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[OBF-421223-002-01]
Briefkorpus

Mittwochabend, am 23. Dezember 42.

Herzallerliebster mein! Du liebes, allerliebstes Mannerli!

Es ist schon spät abends, da ich zu Dir mich setzen kann. Meine Gedanken aber sind schon den ganzen Tag bei Dir und ich verfolge Dich doch überallhin, mein Schätzelein! Du bist gewiß in der Stadt zur Weihnachtsfeier in der Kompanie.

Herzelein! Ich seh Dich doch im Geiste wieder einmal in so altvertrauter Weise. Als Dirigent! Aus Deinem lieben Donnerstagbrief erfahre ich doch sogar Euer Programm! Du, es hat mich recht gefreut! Und fein ist besonders, daß Du diese beiden Lieder gewählt hast, die mehr als andre dein Zauber der Weihnacht besingen und in den Vordergrund rücken. Ich möchte die Stimmen Deiner Leute schon mal hören! Seemänner mögen schon gute Sänger sein! Wenn nur alles fein klappt, dann ist auch bei dir Freude, gelt Mannerli? Und einen Kapitan [sic] aus Chemnitz habt Ihr da? Arnold! Du, ob ich den kenne? Ach woher! Ach Liebes! Wenn Dir nur an dem heutigen Abend viel Freude widerfährt! Und das ist wirklich selten der Fall, bei solchen Soldatenfeiern, da muss schon einer ganz anspruchslos sein.

Ein typisches Beispiel nur kurz. Ich war vorhin in der Kirche zur Generalprobe, ½ 8 Uhr war die angesetzt. Unser Chor, Kinderchor und 6 Blockflötensplieler. Wir singen zusammen nur eins der Lieder, es ist eines aus der neuen Literatur. Das macht sich sehr gut, wirklich. Eine rechte Weihnachtsmelodie für die Stimmen und die Flöten untermalen das Ganze dabei mit ihrem Jubilieren. Ich habe richtig Lust, mir das mal unten im Schiff an zuhören, aber wir haben auch am 1. Feiertag Dienst. Text ist etwas mittelalterlich im Ausdruck, ich werde versuchen, mal so ein Buch zu bekommen, wenn Du das nächste Mal heimkommst. Gelt? Dich wirds' auch interessieren was jetzt die Kirchenmusik für Töne angibt?!

Na, ich schweife aber ab jetzt. Die Probe war nach 1 Stunde beendet! Und beim Heimgehen leuchtete uns der Pfarrer die Stufen hinab. Kam die Rede auf die Weihnachtsfeier im Lazarett unten. Sie sei so unfeierlich gewesen, erstens schon um 300 [Uhr] Nachmittags und dann hätte Dr. H. so unpersönlich, so wenig weihnachtlich gesprochen zu den Leuten[,] daß diese ganze Feier, wenn noch der Tannenbaum weggenommen wäre, gut im Juli gehalten sein könnte. So habe ihm, dem Pfarrer, nächsten tags [sic] der Assistenzarzt Dr. R. ganz enttäuscht mitgeteilt.

Ja sieh! So ist das nun. Man glaubt in dem Dr. H. einen väterlichen Freund seiner Verwundeten zu finden – mag sein beruflich!) [sic] – wenn man ihn berief als Redner zur Weihnachtsfeier. Aber zu solch einem will sagen: innigen Anlaß eignet sich der Mann garnicht. Er mag das so ungeschickt wie möglich angestellt haben, kann ich mir vorstellen. Mag auch sein, daß er feige ist (politisch gehemmt!) sodaß er am Sinn der Feier vorbeiging, so wirds´ schon gewesen sein.

Aber das ist doch bedauerlich gelt? Die Männer erwarten ja mehr oder minder eine Weihnachtsfeier wie sie sie von Kind auf kennen, oder doch wenigstens so, daß sie zuinnerst froh und zufrieden werden, selbst wenn sie fern ihren Angehörigen hier das Fest begehen müssen. Es will auch die Person gewählt sein zu solchem Anlaß! Wenn sie zehnmal die führende, die leitende ist.

Und es kann so eine gewaltige Niete entstehen.

Diese Gedanken bewegten mich noch lange, glaubst? Weil ich Dir so wünsche, daß die Feier hübscher sein möge. Ach Du! Weihnachten, wie wir’s empfinden, verkörpert uns recht eigentlich nur eine Gottesfeier in der Kirche.

Da ist alles, was uns Weihnacht nahebringt. Des Kindleins Geschichte mit allen Wundern. Und der tiefe, ewige Sinn. Und schön ist darum, daß Du morgen frei bist und an den Feiertagen! Dann wirst Du auch dahin gehen, wo Dir Weihnachten in der Fremde am nächsten ist, Du! Ach Geliebter! Wenn wie erst beisammen sind!!!!!

Und erst Weihnachten zusammen erleben! Geliebter!

Ich freue mich unbeschreiblich darauf. Ach Du! Du!

Gebe Gott, daß es bald, bald Frieden wird.

Herzelein! Den ganzen Nachmittag haben wir noch Drasch gehabt heute. Ich habe auch noch einen Quarkkuchen gebacken, von Hilde L. borgte ich das Blech, das paßt nämlich so schön in unsre Röhre, dann besorgte ich auch noch einige Wege. Am Vormittag, als ich das Essen, Nudeln mit Hühnerklein, fertig hatte und Deinen lieben [Br]ief empfangen! Ja solange mußte ich warten, Du!!! Bin ich zum Friseur. Ich kam bald dran. Und hatte doch Mannerlis´ Strickstrumpf mit, wollte ein großes Stück vorankommen! Na, das wird nochmal bissel schöne Feiertagsarbeit, wenn wir zu Besuch gehen. Ich kann Dir noch nichts Neues verraten über Bisch. [sic]. und Kamenz. Bin noch ohne Post. Jedenfalls wirds´ bis zum Fest nichts aus taufen. Die Chemnitzer haben uns schriftlich eingeladen und heute auch noch telefonisch, für II. Feiertag, wo Vater frei hat. Da möchte ich nun wohl mit. Ich mag den Eltern den Spaß nicht verderben.

Du weißt, wieviel lieber ich allein zuhaus [sic] bleibe, bei Dir! Bei D[ir]! Ach Du! Du bist heute so voller Jubel und Freude zu mir gekommen im lieben Donnerstagbrief! Ich danke Dir! Ich nehm [sic] den Boten jetzt mit ins Bettlein! Habe doch heute auch schon gebadet, Du! Da ists´ immer so wohlig im Bettlein! Du!! Kommst mit? Ich liebe Dich, Herzenschatz!

Ich bin Deine glückliche [Hilde]!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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