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[OBF-421222-002-01]
Briefkorpus

62. Dienstag, am 22. Dezember 1942.

Herzensmannerli! Mein geliebter [Roland]! Du!

Du mein liebes Geburtstagsbüberl! Komm her zu mir! Wo steckst Du denn eben? Ach Herzelein! Mein [Roland]! Ich möcht’ Dich ja sooo herzensgerne liebhaben heute! So recht liebhaben! Ganz fest wollte ich Dich an mich drücken und Dich ganz lieb und lang an meinem Herzen halten! Du mein Alles! Du mein Sonnenschein! Geliebter! Oh Geliebter! Mein!!!

Du! Ich habe doch den ganzen Tag so lieb an Dich gedacht. Herzelein! Ich hätte doch heute Nacht so gerne mögen von Dir träumen. Aber ich habe so fest und tief und traumlos geschlafen, wie ein Murmeltier! Das kommt vielleicht von meiner Reise nach Breitenborn, ich war rechtschaffen müde. Und nicht einmal um Mitternacht bin ich aufgewacht, Du! Das wollte ich doch! Weil ich da mein Herzelein auch munter wähnte und die Überraschung erleben sah im Geiste.

Ach Du! Ob Du denn wahrhaftig um Mitternacht mein Bild aus der Hülle geschält hast? Du!! Ich glaub es Dir schon. Bist doch ebenso närrisch verliebt wie Dein Weibel! Du! Und es geht uns doch vor der Bescherung grad wie den Kindern, die dann kein Auge mehr zutun können. Ach Herzelein!

Unsere Liebe! Wie beglückt sie uns, wie froh macht sie uns !! Wie glückliche Kinder sind wir doch miteinander, Herzelein! Du! Du liebst mich! Und ich liebe Dich! Du !!!!! Ach Mannerli! Nicht genug, daß in der Geburtstagsvornacht all meine Wunschpläne scheiterten, nein! Auch noch ein Mißgeschick passierte mir! Ich hab’s verschlafen!

Du! Wie sich Dein Fraule doch jetzt schämt! Du! Aber daran ist bloß das Mannerli schuld, weil’s sich so unsichtbar macht! Und mich garnicht geweckt hat wie andermal! Ach Du! Ich wollt' doch ganz zeitig aufsein heute! Erst noch ein wenig träumen, an Dich denken! Und dann zu Deiner Uhrzeit mit Dir Kaffeetrinken!

Ja, Kuchen! Mit dem Uhrschlag 8 [Uhr] bin ich aufgewacht. Ganz verdattert und erschreckt fuhr ich hoch! Draußen schon Tag! Rrrraus!!! Und schwupp – in die Waschschüssel.

Nun war ich aber fix munter, Du! Aber das liebe Geburtstagskind saß ja um diese Zeit wohl längst bei seiner Arbeit! Hat doch nicht etwa am Ehrentage frei gehabt?! Ach, ich war richtig böse auf mich, weil ich mir mein ganzes, schönes Programm verdorben hatte nun.

Zur Strafe gabs erst 2 Stunden garnichts zu essen – erst wurde die nun verschlafene Arbeit nachgeholt: Schuhe putzen, Läufer klopfen, Kartoffeln schälen, bohnern und so fort – dann erst gabs Haferflockensuppe. Ich hatte Dich doch trotzdem neben meinem Teller stehen, Du! Im Bilde! Und weil Du mich gar so lieb angeschaut hast, da war ich wieder mit mir ausgesöhnt und froh. Ach Herzelein! Aus Deinem Geburtstag ein richtiges kleines Fest machen…. das können wir doch erst, wenn Du für ganz um mich bist, gelt? Dann erst wird alles so, wie ichs wünsche und mir ausmale! Ach Mannerli! Himmlisch schön wird’s! Gebe Gott, daß wir nicht noch viele Male getrennt so feiern müssen! Es liegt ja immer ein ganzes, langes Jahr dazwischen. Du! Ein Festessen gabs nun zu Mittag grade nicht. Auch das ging nur durch, weil eben das Geburtstagskind fehlte. Guten Kartoffelmus, mit Rotkraut und Spiegelei gabs, ich hatte zum Nachtisch noch einen Rest Vanilleäpfel.

Es hat schon gut geschmeckt. Wärst Du aber dagewesen, so hätte die Henne müssen dran glauben! Du!!!

Post ist heute nicht gekommen zum lesen [sic]! Der liebe, dicke Weihnachtsbrief aber ist da !!! Ich bin ganz artig! Du !!! Ach Mannerli! Mein herzallerliebstes! Du Lieber! Du Guter!! Sei von Herzen bedankt für all Deine Liebe! Du!!!!! !!!!! !!! Schätzeli! Weißt denn, was ich heute eingekauft habe? Einen Christbaum! Einen schönen, mittlerer Größe. Es ist eine Fichte nur. Aber ich freue mich so darüber.

Erst gabs ja nur für Familien mit Kindern Bäume. Nun sind die übrigen zu Verkauf freigegeben an alle. Von K.'s habe ich ihn. Weißt? Das ist der Materialwarenladen bei der Firma H. (G. gegenüber. Der verkauft jedes Jahr Bäume. Ach, nun wird’s bei uns ja auch noch weihnachtlich im Stübel! Wir wollen doch drüben sein am Heiligabend und an den Feiertagen. Die Mutter aus Kamenz wollte uns Reisig schicken, ist aber auch nicht dazugekommen, weil es keins gab.

Liebster [Roland]! Ich hatte doch heute Angst, daß ich garnicht lieb mit Dir allein sein könnte in Gedanken; denn die Mutsch hatte alle Wäsche trocken und bekam nun plötzlich den Fimmel, (verzeih!) die Wäsche zu legen und zu mangeln, noch heute! Ich redete ihr’s aus, gerade heute wollte ich nicht.

Sie verstand mich auch, stellte mir aber entgegen, wo wir den alten großen Korb wollen hinstellen die Feiertage über. Gewiß, in der Wohnung ist’s zu eng. Auf dem Boden kann er nicht stehen, weil man fürchten muß, daß die Wäsche Liebhaber findet! Freilich, Mutters Lösung war die beste. Morgen haben wir so noch bissel Drasch und baden wollen wir auch. Probe ist in der Kirche 1930 [Uhr].

Gut. Mutter erledigte die Wäsche und ich ging die Wege besorgen. Da war ich am ganzen Nachmittag allein mit meinen Gedanken an Dich. Ach, war das schön!

Draußen war wieder herrliches Sonnenwetter, mir wurde sogar der Pelzmantel zu warm. Und auf meinen Gängen nahm ich mir schön Zeit, so recht besinnlich ging ich – so, als bummelten wir in Wahrheit Arm in Arm los. Ach Du! Ich war dir so ganz nahe, Herzelein!

Wo ich überall war? Zuerst Essentragen. Beim Konditor F. Eier hintragen. Milchholen. Dann zu Hilde L., fragen, ob die Scharleiterin, die neue, ihr Amt annahm. Leider traf ich sie nicht an. Muß ich morgen nochmal hin. Und kann Dir nun auch morgen erst davon erzählen. Frau S. (Frauenschaftsführerin) hat eine bestimmt. Und Hilde L. kam zu mir, ehe sie zu derjenigen Frau ging, sie einzuweihen von in den Plan! Ich sollte Daumen drücken!! Bin ja gespannt. Die neue wird die starke Gruppe Mädchen nehmen und ich die Buben weiterhin und vorderhand die paar Kleinen, für die ich mir ein Jungmädel suchen will noch. Die Kleinen sind im Moment nur 12 Kinder. Dann bleibt der Mittwoch der einzige Tag, zwar weiter von 2-4 + 4-6 Uhr. Ich werde es ohne Anstrengung schaffen. Und habe ich mal was vor, so wird die neue Leiterin die Kleinen mit den Mädels zusammennehmen und die Buben dann von 4-6 [Uhr] – oder heimschicken. So muß es gehen.

Ich will nur erstmal abwarten, wie alles ausging.

Dann hatte ich noch einen Weg. Vater bekam Weizenkörner, die nahm ich heute, brachte sie zur Mühle ins Niederdorf und kriegte 10 ℔ Mehl dafür! Prima, gelt? Die Tochter vom Müller K. kenne ich gut, ist eine D.R.K.-Kameradin, sie machte es gnädig mit mir! So eine Freude über das Säckel Mehl! Nun schicke bald Zulassungsmarken, Mannerli! Da kann ich Dir aber Plätzchen backen!

Die Uhr zeigt jetzt 5 Minuten nach 800 [Uhr], eben schluckt es mich ganz toll. Wer ist am Telefon? Mannerli? Jawoll! Komme gleich! Ach Du! Gleich mit dem Extrazug käm ich, wenn einer führe! Du!! Du!!! Da brauchte doch dann das andre Bettlein garnicht leerzustehn [sic]! Oder doch? Brauchen wir bloß eines? Du?!! Ich bin jetzt dicker geworden, Du! Werden wir wohl nimmer zusammen reinpassen! Ach, da muß sich eines unters Bett legen, gelt? Du!!!!!

Ach Herzelein! Könnte ich bei Dir sein! Als ich vom Müller nachhaus kam, war ich erstmal hungrig. Und ich hab mit Mutsch Kaffeestündchen gehalten. Du! Mit Stollen! Zur Feier des Tages. Und mein armes Hascherl hat nun nicht mal noch paar Pfefferkuchen da!

Die verwünschten Mäuseluder! Wenn ich nur welche erwische. Anschließend bin ich nochmal fortgelaufen. Nach Limbach zu T.s einholen, bei N. Käse kaufen und dann wollte ich noch bei der Schneiderin mein Kleid abholen, sie war aber noch nicht fertig. Bis morgen nun. Und dann blieb ich zuhaus. Mutsch war fertig mit der Wäsche. Ich bereitete das Abendbrot: Tomatensuppe und Quark mit Pellkartoffeln, haben wir aber gefuttert!

Papa ist nun mit Mutsch auf die Rolle. Während Mutsch mangelt, läßt er sich beim Friseur verschönern! Dann holt er Mutsch wieder ab. Und ich bin derweil schön alleine, Du!! Kann ich Dich doch gleich mal ganz lieb drücken und Dir ein langes Geburtstagskussel [sic] geben! Du!!! Eins bloß? Wieviel wünscht sich mein Herzlieb! Mußt mir’s gleich mal sagen. Aber nicht zu viele, sonst bleibt’s nicht beim Küssen, Du! So muß ich Dich doch mit Deinen eignen Worten mahnen. Ach Du!!

Und wenn’s nicht beim Küssen allein bliebe? Glaubst Du, daß Dein Fraule Angst hat? Du? Glaubst Du das wohl? Ach Du !!!

Ich sag’s Dir nicht! Du weißt’s ja ohnehin! Du süßer Schelm! Du !!! Ach Mannerli! Davon kann ich doch garnicht lange reden, gleich steht die große Sehnsucht auf und bringt mir soviel Unruhe. Ach Du!!! Und ich will doch ganz still, ganz froh und wunschlos glücklich Dein denken, Geliebter! Zumal am lieben Weihnachtsfest. Oh Du!! Will alle Sehnsucht ins tiefste Herzkämmerlein verschließen und aufheben bis in den Frühling hinein! Bis zu dem Tage, da Du mir heimkehrst, mein [Roland]! Oh Du!!! Du!!!!! Du mein geliebtes Mannerli! Wie magst Du Deinen Geburtstag begangen haben? Bald werde ich ja hören! Ich warte schon darauf. Und warte doch auch auf Dein Urteil Herzelein, ob ich Dir habe Freude bereitet, mit meiner Geburtstagsgabe. Ich hab es sooo lieb gemeint, Herzelein! Ich wußte nichts Lieberes, als mich Dir zu bringen. Geliebter! Du sollst es wissen zu Deinem höchsten Glücke, daß ich die Deine bin! Dein Eigen! Dein Ureigen! Du!!!!!

Ach, daß ich es Dir doch erst im täglichen Umeinandersein zeigen und beweisen könnte, wie unendlich lieb ich Dich habe! Mein Geliebter! Ganz glücklich und dankbar dürfen wie heute, an dieser Wende wieder zurückblicken auf das vergangene Jahr!

Und wir wollen nicht nachlassen, Gott immer aufs neue um Kraft und Segen und Gnade zu bitten. Ach, möge er mir Dich behüten vor allem Übel! Möchte er Dich bald für immer mir schenken!

Du bist mein ganzes Glück! Meines Lebens Sinn und leuchtendes Ziel! bist mein ganzes Glück! Meines Lebens Sinn und leuchtendes Ziel!

Du mein Ein und Alles! Mein Herzenssonnenschein! Geliebter! Ich küsse sich zur Nacht! Schlaf und träume süß von Deiner [Hilde]. Behüt’ Dich Gott! Du!!! Von Deiner glücklichen [Hilde], die Dich sooo lieb hat.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946