telefon, auf das Kommen und Gehen der Leute – wenn ich dran bin, ist gewöhnlich auch etwas Besonderes los. So bin heute auch nicht zum Orgelkonzert gekommen. Herzelein! Ich will mich nun ins Bettlein legen. Ich hätte ja viel lieber zu Dir kommen wollen heute! Ich bin sooo froh und glücklich! Will Deine lieben Boten jetzt noch einmal lesen – und dann will ich glücklich hinüberträumen: Du liebst mich – Du liebst mich – Du gehst mit mir – bis aus Ende der Welt – treu bis an den Tod – oh Du! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich sooo sehr! und geh mit Dir treu bis an den Tod – oh Herzelein! Welch köstlicher Schatz ist die Liebe, die sooo glücklich uns verbindet!

Gut [sic] Nacht – Herzlieb mein! Geliebte! Geliebte!!! Ich möcht Dich ganz lieb küssen – möcht mitgehen in Dein Kämmerlein – ach Du — nur an der Türe stehen – und noch ein Gutnachtliedlein [sic] Dir singen – aber wenn ich bei Dir bin – dann brauch ich gar nicht an der Tür zu bleiben – oh Du! Du!!! Geliebte mein!!!

Herzensschätzelein!

Nun muß ich den Boten auf die Reise bringen. Winter ist es geworden über Nacht. Und das Mannerli fand eine Menge Arbeit vor.

Herzelein! Herzallerliebste mein! Heut [sic] abend [sic] komm ich wieder zu Dir! Wie gerne? - Sooooooooooooo gerne! Ach Du! Du!!! Mein Liebstes! Mein Alles! Mein Leben Du! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich vieltausendlieb!

Behüt Dich Gott!

Dein glücklicher [Roland]

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Kommentare

Emilie Sitter

Di., 08.03.2022 - 19:50

Wichtige Anmerkung in Bezug auf Stapelbuch: Wilhelm Stapel war deutschnational und Antisemit.

Roland freut sich sehr über die letzten drei Briefe von Hilde und erwähnt, dass der Brief von Heiligabend noch fehlt. Er stellt fest, dass es eigentlich „töricht“ sei, an den Feiertagen herumzureisen, obwohl es zuhause so festlich ist. Es freut ihn, dass die Großmutter Laube zu Gast war. Gerade hielten alle Mittagsstunde und wäre er noch da, hätte es kein freies Sofa mehr gegeben,  weshalb er und Hilde im Bett Mittagstunde hätten halten müssen... dabei erinnert er sich an einen  bestimmten Brief, dessen Umschlag versehentlich nicht zu war. Er schwärmt von seiner Liebe und wie glücklich er ist, mit Hilde durch diese Zeiten zu gehen und  wie dankbar sie sein werden, wenn der Krieg vorbei ist. Dann berichtet er belustigt über eine gelungene List von Hilde, die mit Ilse zu tun hat.

„[...] die  Watte fiel vom Klöppel, [...]“ auf welche Bretschneiders prompt reagierten. Bald möchte er wieder zu Hilde; seine Sehnsucht ist groß. Besonders durch die Feiertage wird ihm bewußt, wie schwer es ist, fern der Heimat zu sein. Seine Eltern waren das erste Mal seit 35 Jahren allein an Heiligabend. Am 27.12. bekamen sie Besuch von Hellmuth. Elfriede ist noch im  Krankenhaus. Er fragt sich, ob dort heute wohl Taufe gewesen ist. Das neue Stapelbuch bringt ihm viel Freude, weil er dort Bestätigung für seine und Hildes Haltung  findet. Er schreibt den Brief gegen Mitternacht und berichtet davon, dass es heute im Dienst unruhig war  und er daher heute auch nicht zum Orgelkonzert kam. Er will sich nun schlafen legen und Hildes drei Briefe noch einmal lesen.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946