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[OBF-421228-002-01]
Briefkorpus

66. Sonntag, am 27. Dezember 1942.

Geliebter! Mein allerliebster, bester [Roland]! Du! Du! Wie kann man nur so dumm sein und an den schönen Feiertagen von zuhaus [sic] fortlaufen! Wie kann man nur! So frage ich mich vorwurfsvoll, jetzt, da ich hier sitze im sonnenüberfluteten, warmen Stübel. Ach Geliebter! [Roland]! Mein [Roland]! Denke an unseren Verlobungstag! Ebenso ist es doch heute! So sonnenklar der Tag. Ach, es ist ja kein bißchen winterlich draußen, so ohne Schnee.

Wenn der Reif nicht läge, noch vom Morgen, an manchen Stellen, man konnte direkt meinen, es sei Ostern. Aber nein! So schnell eilt nun die Zeit auch wieder nicht! Soll sie auch nicht, dann werden wir ja zu schnell alt. Mein Herzelein! Ich muß Dir doch erst einmal sagen, wie so sehr glücklich ich bin, bei Dir zu sein! Jetzt endlich wieder mal ganz ungestört bei Dir zu sein! Ach, was mir das für Freude ist, das kannst nur noch Du so ganz ermessen, sonst niemand. Herzelein! Mein Herzensschätzelein! Du!!! Oh wie bin ich so glücklich bei Dir! In Deiner Liebe! Du!!! Es ist mir doch jetzt gerade so zumute, als wäre ich durch einen langen, finsteren Tunnel gegangen – nun aber tut sich wieder die Welt vor mir auf! Meine geliebte Welt! Unsere Welt der Liebe und des Einssein un d Glücklichseins! Die Sonne strahlt! Der Himmel lacht! Alles ist voller Jubel! Ich kann wieder mit meinen ganzen Sinnen und Gedanken bei Dir sein! Oh mein [Roland]! Was ist das für ein Glück! Wie sehnte ich mich schon, nach diesem Augenblick! Oh Du!!! Herzelein! Sonntagnachmittag ist, unsere Uhr zeigt auf ½ 300 [Uhr]. Der Christbaum steht im Sonnenglanz, feiertägliche Ruhe überall. Nur Mutsch’s Stricknadeln klappern, die nimmermüden Hände kennen keine Ruhe. Und auf dem Sofa? Rate mal, wer da liegt und schläft!

Der Papa?

Falsch geraten!

Die [Hilde]? Bewahre! Die hat viel Lieberes zu tun!

Die liebe Großmutter [Laube]! Ja! Sie kam nun heute gegen ½ 12 Uhr zu uns und hat mit uns fein Mittag gehalten. Ich hatte doch schon ein warmes Stübel gemacht, den Tisch gedeckt mit unserem Silber, Wein haben wir getrunken und unseres Mannerli Husche verzehrt (aber fast ein Glas! haben noch eins nun) Wir haben uns aber den Mund geleckt, Herzelein! Das war etwas Hochfeines!! An dem 1. Feiertag mußten wir doch erst mal Henne essen, weil die nun einmal gebraten war. Wirklich wunderbar war Deine Gans, wir möchten doch zu gerne das eine Glas erhalten bis Du auf Urlaub kommst.

Du Mannerli! Ich soll Dir doch von der Großmutter recht herzliche Grüße bestellen und Dir sagen, wie lecker das Mittagsmahl war, sie hätte nun Deine Portion gegessen!

Und der Gerhard kann sich garnicht genug tun, so freut er sich an Deinem Notengeschenk vom letzten Besuch, darin lernt er jetzt. Er möchte sich am liebsten nochmal selber bei Dir bedanken.

Papa schläft im Bett, er beginnt heute mit dem Nachtdienst. Mal sehen, wie lange die Geister ruhig sind! Solang laß' ich mich nicht abbringen vom Schreiben. Und dann, nach der Kaffeepause komme ich doch wieder! Oder besser gegen Abend, wenn ich mit Mutsch schön alleine bin. Ach liebstes Mannerli! Ich weiß ja vor lauter Freude garnicht, wo ich soll beginnen! Heute kamen 2 soo, sooooo liebe Boten an und am 1. Feiertag auch schon! Für die habe ich Dir doch auch noch garnicht recht gedankt!

Ach Du! Gedankt, indem ich Dir alle Liebe und alles Gutsein in gleichen Maße zurückgebe, Geliebter! Du! Ehe ich nun auf alles lieb eingehe, will ich Dir nur noch erzählen, von unserer Reise gestern.

Da haben wir doch erst ein mal ausgeschlafen. Und um 9 Uhr sind wir aufgestanden. 1103 [Uhr] ging der Zug. Du hast keine Vorstellung, wie unheimlich viel Menschen mitfuhren! Herr Lehrer G. mußte auch wieder fort, er läßt grüßen! Um ½ 1 Uhr langten wir mit einer überfüllten Straßenbahn an der Endstelle Gablenz an. Die Sonne schien, aber es war kalt. Die Verwandten warteten schon seit früh! Tante war eben über den grünen Klößen formen. Und Onkel stand schon bereit, die übrigen in einem Karton zu verpacken und an uns zu schicken! Das hätte der fertig gebracht. Na, denn ging auch gleich das Schmausen los. Die hatten wieder mal alles in Hülle und Fülle. 2 Gänse!!

Da können sie getrost eine Einladung machen, gelt? Und so fette Gänse, daß einem ganz eklig würde, wenn man zu viel davon aß. Die Kinder waren aufgeregt, sie kamen auf mich zugerannt, als sie uns kommen sahen: „Tante [Hildi]! Eine Dampfmaschine! Eine Burg!" Und hatten mich gleich in Beschlag genommen.

Wo Kinder sind, ist das Weihnachtsfest vielleicht noch schöner, als da, wo nur Erwachsene leben. Es sei denn, daß der rechte Sinn der Weihnacht auch gehalten und gefeiert wird.

Bei den Verwandten ist auch kein rechtes inniges Weihnachtfeiern, ich habe so den Eindruck, daß das Materielle zu sehr im Vordergrund steht. Ja – aber das liegt an den Eltern denke ich. Du! Bei uns soll das einmal anders sein, Liebster!

Der Tag verlief nun auch nicht so nach Wunsch. Ich hatte mich eben mit den Buben in eine Ecke gesetzt, um aus dem Büchlein, das ich ihnen mitgebracht, eine schöne Geschichte zu lesen "Weihnacht im Walde", Onkel und Papa hielten Mittagsruhe, die Muttis wuschen auf. Da klingelte es und Besuch kam. Eine bekannte Familie M.: ,er' Soldat in Urlaub zuhaus, mit Frau und einem 3 jährigen Jungen. Dann nach 1-2 Stunden kam noch eine Bekannte mit Sohn und Tochter! Alles gewissermaßen "ungebetene" Gäste, weil die Verwandten lieber mit uns allein gewesen wären. Ich kann mir aber sehr gut denken warum die alle kommen: Weihnacht – bei M.s – na, da kann man sich vollessen! So ist es bestimmt.

Ja, da konnten wie nun garnicht so miteinander zusammen sein, wie wir gerne gewollt hätten. Und das war schade. Die Zeit kam heran, da unser Zug ging und wir brachen auf. Wir sollten durchaus übernachten und früh heimfahren, aber wir wollten das nicht. Und außerdem hatten wir die Großmutter eingeladen heute zu Mittag.

Es war mir eben recht! Und durch viel Gewimmel gings dann wieder heimwärts. Die Nacht war klar und mondhell, eine kleine Ecke hat der gute Mond schon wieder hergeben müssen! Wir waren um 9 Uhr zuhaus. Haben garnicht erst wieder Feuer gemacht, nur die Wärmflaschen! Und krochen ins Bettlein. Ich nahm doch Deine lieben Briefe mit, Herzelein! Ach Du! Nun war ich doch erst wieder in meinem Gleis! Du!!! Ein schönes warmes Plätzel und mein Herzelein mir nahe – ach, mehr brauch ich nicht! Du!!! Und dann, wenn ich so ganz lieb nah’ Dir bin, wenn ich Deine Boten lese und so wirklich Deine Nähe fühle – dann drücke ich mir noch rasch auf den Schalterknopf, das Licht geht aus, und ich träume hinüber in den Schlaf. Herzelein, das ist so schön!

Denke nur, heute nacht träumte mir, ich sei bei einer Taufe in der Kirche, wenn ich nur die Kirche wüßte! Ich glaube, wir waren miteinander schon einmal in der Kirche, von der ich träumte, wenn ich nur wüßte wo … ach ich hab’s Lichtenhain! Die Lichtenhainer Kirche wars! Und Pfarrer B., der unsrige war da, er gab mir seinen Gottfried an die Hand noch und ging dann an sein Amt. Es waren so viele fremde Leute da! Wer Taufe hatte blieb mir schleierhaft. Ich spüre nur noch den Schrecken jetzt: man drückte mir ein Bündel in den Arm mit Zwillingen, die lagen mit den Köpfchen in entgegengesetzter Richtung. Und die Orgel spieltest Du, Liebster! Ich hatte ja die Augen nur immer droben bei Dir, ich sah richtig Dein Gesicht im Spiegel! Komisch war das. Und dann entstand ein Durcheinander in der Kirche. Jemand trat mir auf die Schleppe, ich hatte mein Brautkleid an – und da erwachte ich. So putzig!!

Es war heute früh um 8 Uhr schon!

Herzelein! Jetzt ist es um 700 [Uhr] abends. Obwohl ich von Vaters Aufbruch in den Dienst wenig gemerkt habe, kam doch eine Abhaltung. Da ahnte mir doch schon, als ich Großmtter zum Gartentor raus ließ, daß heute Frl. Sch. noch kommen würde, denn ohne sie geht Weihnacht in uns nicht vorbei! Aber heute hatte ich nun mal gar keinen ,Appetit’ auf sie.

Und ich war gemein. Schloß das Gartentor zu, denn draußen die Klingel geht ja nicht, da kann drücken wer will.

Und verstopfte zur Vorsicht oben unsere Klingel noch mit Watte. Im Falle, B.s schließen das Tor wieder auf.

Also, Dein Weibel beging vorsätzliche Schlechtigkeit. Denke nur an! Aber ja nur aus Liebe zu Dir! Weil ich mich doch so sehr sehnte, mit Dir endlich allein und ungestört zu sein! Du!!!!! Da saß ich nun kaum ein halbes Stündchen bei Dir wieder – in der Küche hielten sich die Eltern auf bei Radiomusik und machten Vaters Essen zum Dienst zurechte. Da klingelts doch Sturm!

Ich denk doch, Ostern und Weihnachten fallen auf einen Tag!!!

Bin aber schön sitzen geblieben. Der Vater ging runter und brachte wahrhaftig Frl. Sch. angeschleift!

Na dann man tau!

 

Sie hat bald die Dachrinne zerklopft mit ihrem Hausschlüssel! Den Tip gab ich ihr, sollte das Tor mal zu sein! Damals aber dachte ich nicht daran, daß mir ein Gast auch mal ungelegen käme!! Und weil wir nicht hörten, sind B.s runter, haben aufgeschlossen, dann hat Ilse so sehr und so lang auf den inneren Klingelknopf gedrückt, daß durch die heftigen Bewegungen des Klingelklöppels meine ganze schöne Watte herausgefallen ist! Ja – wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!

Und: wer andern eine Grübe gräbt…. ! Liebste [Hilde]! Na, sie mußte ¾ 7 [Uhr] wieder heim, weil die Alten Abendbrot essen. Ich war ja auch heilfroh, Du! Aber ich war trotzdem nett zu ihr. Wie saßen alle 4 noch ein Weilchen unterm brennenden Lichterbaum, bis Vaters Zeit herankam.

Nun hoffe ich, daß dies die letzte Störung war heute!

Das Abendbrot kommt noch zwischenrein, das ist in 20 Minuten knapp geschafft.

Aber ich habe mir wieder mal geschworen: nie wieder an den Feiertagen mit wegzugehen. Ich ärgere mich hinterdrein jedesmal. Und mag’s noch so nett gewesen sein. Da schuftet man zuhaus rum, bis alles schön gemütlich ist und an den paar Tagen, wo man in den Genuß des allen kommen könnte, da rennt man fort. Richtige dumme Gören sind wir. Und ich tu’s auch nicht wieder, wenn sie mich auch einladen und wenn auch die Eltern gern mal zu ihren Geschwistern wollen. Das kann man auch hinterher, mal sonntags. Den Eltern täte nämlich auch besser: paar Tage richtige Ruhe und Gemütlichkeit, ehe sie wieder in die Tretmühle des Alltags gehen. Ja, das ist nun so ein Problem.

Ich begreife wiederum auch, daß sie gern mal zu Besuch gehen mal unter Menschen.

Ich sehne mich danach nicht so; denn ich bin die ganze Woche über oft unter Menschen.

Ach Herzelein! Es könnte eben alles anders sein, wenn – ja wenn der böse Krieg nicht wär!

Du! Wir gehen aber mal nicht aus dem Haus an den Festtagen. Ach Herzelein! Und da bin ich nun wieder beim Pläneschmieden, beim Wunschträumen, ich hier – Du dort!

So viel Liebe und Sehnsucht im Herzen, so viel Sehnsucht nach Einssein und Zusammenleben. Und noch müssen wir Geduld haben und warten, warten.

Aber das soll uns nicht traurig machen. Nein! Du! Solange noch ein Atem in uns ist, leben wir füreinander. Und auch über alle Ferne, Du! Das ist ja so gewiß.

Und wenn auch der Krieg immer noch ernstere Formen annimmt, so ist das noch lang kein Grund zu verzweifeln! Geliebter! Wenn er auch noch 2, 3 Jahre dauert, wenn Du wirklich auch nur noch einmal im Jahre heimkommen, darfst, wenn wir uns auch sonst noch einschränken müssen in mancherlei Hinsicht. Hauptsache ist: Wir bleiben einander! Und bleiben einander gesund! Dann halten wir durch in jeder Lebenslage!

Geliebter! Gott wird uns nicht verlassen! Ich glaube es ganz fest. Und was in unserer Macht liegt, das wollen wir tun, um unser geringes Teil Freiheit zu retten und zu halten; denn erst wenn wir nicht mehr die Zeit füreinander finden, dann leiden wir an diesen Zeiten, leiden wir unter diesen Umständen! Die trotzdem unerfüllten Wünsche garnicht [sic] gerechnet. Wenn wir uns nur jederzeit so ganz festhalten können wie bisher, dann ist uns schon ein kleiner Schimmer ins Land der Freiheit und des Friedens damit beschert. Ach Geliebter! Ich verstehe ja Deine Gedanken so ganz, so gut auch um unsere Freiheit! Und ich bitte Dich: vertraue mir nur! Ich will nicht nur mein Gutsein sprechen lassen. Zuerst denke ich an uns.

Die Zeiten sind wahrhaftig dazu angetan, daß man egoistisch denkt, auf diesem Gebiete gerade.

Ich werde so handeln und Entscheidungen treffen, wenn’s gilt, daß ich zuerst unser Eigen, unseren Bezirk nur beachte. So völlig unterjochen lasse ich mich nicht.

Es ist wahrlich eine Schande, wie mit manchen Menschen verfahren wird. Ich denke an die Arbeitsmaiden: einfach für die Wehrmacht in Dienst gestellt, wenn sie entlassen sind. Die Arbeiter im großen und ganzen sind nur Nummern.

Dein Beispiel von dem Mädchen, daß heimgerufen ward zur kranken Mutter, die an Schlaganfall liegt. Von 5 Geschwistern keins daheim! Das ist ja vielsagend für die Art unserer Staatsführung. Dann die Ausschnitte aus Eurer Beamtenzeitschrift. Mit 70 ist man noch jung zum arbeiten [sic], aber zu alt für besondere Ansprüche und Vergünstigungen. Die weiblichen Angestellten haben auch nur ihre Pflicht im Auge zu halten. Dabei wird aber Volksvermehrung unter allen Umständen angestrebt!

Ach, das ist ein so unerquickliches Thema. Wir erleben genug davon: Du dort – ich hier. Wir mögen das auf dem Papier hier garnicht  nochmal durchnehmen. Aber es sind das alles untrügliche Zeichen, daß die Lage des Krieges alles andre ist als günstig.

Wie soll das noch enden?

Die Zeit wird es weisen. Kein Wunder, daß die meisten Menschen haltlos werden, alles nehmen, so wie es ihnen zufällt, das Leben einer Eintagfliege führen. Furchtbar! Wer so in einer dumpfen Enge lebt!

Ach, es gehört viel, unendlich viel Willenskraft dazu, aus diesem Beginnen in der Welt jetzt, einen Sinn, einen Grund herauszufinden und vor allem den Glauben zu bewahren! Den Glauben an das Gute, an den Sieg des Guten! Trotz allem, allem, was so geschieht. Und solche Kraft schenkt eben nur der Glaube.

Ach mein [Roland]! Was wäre nur, wenn wir einander nicht hätten in diesen Zeiten? Wenn wir uns nicht so in allen Dingen das Herz ausschütten könnten? Ach Du! Ich glaube, wir zwei sind die reichsten in der Runde! Du! Du und ich – so fest aneinandergegeben! Uns war nun doch auch wieder ein Weihnachten – trotz Trennung und Krieg. Gläubig und vertrauensvoll blicken wir voraus.

Mit dem inneren Starksein für alle Zeiten, Geliebter mein! Ach wenn nur allen Menschen die Weihnacht im Herzen aufgegangen sei! Daß sie Gedanken des Friedens in sich trügen und Gedanken der Liebe.

Gott wird uns nicht in die Finsternis zurückfallen lassen! Dar glaube ich nie und nimmer.

Mein [Roland]! Da liegen nun neben mir die Boten, die gekommen sind. Ach, sie sind mir doch meine allerliebsten Gefährten. Du! Wenn ich sie nicht hätte, dann fehlte mir doch etwas in meinem Leben. Die Sonne. Die Freude. Und die Liebe! Herzelein! Das Schönste, Kostbarste im Leben. Du! Ach Herzelein! Wie Du mir zum Danke immer wiedersagen mußt, daß ich Deines Lebens Sonnenschein bin, so muß ich’s Dir doch auch bekennen! Ach Geliebter! Wenn Du mich dann überglücklich fragst, ,kann man denn ein Mannerli auch so, sooo sehr liebhaben?' Ach Du! Dann möchte ich doch im Moment bei Dir sein, um Dich ganz fest und lieb zu überzeugen davon.

Aber einen Unterschied gibt’s wohl dabei: ich kann nämlich nur ein Mannerli so ganz sehr und auch so ganz närisch liebhaben! Eines doch nur! Kennst Du das eine, einzige? Du!

Ach Du! Unsere Liebe ist doch so ein rechtes Glück! Mein Herzelein! Und eines hält es so lieb und wert wie das andere – eines hängt mit all seinem Herzblut daran wie das andere.

Eins, so ganz eins in Liebe! Ach Geliebter! Mein! Dein! Geliebter! Es geht mir doch nun ebenso wie Dir: Das Sehnen nach dem Frieden, der Wille zum Leben, die Lust zum Schaffen, die Hoffnung auf die Zukunft, die sind bei mir, weil Du bei mir bist. Ohne Dich wird nie Frieden – ach, ohne Dich mag ich nicht mehr leben! Du!!

Oh Herrgott, segne unser Lieben! Laß' uns bald für immer umeinander sein! Amen.

Mein Herzelein, da lese ich nochmal die neue Kunde über die Urlaubsverordnungen. So hart und F traurig die Kunde ist, ich will sie doch wie Du, vorerst mal mit Gelassenheit aufnehmen.

Wenn es eben tatsächlich so durchgeführt wird, dann kann ich nur ganz vernünftig sein und denken: wie sollen die Soldaten im Osten tun? Fragt da einer, ob sie schon länger als ein Jahr nimmer zuhaus waren? Oh dann müssen wir uns nur ganz dankbaren Herzens unsrer Vorteile erinnern, die wir an anderen gemessen besitzen! Dann werden wir stille sein.

Herzelein! Wenn auch unsre Liebe allen Widerstand aufweckt! Wir werden angesichts der Tatsachen so bescheiden.

Und ich bin ja so dankbar und glücklich, wenn ich Dich geborgen weiß! Und gesund weiß! Ach, wenn Du mir nur bleibst, mein Herz! Ich will so gern warten! Will so lang warten! Wir wollen Gott recht bitten, daß er uns gesund erhält. Geliebter! Ja, dieses und noch manches, sind alles Anzeichen dafür, daß es ernster wird. Und da erscheint uns unsre Freiheit nimmer kostbarer. Ich helfe sie Dir hüten! Ich will sie halten, solange ich kann. Es ist das einzige, was wir dann noch haben, wenn wir uns im Jahre nur noch einmal sehen dürften.

Herzlieb! Was aber auch kommt: wir stehen nur desto fester beieinander! Unsere Liebe wird nur stärker und entschlossener und entschiedener dadurch! Ach Du! Du!!! Wir sind bereit, unsre Liebe zu verteidigen, sie zu bewahren! Oh Du!!

Ich lasse Dich nicht! Und lasse nicht von Dir! Geliebter! Ich liebe Dich! Liebe Dich ganz allein!

Geliebter! Ich lasse Dich nicht allein. Ich lasse Dich nicht zurücksinken in die Einsamkeit. Ich hole Dich heim in den Frieden! Ich werde um Dein Leben und Deine Liebe ringen, wie Du um mein Leben und meine Liebe. Weil ich Dich liebe! Weil ich Dich liebe! Ach Du! Darum können wie doch immer auch wieder froh werden.

unsere [sic] Liebe, unser Glück, sind uns wahrhaft die Sonne, die hinter allen Wolken steht und sieghaft sich Bahn bricht.

Du wirst mir bleiben! Du wirst mir heimkehren! Um meinetwillen hängst Du an diesem Leben! Du! Wenn nichts mehr gewiß ist in dieser Welt, unsre Liebe soll es sein und bleiben! Du willst mir heimkehren! Und ich will Dich heimholen mit meiner Liebe, in den Frieden! Ach Geliebter! Ich finde doch keine Worte, Dir so ganz meine Liebe zu bekennen. Ach, das ist oft so schwer, in Worten nur. Ach, wenn Gott uns erst zusammengeführt hat für immer! Geliebter! Ich denke heute an die Jahreswende, mein Bote wird Dich erreichen zur Jahreswende. Ach Du! Alles, alles Glück für Dich und Deinen Weg! Möge uns das neue Jahr nicht weiter voneinander trennen räumlich! Möchte Gott Dir nur Gutes bescheren darin! Geliebter!

Oh, ich möchte Dir doch nur das Allerbeste wünschen! Du! Und ich will beten immer, für ein gütiges Geschick, auch 1943. Ob wir dem Frieden näherkommen, wir wissen es nicht. Gott gebe es in Gnaden! Geliebter! Morgen früh will ich den Boten beschließen.

Ich will jetzt mit Dir schlafen gehn! Du!! Ich küsse Dich!

Ich liebe Dich!

Gutenacht!

Geliebter mein!

Schätzelein! Die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit!

Ach Du!

Herzlichen Gutenmogen! Herzlieb!

Und ein ganz ganz liebes Küßchen dazu!

Hast auch so fein ausgeschlafen wie ich? Möcht doch gleich mal in Deine lieben Guckaugen schaun! Du!!! Du!!!

Es blinkt auch schon der Sonnenschein im Osten.

Es wird ein herrlicher Tag! Es ist kalt!!! Gefroren!! Huh! Nun will ich gleich mal fein eingemummelt in's Dorf gehn.

Will den Boten für Dich auf den Weg bringen, Du!

Darum leb nun wohl! Auf Wiedersehn!

Ich küsse Dich vieltausendlieb! Ich liebe Dich! Ich bleibe in Liebe und Treue ganz

Gott behüt’ Dich! behüt’ Dich!

Deine [Hilde],

Deine glückliche!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946