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[OBF-421219-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 18. Dezember 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine [Hilde], Du!

Oh Du! Ich muß Dir zum Danke immer wieder sagen, wie Du meines Lebens Sonnenschein bist, Geliebte! Wenn in die eintönigen Tagesgeschäfte dann gegen Abend Dein lieber Bote kommt – dann springt die Tür auf zum Herzen – dann tut sich das Fenster auf zur Heimat, zur Zukunft. Oh Geliebte! Und was gäbe es Lieberes, als nun nach des Tages Geschäften an dem Fenster zu stehen, mit Dir Zwiesprache zu halten, die mit mir in Zukunft leben will, als in diese Zukunft zu schauen, wo Du mir immer ganz nahe sein wirst. Es gibt nichts Lieberes – es gibt nichts Kostbareres. Oh Herzensschätzelein! So froh kann ich aber auch nur sein, weil Du gar so lieb zu mir kommst, weil Du es sooo lieb mit mir meinst, weil Du mich so unendlich liebhast – oh Geliebte, weil unsre Liebe ein rechtes Glück ist. Zwei Boten sind gekommen vom Sonntag! Ach Du, Geliebte! Bist zweimal zu mir gekommen – damit keine Lücke wurde – und nicht nur deshalb.

Ach Herzelein! Du, sag, kann man denn ein Mannerli auch so liebhaben, wie ich Dich liebhabe, so tausendfältig, so herzinnig? Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich glaub Dir doch, daß Du mich ganz sehr liebhast – auch wenn ich Dich nicht sehe! Aber schauen will ich Dich auch wieder einmal – Du! oh Geliebte! ganz tief Aug in Auge! und Dich lieb umfangen! Du! und Dir selber sagen, wie so lieb ich Dich habe! wie sooo lieb! wie sooooooooooooo lieb!!!

Herzelein! Freitag ist schon wieder – wenn wieder Freitag ist, haben wir schon Weihnachten. Und der Purzeltag vom Mannerli rückt immer näher – und bald – bald werd ich den Koffer vom Schranke holen dürfen und mir von meinem Herzlieb bescheren lassen! Du! Du!!! Ich warte doch schon richtig drauf. Ach, ich weiß doch schon, was mein wartet: lauter Liebe! lauter Liebe! Deine Liebe, die mich so ganz glücklich macht!

Und nun höre ich von Eurem Sonntag – hat einmal ganz Euch gehört – kein Dienst, kein Besuch – wie fein ist das auch, gelt? Ach, da hätt doch ^das Männerli [sic] fein dazugepaßt – alles fein sauber – und satt wär ich auch geworden – ach Du! hätt Dich fein lieb wärmen wollen nach dem Spaziergang! Hätten doch so lieb miteinander Advent feiern wollen!

Hast doch das Mannerli in Deinen Traum gelassen! Heimwärts sind wir gewandert – heimwärts wandern wir doch jetzt auch rast[los], gehen unseren Weg nur immer mit dem Gedanken, einander zu begegnen und miteinander zu leben, bauen unentwegt an der Brücke zueinander. Oh Geliebte, Du!!! Das Sehnen nach dem Frieden, der Wille zum Leben, die Lust zum Schaffen, die Hoffnung auf die Zukunft, sie sind bei mir, weil Du bei mir bist. Ohne Dich wird nie Frieden – ohne Dich mag ich nicht mehr heimkehren – ohne Dich nicht mehr leben! Ernster wird das Gesicht der Krieges, größerer Anstrengungen bedarf es zum Durchhalten, hartnäckiger und stärker ist der feindliche Widerstand geworden – das drückt sich nun schon in mancherlei Folgen aus. Zuallererst mangelt es an Menschen. Überall werden Einsparungen vorgenommen – auch hier bei uns. Weiß nicht, ob Du einmal Zahlen gesehen hast von dem Bedarf an Helferinnen für den Dienst bei allen drei Heeresteilen. Er ist so groß, daß er durch freiwillige Kräfte bei weitem nicht gedeckt wird. Die jungen Mädchen bis zu 21 Jahren dürfen im Ausland künftig nicht mehr Dienst tun. (!) – In meiner Lehrerzeitung wird eine Reichsverordnung abgedruckt, nach der Reichsbeamte bis zum 70. Lebensjahr binnen 3 Tagen persönlich bei ihrer früheren Behörde sich melden müssen. Sie sind verpflichtet, jede Beschäftigung, die ihrer früheren Laufbahn entspricht, anzunehmen.

Weiter: Dem Entlassungsantrag eines verheirateten weiblichen Beamten kann nur entsprochen werden bei Bestehen einer Schwangerschaft vom 6. Monat an – usw.

Heute kam eine neue Urlaubsverordnung heraus. Wegen der schwierigen Transportlage kann Urlaub im früheren Umfange nicht mehr gewährt werden. Für uns in Rumänien gibt es danach nur noch einmal jährlich Urlaub von 18 Tagen + 2 Reisetagen. Schätzelein! Wenn etwas Neues kommt, da weiß man schon im voraus, daß es nichts ist, das eine Entspannung der Lage bedeutet oder gar einen Silberstreif des Friedens. So hart und traurig die neue Kunde ist, ich habe sie doch erst einmal mit Gelassenheit aufgenommen. Und vorgenommen habe ich mir, den nächsten Urlaub doch zu dem frühestmöglichen Termin zu nehmen – dann wird wieder Rat – und ein langes Leben hat heute keine Bestimmung mehr.

Aber das sind Anzeichen, untrügliche, dafür, daß er ernster wird. Herzelein! Angesichts dieser Tatsachen erscheint unsre Freiheit immer kostbarer! Hilf sie mir hüten! Halte sie, solange Du kannst! Es ist das einzige, was wir dann noch haben – wenn wir uns dann im Jahre nur noch einmal sehen dürften. Wie lange soll das bloß noch so fortgehen! Herzlieb! Was aber auch kommt: Wir stehen nur desto fester bei einander! Unsre Liebe wird nur stärker und inniger und entschiedener u. entschlossener dadurch! Wir sind bereit, sie zu bewahren, u[n]d zu verteidigen – wir sind bereit, einander ganz lieb und treu zu bewahren! Oh Du! Ich lasse Dich nicht, und lasse nicht von Dir! Ich liebe Dich! Dich ganz allein! Und werde Dich so lieben immer, treu bis in den Tod! werde nicht von Deiner Seite weichen! Oh Herzelein! Heißer nur wird meine Liebe entbrennen! Und heißer wird es zu Dir drängen, oh Du! Du!!! Und Du wirst mich lieb behalten! Du wirst mich nicht zurücksinken lassen in die Einsamkeit! Du wirst mich heimholen in den Frieden! Oh Geliebte! Du wirst um mein Leben und meine Liebe ringen wie ich um Dein Leben und Deine Liebe! Weil Du mich liebst! Weil Du mich so sehr liebhast!!!

Und darum kann ich immer wieder auch froh werden. Deine Liebe, unser Glück sind mir wahrhaft die Sonne, die hinter allen Wolken steht und sieghaft sich Bahn bricht! Dir will ich bleiben! Dir will ich heimkehren! Um Deinetwillen hänge ich an diesem Leben! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Du – wenn nichts mehr gewiß ist in dieser Welt – unsre Liebe soll es sein und bleiben! Unsre Liebe, so wie sie bisher war und ist – so ganz und rein – ohne jedesn Kompromiß. Und wenn wir einer Welt Trotz bieten sollten – mit Stolz und Freude tät ich es – Du sollst mein einziges, geliebtes Weib bleiben – mein einziges, geliebtes Weib – oh Du! Du!!!

Das ist doch mein ganzes Wollen und Sehnen – und es gibt keinen Widerstand, der sich ihm entgegenstellte oder es hemmte – ich will nur Dich – ganz nur Dich allein – oh, mit lauter Lust und Freude und jubelndem Ja nur Dich! meine [Hilde]!!!

Sei auch Du vorerst nicht traurig wegen der neuen Urlaubsbestimmungen – das Mannerli wird fein aufpassen – des darfst Du ganz gewiß sein – und wenn ich nur kann, dann komm ich zu Dir. In einem halben Jahre kann dann manches sich wieder ändern. Du!

Ja – gestern habe ich mich auch erbost über eine kleine, aber bezeichnende Notiz in der Lehrerzeitung, die ich Dir beilege. Derweil andre draußen sich herumschlagen, derweil die Schule drinnen in mittelalterliche Zustände zurückfällt, haben doch einige Herren noch Zeit, Lebenshaltungskünstler von einer besonderen Lebensauffassungsgabe jedenfalls, die Schulbücher umzuschreiben – sie möchten das aber nicht öffentlich machen – das ist Maulwurfsarbeit, Wühlarbeit. Nun – es ist noch nicht aller Tage Abend – und die Schulbücher, des bin ich ganz getrost, werden noch ein paarmal umgeschrieben, solange ich Lehrer bin.

Ja, weil ich nun beim Tragikomischen bin, will ich auch unsre Gänse nicht unerwähnt lassen. Die Tiere sind nicht besser dran als wir Menschen. Hörst Du es schnattern? Vorhin brachte man etwa 50 Gänse, die wir zur Weihnachtsfe[ie]r verspeisen wollen. Und morgen beginnt der große Gänsemord. Ich hätte keinen Gänsebraten, wenn ich sie selber schlachten müßte.

Herzelein! Sonnabend ist, da ich nun fertig schreibe. Warst wieder im Traum bei mir, Geliebte! Wie freu ich mich!!! Vielleicht, weil nun das Bettlein wieder richtig steht. Kirmes war. Und das Mannerli kam überraschend zu Besuch zu Dir – über einen Markt, auf dem herrschte Leben und Treiben – ähnlich dem Bisch. od. Kamenzer Markt. Und an der Marktecke standest Du bei Bekannten, in einem blauen, weißgepunkteten Kleide: Aber ich ging noch nicht hin zu Dir, sondern stieg erst auf einen Berg. Dort erklärte ich dem Kameraden G. die prächtige Aussicht – Lausche, Jeschken. Und dann ging ich allein heimwärts, Licht war schon in den Straßen, viel Menschen saßen in den Gasthäusern, Paare gingen zum Tanz – und ich ging zu Dir. Was ist der Traum doch für ein Phantast und Maler. Dies Haus, in das ich nun ging war so offen, wie auf alten Bildern manchmal oder wie im Theater, die Vorderwand weggenommen. In der einen Stube waren meine Eltern, die ich zuerst begrüßte. Vater wollte Lärm schlagen, aber ich beschwichtigte ihn. Und dann trat ich zu Dir – und Du warst wider Erwarten gar nicht erstaunt.

Hier hat der Traummaler doch ganz falsch gemalt, gelt? Oh Du! Du!!! Du!!!!!

Herzelein! Wie lieb ich Dich! – wie liebst Du mich. Ich küsse Dich vieltausendlieb! Und wenn ich mir jetzt was wünschen dürfte – bei Dir wollt ich sein! Das wollt ich mir wünschen ohne Besinnen! Behüt Dich Gott!

Verlebe recht frohe Festtage!

Grüße die lieben Eltern. Und die liebe Großmutter ganz besonders. Ich will ihr zu Neujahr einen Gruß schreiben.

Und nun Du selber sei herzlich gegrüßt von Deinem [Roland], dem Du alles bist!

der Dich so von ganzem Herzen liebhat!

Du! Du!!! Ich sehne mich auch nach Dir. Du! Du!!!!! !!!!! !!!

In Liebe und Treue

ewig

Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946