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[OBF-421226-002-01]
Briefkorpus

Am 1. Weihnachtsfeiertag 1942.

Herzallerliebster! Mein lieber [Roland] Du!

Rate mal, wo ich jetzt sitze und Dein denke! Schätzelein! Bei der Oma in Mittelfrohna, ja! Ich bin doch heute Nachmittag mit Mutsch heruntergelaufen im schönen Sonnenschein – Und nun ist unser Papa auch nachgekommen, wie werden so sehr lange nicht verweilen. Aber wie das so ist Mannerli, weißt schon – man kann nicht gleich wieder davongehen, wenn man einmal zu Besuch ist. Die liebe Oma hat sich ja so sehr gefreut, daß wir kamen. Wir hatten einen wollenen Schal für sie und Mutsch nähte aus altem Leinen paar [sic] feine Küchengardinen, einen Beutel Pfefferkuchen steckten wir noch dazu.

Die Oma will uns zu Weihnachten immer haben, sind wir doch die einzigen, die grade zum Feste bei ihr sein können, weil wir ihr am nächsten wohnen von ihren Kindern.

Und auch uns 3 hat Oma beschenkt. Einen großen Brocken Schokolade jedem und jedem auch noch 10 Mark. Wir wollten es garnicht annehmen, aber sie will uns auch zu gerne eine Freude machen.

Nun ist freilich hier nicht so eine schöne Ruhe wie zuhaus, Du! Aber ich habe gar keine Ruhe mehr mit meinem Strickstrümpel dazusitzen, ich denke dabei ja auch ganz lieb Dein, aber ich hätte Dir doch so viel Liebes zu sagen, ach Du! Und wenn ich’s schon hineinstrickte, alles Liebheimliche, Du müßtest ja viel zu lang drauf warten, mein Herzelein, bis das alles bis zu Dir hinkäm, das eine Strümpel ist ja noch nicht mal fertig und dann noch eins! Mein Mannerli hat ja doch auch 2 Beine! So wie ich, gelt?

Ach Du! Ich möchte Dir doch so, sooo viel Liebes sagen, heute.

Herzelein! Wirst denken, wir hätten heute die Großmutter [Laube] zu Gaste. Ja, das ist nun so. Unser lieber Papa hat doch Dienst und seine Mutter soll doch nicht nur bei uns mit essen, sie soll doch auch einige gemütliche Stunden mit uns allen verleben. Und so haben wir das Diner auf kommenden Sonntag verlegt. Da ist unser Papa zuhause.

Und morgen sind wir bei Onkel und Tante M. geladen. Ach – Du magst mir nachfühlen, wie gern ich dabei bin! Aber ich will den Eltern das kleine Feiertagsvergnügen nicht nehmen, sie sind dann wieder in ihren Alltag eingespannt und können einander auch nicht so leicht besuchen. Schau, wenn ich gleich meinem Willen folgte und zuhaus bliebe, dann würde ich den Eltern auch alle Freude verderben. Du verstehst das schon. Aber wenn ich nur ein Stündchen erwischen kann für Dich und mich, dann nütze ich’s, Du! So wie jetzt! Ich küsse Dich doch gleich einmal ganz ganz lieb!

Denke nur, wir müssen doch schon morgen früh schon mit dem 6-Uhr-Zug fahren! Der nächste geht erst wieder gegen 12 Uhr mittags. Und wir müssen ja auch abends um 2015 [Uhr] wieder heim. Du, Truthahn soll es geben!

Das ist es eben, die Verwandten bewirten uns immer so lieb und sind so gut, daß wir garnicht umhin können, ihnen einen Tag zu schenken. Sie sind immer auch froh, wenn ich mich mit den Kindern abgebe. Naja das sind so Pflichten in der Sippe!

Schätzeli! Der Sonntag gehört uns, ganz uns! Ach, Du bist ja heute so lieb zu mir gekommen wieder! Ich danke Dir ja von ganzem Herzen für Deine treue Liebe. Ach Geliebter! Wie drängt und wogt es in mir, wie flutet alle Liebe zurück zu Dir! Wie drängt es mich hin zu Dir! Ach Du! Wenn ich doch jetzt bei Dir wäre! Geliebter! Du!!! Wie müßte es fließen, fließen das Brünnlein, oh Du!!! Du!!!!!

Herzelein!! Du! Ich bin bei Dir doch ganz nahe, immer immer.

Heute früh war ich schon um 6 Uhr munter. Du! Ich hatte doch von Dir geträumt, mit Dir und 2 Buben fuhren wir mit dem Schlitten! Mit Dir und zwei Buben! Ob's unsre waren? Ach Du! Was man in den Zwölfnächten [sic] träumt, erfüllt sich! Du und 2 Buben! Du!! Du und 2 Buben! Geliebter!!

Ja, dann bin ich husch aus den Federn und flugs angezogen und zum Milchmann gelaufen und bei der Schneiderin mein Kleid abgeholt. Oh Du! Fein ist’s geraten! Ich hatte es doch in der Kirche an und jetzt bei Oma auch. Du müßtest es nur mal sehen können, es gefällt Dir gewiß!

Du! Wirst nun heute auch heimdenken, hast Du wohl auch die Hiobsbotschaft vernommen vom Mord an Admiral Darlan? Wie wird sich nun die Lage ändern?

Ich mag garnicht weiter davon reden heute. Du!

Gebe Gott, daß Du mir vorm Schlimmsten behütet wirst.

Die Eltern schrieben auch. Denke nur, Elfriede liegt immer noch im Krankenhaus. Die Arme! Es ist doch so traurig, daß alles so langwierig ist. Hellmuth wird sich sorgen. Er wird in den nächsten Tagen erwartet. Wenn er sie nur dann mit heimnehmen kann. Ich wäre ganz unglücklich, wenn ich so empfindlich wäre, so wenig widerstandsfähig, ach, es ist doch eine gesunde Natur das höchste Gut!

Herzelein! Es wird Betrieb in der Gaststube, ich will ein wenig mit zupacken. Auf Wiedersehen zuhaus! Du!!!

Mein Mannerli! Geliebtes Herz! Da habe ich mich doch unterbrechen müssen gestern abend. Es war in der 7. Abendstunde, das Kino ging aus um diese Zeit, als ein Schub Gäste kam und bei Oma zu Abend essen wollte. Sie hatte etliche Portionen Huhn, ein Karnickel Rinderbraten, Wiegebraten und Kartoffelsalat mit Spiegeleiern. Ein Kirmesbetrieb wars lange nicht. Aber es reichte auch zu. Binnen 3 Stunden war alles vergastiert [sic]. Na, dann half ich Mutsch noch bissel abtrocknen; denn Oma u. [und] Friedel, die schaffen es nicht alleine, wenn nebenan die Stube voll Gäste sitzt. Papa bediente das Büffett [sic], Friedel machte die Bedienung. [sic] für die Gäste. Ja, wenn man zu Oma kommt an solchen Tagen, da kann man sich gleich eine Wirtschaftsschürze mitbringen. Übrigens soll ich Dich vielmals und herzlich grüßen von allen beiden! Nun war es doch Mitternacht, als ich ins Bettlein [gi]ng Du! Ich habe noch so lieb Dein gedacht, las Deine lieben Boten noch einmal, dann schlief ich ein.

Herzelein! Es ist nun 2. Feiertag früh nach 9 Uhr, wir sind nicht so zeitig schon gefahren, erst wollten wir ausschlafen. Papa zumal, der jeden Tag um 500 [Uhr] raus mußte. Nun fahren wir mit dem Zug 1103, ist auch noch Zeit, denken wir. M.s werden ja schimpfen, sie erwarten uns eher! Aber durch die unvorhergesehenen Umstände ist's wohl nur zu verständlich.

Eben sind wir mit dem Morgenkaffee fertig. Wie denken wir immer an Dich, Du Lieber! Hast nun gar keinen Stollen mehr! Ob Ihr denn von Eurer Einheit zum Heiligabend auch einen Stollen bekommen habt? Ach Mannerli! Am allerschönsten wär´s doch gewesen, wenn Du hättest mit uns daheim feiern können, gelt? Geliebter! Du! Nun lasse ich für ein Weilchen Deine Hände los, bald – wenn ich nur kann, komme ich doch wieder zu Dir!

Ach Du! Wie gerne bliebe ich bei Dir allein zuhaus [sic] zurück! Ich hab Dich so lieb! So vieltausendlieb! Oh sag! Weißt Du es noch? Weißt Du es noch, Geliebter? Mein [Roland]! Gott behüte Dich mir! Du all mein Glück! Mein Ein und Alles! Ich muß Dich so, sooooo liebhaben! Geliebter! Du! Du!!!

Ich bin ewig Deine glückliche [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946