Bitte warten...

[OBF-421225-001-01]
Briefkorpus

Heiligabend, den 24. Dezember 1942

Geliebtes teures Herz! Meine [Hilde]! Meine liebe liebste [Hilde]!!!

Du schläfst noch fein in Deinem Bettlein, wenn ich jetzt zu Dir komme. Ach, und wenn ich es könnte, ich wollt ganz leis, ganz sacht nur einmal hinschauen, wo mein Liebstes schlummert, wollt es segnen mit meinem Blick – und dann ganz froh und glücklich wieder mich ans Werk machen: Mein! Mein!!! Mein liebes Weib!!! Oh Schätzelein! Diese Vorstellung macht mich doch schon im Geiste ganz froh und glücklich – Du! Du!!! Liebes Menschenkind! Ich muß Dich sooo liebhaben! Ach Du! Du!!! Da eilt die Sehnsucht nun immerzu nach dem einen Orte, nach dem einen Segen, nach dem einen Menschen – Wunder der Liebe! O Herzelein! Geht all, all zu Dir, meine Sehnsucht – fließt unablässig – fließt einem tiefen großen Herzen zu, es ganz zu füllen – und ein Strom kommt mir zurück und füllt mein Herze – füllt das Liebesehnende ganz – oh Du! Du!!! Wir haben einander sooo lieb!

Herzelein! Es ist gar nicht mehr Heiligabend, es ist schon Weihnachtsmorgen, da ich zu Dir komme.

Wo das Mannerli gewesen ist? Ach Du, ich hätte gestern jede, auch die liebste Einladung ausgeschlagen – weil ich nur mit Dir Weihnacht feiern wollte. Nun laß Dir erzählen. Kein schönrer Nachmittag als der, der dem Heiligabend entgegendämmert. Getan alle Arbeit. Nur hier und da noch letzte Hand gelegt an Kleinig keiten [sic] – und nur noch geheimnisvolles Auf und Ab – und sonst schon lauter inneres Zurüsten für den Heiligabend. Selbst die Mutter, die nimmerruhende ein mal [sic] fertig, einmal ganz sichtbar bereit zu Rast und Feier – daran mußt ich denken, als ich mich nach dem Mittag ein wenig niederlegte, vor mir froh einen ganz, ganz freien Abend,. [durchgestrichener Beistrich] ½ 4 Uhr erwachte ich aus meinem Schläfchen, und legte ich letzte Hand an. Stellte die Lichte in mein Kränzlein, fegte und lüftete noch einmal die Stube – und trank dann meinen Kaffee. Denk an: wir haben doch einen Kameraden, der seine Frau hier wohnen hat, sie arbeitet in der Gesandtschaft. Die war so lieb, und hat uns Kuchen und eine Flasche Steinhäger mitgeschickt. Die Flasche haben wir unter fünf Mann verlöst [sic] – fiel natürlich aufs Mannerli und ich hab gleich noch mal losen lassen. Aber vom Kuchen bin ich nicht zurückgetreten. Und den schnabulierte ich nun zum Kaffee. Und dann war es Zeit, zur Vesper zu gehen. Die dritte Woche liegt hier nun schon ein Nebel, manchmal dünner, manchmal dichter – wir haben vom Mond überhaupt noch nichts gesehen, nur einmal das erste Sichlein. Und so ist das Wetter noch, feucht die Luft, meist milde – ganz unweihnachtlich. Unweihnachtlich auch die Stadt. Nur im Zentrum spürt man etwas von der letzten Geschäftigkeit, und an der Reihe der parkenden Luxuswagen sieht man, die reichen [sic], richtiger die Geldleute kaufen ein – sie können mit ihrem Geldsack es sich erlauben, am letzten Abend noch einzukaufen; aber wir sind darum viel, viel reicher – Du! Du!!! Und ich bin das reichste Mannerli – mit Dir!!! Du!!!!!

Ganz froh bin ich hingegangen zum Kirchlein – ach Geliebte – wo anders ginge nur das Weihnachtserleben sonst auf. Und zwei schöne, stattliche Lichterbäume erstrahlten da, wie ich es schon vorahnend schaute – und sie stimmten so ganz ein in den frommen Schmuck und verliehen ihm doch einen besonderen, festlichen Glanz. Und es hätten noch viel mehr Leute ins Kirchlein gepasst diesmal - ich war verwundert. Und es hätten viel mehr diese schöne Christvesper erleben sollen – zu innerem Gewinn. Daß die Menschen doch das Beste meist vergessen! Ach Du! Aus vollem, bewegtem Herzen hat das Mannerli gesungen – und beim Ausgangslied, da konnt ich doch einmal nicht weiter singen – ach Geliebte! Geliebte! Meine [Hilde]! Meine [Hilde]!!! Wo mein Herz bewegt ist, da bist Du mir doch ganz nahe, zu allernächst [sic] – Du! Meine Heimat! Heimat!!! Und ich mußte daran denken, wie schön wir das Fest miteinander begehen und feiern könnten – und zu feiern ersehnen ach Herzelein! Da hätte ich mich doch ganz lieb zu Dir flüchten wollen, an Dein Herz, in Deinen lieben Schoß - oh Du! da wußt ich doch einen Augenblick nicht ein noch aus mit meiner Sehnsucht, mit meinem Heimweh – ich habe Dich so lieb, sooo lieb!!! sooooooooooooo lieb!!! Da siehst Du das feine Programm. Ach, nur ein wenig jubelnder hätte ich es mir gewünscht. Der Pfarrer hatte eine fremde, etwas schwere Sprache – aber das gab seinen Worten Gewicht und Geheimnis – und was er sagte, war auf den Ernst der Zeit und die Frohbotschaft der Weihnacht zugleich gestimmt. So wurde der Heiland von einem gläubigen Seher geweissagt: Er wird kommen, Wunderbarrat, [sic] Kraftheld, Ewigvater, Friedefürst. Rat, wo aller Menschenrat am Ende ist, Quelle der Kraft, die auch quillt, wo alles sonst versiegt – Vater allen, und auch denen, die ihn jetzt verlieren - Friedefürst, mitten auch im Schlachtenlärm.

Ich mußte nun so heimdenken, und wußte Euch Lieben auf dem Wege zur Vesper, während ich nun heimging. Habe meine Lichtlein angesteckt, habe eine liebe Weihnachtsmusik eingestellt – und wollt in Deinen lieben Boten sehen – aber ich mußte in die Lichtlein schauen und in die Weisen lauschen — und hinblicken zu Dir! Die mit mir in das Strahlen der Kerzen schaute - oh Geliebte! Geliebte!!! Wieviel Freude hast Du mir mit deinem Bildnis geschenkt. Ich will Dir auch solch Spieglein unsrer Liebe schenken – Du! Du!!! ½ 8 Uhr war es, da müßt Ihr heimgekommen sein – hab ich das große Licht angesteckt und habe mir bescheren lassen. Oh Geliebte! Herzelein! Ich habe mich noch so gefreut über die Kleinigkeiten, wie Du sagen wirst. Über mein Nähtäschlein – Du, ich hab mich doch richtig gefreut darüber! Fein ist es. Und was alles drinsteckt. Überall die Spuren meines Schätzeleins. Und eine Schere – die bringe ich mit, daß ich Dir das Schwänzlein Übermut ein wenig stutze – Du! Du Herziges! – wo wächst es denn? – muß ich mal suchen – Du!!! Ein Metermaß auch – mit dem werd ich Dir müssen ein Röcklein zumessen, für Deine Streiche – Stollen anschneiden am zweiten Tag, vor Heiligabend – Du! das kostet viel Strafe!!! Ich glaub, mein liebs [sic] Weiberl braucht ein Mannerli, wird Zeit, daß es sich nach einem umtut, daß es einen Meister findet – aber nicht nur mit Strenge – Du!!! – ach Herzelein! Geliebte!!! voll Süßigkeit ist alle Liebe – und Süßigkeit ist im Grunde des Blümleins – süßes, heißes Verlangen ist zwischen uns – oh Geliebte! Geliebte!!! – wenn wir sie all erst pflücken dürfen, die süßen Früchte auch unsrer Liebe!!! Oh warte mein! warte mein!!! – und ich harre treulich Dein – mit Dir nur mag ich auch alle Süßigkeit der Liebe! – mag nur die Früchte, die in der Sonne unsrer Liebe reifen – nur sie sind wahrhaft süß – und edel – oh Herzelein! Herzelein!!! Ich muß Dich so soo liebhaben! Ich muß dir ewig treubleiben! Und bin so glücklich darum – sooo glücklich! Oh Herzelein! Der Sonnenstrahl kann sich gar nicht sattsehen an seinem Herzblümelein! Er muß sein Blümelein umhüllen und durchdringen mit seiner ganzen Kraft – oh Du! Du!!! mein Herzblümelein – ich lasse Dich nicht – ich weiche nicht von Dir – ich must Dich sooo liebhaben!!!

Ach Herzelein! Ich habe doch schon darauf gewartet, daß Du mir von Deiner Sehnsucht schreibst, die auch bei mir so mächtig war. Der Donnerstagbote mußte mir Nachricht bringen. Im Mittwochboten erkannte ich sie noch nicht, aber der Donnerstagbote brachte sie mir doch wirklich. Oh Geliebte!

Geliebte!!! Sie geht schneller als unser Bote – und sie geht so mächtig nur zwischen mir und Dir!!! Oh Herzelein! Wohin sollte sie anders gehen? Wo fände sie noch dies eine traute, tiefe Herze! – wo fände sich noch solch reichste Erfüllung! oh Herzelein! zu tief ist das Bette des Stromes unsrer Liebe – zu reich ist es umsäumt – oh Geliebte! Geliebte!!! zu heimlich und köstlich ist der Strom gebettet, als daß er je einmal über [d]ie Ufer treten könnte und sich verlieren! Oh Du! Zu heiß und innig lieb ich Dich! Oh Geliebte! Ich bin Dein! Bin ganz Dein! Und will vergehen, wenn ich es nicht mehr sein kann – ganz Dein! ganz Dein!!! Oh Herzelein! Du bist so lieb, sooo lieb zu mir gekommen all die Tage auch des Drasches – ich danke Dir aus bewegtem Herzen! Ach Du — ich müßte Dich auch liebbehalten, wenn Du nicht in Boten zu mir kommen könnte – ich muß Dich doch ewig liebbehalten – hörst Du? ewig! Herzelein! Geliebte!!! – ach Du! Du!!! wann werd ich es Dir wieder einmal sagen dürfen? – und singen? – oh Herzelein! – wann wieder einmal an Deinem Herzen ruhen? – und das geliebte Antlitz schauen? – oh Herzelein! Dich einhüllen in meine Liebe – in meine Lieb allein – Du! Du!!! in meine Lieb allein!!! – und eins sein mit Dir – eins sein mit Dir!!!!! Oh Du! Ich muß Dich ewig liebhaben! "Du lebst in mir für alle Zeit – da ward die Wirklichkeit zum Traum – da ward der Traum zur Wirklichkeit!!!" Herzelein! Meine [Hilde]! Ich liebe Dichewig! Du!!! Nur Dich allein!!!!! !!!!! !!! Oh Herzelein! Ich glaube, ich habe Dir noch gar nicht recht gedankt für Deinen lieben Geburtstagsboten! Oh Du! Du!!! Es sagt mir das gleiche was Dein liebes Bildnis mir sagt. Ich habe ihn doch gestern abend [sic] wieder gelesen – und den vom Vorjahre dazu, den habe ich auch bei mir! Ach Herzelein! Du hast mich doch schon immer sooo lieb gehabt – von Anbeginn. Deine Liebe ist um mich gekreist wie das Herzblut der Mutter um das Kindlein im Mutterschoße – um mich allein! Und nun ist es die Jahre daher nur überall eingedrungen – in die feinen Gänge auch und Kammern – umzingelt hattest Du die Festung meines Herzens schon von Anbeginn – aber nun hast Du sie erst ganz erobert mit ihren Forts  – nun hast Du sie erstürmt und bist überall eingedrungen – und wirst sie nicht mehr Dir entreißen lassen – ja – Du tapferes, liebes, liebes, liebes Fraule!!! Hast mich besiegt, und mein Herze bezwungen –

Du, Du!!! Ein liebes, liebes, süßes Bild schwebt mir doch vor, wenn ich das schreibe – das gefangene Mannerli – und mein Herzensweib der Sieger – oh Du! Du!!! – Mein Befreier! Meines Herzens Befreier!!! Ach Herzelein! Wunder der Liebe! Der Sieger ist zugleich Besiegter, und der Besiegte ist Sieger. Was wollte mein Fraule denn in der Festung meines Herzens? Warum hast Du sie denn umringt und gestürmt? Eine leere Festung hätte es nimmermehr berannt – ja? Und nur Sieger sein über eine tote Festung – billiger Triumpf! – Oh Herzelein. Geliebte! Geliebte!!! Gefangen bist Du nun selber! Ganz gefangen! Du! Du!!! Ganz gefangen? Du!!! Ja? ja??? – Oh ja! Geliebte! Geliebte!!! Geliebte!!!!! zumeist gefangen – Geliebte, ja? – schaust Du mit mir das andre süße Bild? Oh Du! Du!!! Du!!!!!

Aus zwei Herzen wurde eines nun: Oh Geliebte! Unlösbar!!!

Mädelein! Ich komme doch gar nicht weiter, Dir den Ablauf meines Heiligabend zu schildern – und jetzt ist schon morgen –

ach Du, wenn zwei sich liebhaben, dann steht die Zeit still – und jetzt kommen schon wieder andere, und wollen mich in Anspruch nehmen – aber ich leihe ihnen nur meinen Verstand, mein Herze ist ganz Dein und immer bei Dir – oh Geliebte – könntest Du es schauen – mögest Du es glücklich fü[?] – ganz und immer bei Dir!!!

Oh Herzallerliebste mein! Ich bin noch gar nicht am Ende, Dir von meiner Liebe zu sagen! Magst Du noch zuhören? – Und heute am Vormittag werd ich Dich erst wieder zu Worte kommen lassen müssen! Wird Dein lieber Bote kommen – oh selig Wogen der Liebe! oh Du! köstliches Erfülltsein!!! Oh Herzelein! Bald komm ich wieder zu Dir — wie freu ich mich! wie freu ich mich, bei Dir zu sein!

Magst Du mit mir plaudern? - Oh Geliebte! Geliebte!!!

Behüt Dich Gott! Segne er unsre Liebe!!!

Sage den lieben Eltern recht herzlichen Dank für die Lieben [sic], lieben Wünsche zu den Festen. Heute werde ich dazu kommen, ihnen zu danken.

Ach Du! Die Feiertage werden gar nicht zulangen! Leben, leben muß ich Dir [sic] meine Liebe! Mein ganzes Leben Dir weihen – und ich lebe Dir schon hier in der fremde – oh Geliebte! Du! Meine [Hilde]! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich wie [unklar] tausendlieb!

Dein glücklicher [Roland]!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

Schlagworte