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[OBF-421216-002-01]
Briefkorpus

56.)

Mittwochabend, am 16. Dezember 1942.

Herzensschätzelein! Mein geliebtes Mannerli! Du!!

Jetzt bin ich nun wieder soweit, mein Schätzeli, daß ich mich an den Tisch setzen kann – vor meinen lieben Bogen. Es ist mir doch nach wie vor die allerliebste Stunde am Tage.

Es war wieder ein bewegter Tag heute. Von morgens ½ 7 Uhr bis jetzt, um 7 Uhr abends. Und ich bin heilfroh, daß ich sitzen kann nun! Ja noch mehr – ich freue mich heute so sehr auf mein Bettlein! Jeden Abend wars' so spät mit dem Schlafengehn. Heute gehe ich aber mal bissel zeitiger. Ich bin schon richtig schlapp. Ja Mannerli, so schlapp glaub ich, daß ich mich nicht einmal Deiner Umarmung erwehren könnte, wenn Du heute bei mir wärst!! Tu ich das denn andermal? Ach Du! Aber es ist wahr. Ich muß wieder mal gut ausschlafen, dann fühle ich mich viel frischer. Ich will doch nicht in die Weihnachtsfeiertage gehen als „erledigt”! Will doch auch noch so viel Spannkraft haben, recht schön zu feiern, mit Dir doch Du! Wenn unser Papa da ist bei Tage da kommt man zu nichts, er kriecht immer mit umher und hält mich von meiner Arbeit ab, das ist nur eine Feststellung und garnicht [sic] etwa böse gemeint! Ach nein! Aber ich fühle mich viel wohler, wenn ich eine gewisse Spanne Zeit am Tage habe, die ganz mir allein gehört. Damit ich meine 2 - 3 Stündchen dann in Ruhe für Dich auch habe, Herzelein. Aber durch Vaters Nachtschicht verschiebt sich mein ganzes Programm immer, Mutsch ist auch zuhaus, da werde ich immer gestört und ich habe nicht eher Ruhe, bis Vater zur Tür hinaus ist. Du weißt schon wie das ist, Mannerli: Ich mag auch nicht andauernd Rücksichtnahme verlangen an den paar Stunden, wo Vater mal zuhaus ist und mit uns beisammen.

Ich habs auch gerne, wenn er mal bissel mit uns zwei Frauen zusammensitzt und nicht immer schläft. So kommt es aber, daß mir dann nur noch paar [sic] Abendstunden bleiben. Da muß dann Mutsch wieder den "Schnabel" halten!

Und das behagt ihr auch nicht immer! Ach Du! Das sind meine Kopfsorgen! Du! Du verstehst mich schon recht, Liebster! Ich finde schon meine Zeit für unser Beisammensein!

Und ich will doch auch immer daran denken, wie froh ich sein kann, daß ich noch mit beiden lieben Eltern zusammen leben kann. Im Sommer ist’s fein, da ziehe ich mich einfach zurück, wenn’s mich zu Dir drängt und ich ganz allein sein will mit Dir. Aber jetzt kann ich nicht 2 Zimmer feuern. Und früh schreiben, das ist nichts Genaues, hab’s nun schon paarmal versucht. Ach Du! Das sind ja nur Kleinigkeiten! Ich bin ja glücklich, daß ich überhaupt jeden Tag so lieb zu Dir kommen kann! Daß ich mir einfach die Zeit nehmen kann. Es haben nicht alle so gut! Du! Und ich klage hier auch nicht. Ich mußte mir’s nur wieder mal von der Leber reden, wie man doch auch disponieren muß um sein Programm täglich einzuhalten, selbst wenn man zuhause ist und nicht in einen Beruf eingespannt.

Ach Herzelein! Du hast ja so recht, wenn Du mir das bißchen persönliche Freiheit zu wahren, das wir noch haben, immer wieder so ans Herz legst. Ich bin Dir doch so dankbar drum, daß Du mich immer wieder lieb daran gemahnst. Ich bin manchmal zu gut. Ich übernehme mich lieber, anstatt ich hart bin und einmal energisch Nein sage.

Du liebes Mannerli! Wie froh bin ich, daß Du bremst und mich so lieb lenkst. Du! Schon allein darum brauch’ ich Dich doch Schätzeli! Sonst haben sie Dir womöglich eines Tages Dein Weibel mal seziert, wenn jeder ein Stück haben will zu dem und jenem Dienst und Amt. Ich traue mir darin immer zuviel zu und verausgabe mich lieber mit meinen Kräften, anstatt ich klar und einfach sage: nein, das ist mir unmöglich.

Ich denke immer, ich muß alles möglich machen. Aber das ist grundfalsch. Es kann geschehen, daß ich einmal garnicht [sic] mehr herausgucken kann vor Pflichten, wenn ich Dir nicht folge.

Achliebstes Mannerli! Du bist sooo gut zu mir! Ich weiß doch: Du meinst es so ganz lieb nur! Und ich verstehe Dich auch. Und ich will Dir doch auch folgen! Mein [Roland]! Will ganz Dein verständiges, einsichtiges und lieb’s Fraule sein. Ach, Du weißt ja, daß ich Dich nie mit Willen kränken kann. Geliebter! Es ist ja alles lauter Liebe, was mich mit Dir verbindet. Ein manches schaut sich wohl aus der Ferne drastischer an, als es in Wahrheit ist. Aber im Grunde und im Großen und Ganzen hast Du vollkommen recht, mein [Roland], wenn Du mich immer wieder lieb ermahnst an unsre Freiheit, die wir uns unbedingt wahren müssen.

Ich danke Dir so, Du! Daß Du mich immer wieder darauf so lieb hinweist.

Ach, es wäre kein Verlust schmerzlicher, keiner, als wenn wir unsre Freiheit verlören, so lieb immer aufeinander einzugehen – täglich, in unseren Boten. Du! Du!!! Du hast so recht: wir haben nichts kostbareres zu verlieren als dieses kleine bescheidene Teil an Freiheit.

Es wäre kein Verlust schmerzlicher. Und es kann jetzt durch keinen Gewinn ausgeglichen werden.

Ach und ich weiß doch, Geliebter! Was wolltest Du mir zuliebe nicht tun! So gern Du mir dazu verhülfest, ein eignes Heim zu schaffen – aber unsere Freiheit ist noch wichtiger. Oja! Ist uns doch das Wichtigste jetzt!! Herzelein! Ich verstehe Dich so lieb, verstehe Dich ganz.

Und sehe doch hinter allem lieben Raten, Mahnen und Erklärungen dazu nichts als Deine große Liebe zu mir.

Oh Du! Ich habe so großes Verlangen, für all Dein Gutsein Dich in meine Arme zu schließen …. fest – fest! Du!! Daß Du spürst, wie dankbar ich Dir bin! Wie ich mich so ganz an Dich lehnen will, mein lieber Beschützer, mein! Ach Du!!! Hab Dank, von Herzen Dank für alles Liebe, das Du mir sagst in Deinen lieben Boten, die heute zu mir kamen.

Ach Herzelein! Ich will doch alles, alles, was uns angeht, erst vorher lieb mit Dir beraten. Ich hab Dich doch viel zu lieb, als daß ich Dir mit Wissen Traurigkeit bereiten könnte. Du !!! Oh Geliebter! In mir lebt doch wie in Dir der Wille groß und brennend: Dir zu leben [sic]!! Mit Dir zu leben! Der Wille zu unserem Glück! Zu Dir !!! Zu Dir !! Wie liebe ich Dich !!!!! !!!!! !!! Ich verstehe es Geliebter, Dein Raten und Bedenken, es wird bestimmt von einem eisernen, zähen Willen, der wiederum genährt wird aus Deiner Liebe zu mir: mich festzuhalten! Unsre Freiheit, unser Recht zu wahren. Du Geliebter! Bist mein lieber, liebster Steuermann! Und ich will Dir doch nicht entgegenarbeiten! Will doch mit Dir unsern Kurs steuern! Du! Du! Ach Du !!! Ich fühle Dich doch so groß und stark neben mir, so beglückend ist es doch für ein Weib, Geliebter! So ganz wunderbar beglückend, wenn es sich so ganz geborgen weiß in der guten und treuen, so sicheren Liebe des geliebten Gefährten.

Oh, sei Gott unserem Wege gnädig!

Ich bin so ganz Dein! Dir anvertraut, bis in alle Ewigkeit. Mein [Roland]! Du sollst mich leiten! Ich mag mich doch so gerne führen lassen von Dir!

Weil ich Dich so liebe! Geliebter! Ach Du! Ich muß Dich unsäglich liebhaben!

Ach Geliebter! Ich halte unser Glück so fest wie Du! Und solange noch ein Leben in mir ist! Unsre Liebe ist ein großes Glück, ein Gnadengeschenk. Aber sie wäre es wohl nicht, wenn wir nicht weiter an ihm schmieden, wenn wir’s uns nicht ganz zu eigen machen.

Und wir wollen nichts versäumen, wollen die Jahre nicht ungenützt verstreichen lassen.

Ach, wir wissen, daß wir erst recht einander leben können, wenn wir für immer umeinander sind, daß wir dann so vielfältig einander unsre Liebe erweisen können.

Du sagst es, Herzelein: nur zu einem Teil können wir das jetzt wettmachen, das ist doch unser Kummer manchmal.

Aber wir erkennen es auch froh und dankbar, daß wir doch – glücklicher und reicher, als viele, viele neben uns - täglich zueinander kommen können! Daß wir miteinander zu leben noch Freiheit genug haben.

AchDu! Und nun erkenne ich doch so klar: diese Freiheit, Herzenschätzelein, die müssen wir stets am festesten im Auge behalten! Ja !! Ja !!! Sie ist das wichtigste, was wie uns bewahren müssen.

Ach ja, es wird doch an diesem Beispiel auch wieder einmal so deutlich, wie der Mann alles mit seinem Verstand durchdringt, wie er unbeirrbar den Tatsachen bis auf den Grund schaut, ohne das Herz erst sprechen zu lassen. Und das ist so gut! Ist soviel wert und von Bedeutung in einer Lebensgemeinschaft, die in bester Harmonie verlaufen soll. Wo darin kein Gegensatz herrscht zwischen einem Menschenpaar, da wird es wohl dafür manchmal bittre Enttäuschungen geben.

Ach Du! Wir wollen stets lieb erst alles miteinander beraten, Du! Beide wollen wir unsre Meinung sagen und lieb beraten, das Beste herauszufinden. Und so ist er nun bei Dir Liebster: was an neuen Ereignissen an uns herantreten will, Du mußt es zuerst darauf ansehen, ob es uns die Freiheit läßt, das kleine bescheidene Teil von Freiheit und Eigentum, daß uns noch geblieben ist.

Geliebter! Ich muß so dankbar Dein gedenken! Du Liebster! Du liebster bester Mensch! Du! Und Du bist mein! Du willst mein Beschützer sein! Wie liebst Du mich! Ach Du! Mit all meiner Liebe will ich Dirs [sic] vergelten. -

Mein [Roland]! Heute war nun Lichtlnachmittag [sic] bei den Kindern. Ach, alle Freude leuchtet doch eigentlich aus hellen Kinderaugen! Ich fühle das immer so glücklich. Herzelein! Wenn wir erst einmal zu dreien oder mehr noch ins Licht des Weihnachtsbaumes blicken! Ach Du! Denke Dich hinein! Wie wunderschön!! Es waren zwei frohe Stunden, die uns allen die Freude der Weihnacht nahebrachten. Die schönsten Lieder sang ich mit den Kindern, auch die alten lieben Weihnachtslieder. Es war richtig feierlich.

Nach den Ferien sehen wir uns wieder. Am 13. Januar wohl. Und Hilde L. hat noch keine Vertreterin. Es will sich niemand passendes finden. Die Frauenschaftsführerin will sich nochmal energisch kümmern, sie sieht ein, daß ich’s allein nicht schaffe. Ich würde es schon schaffen – wenn ich noch einen Nachmittag für die Kleinen nähme. Aber davon sage ich garnichts [sic]. Das kommt nicht in Frage. Sie mag sich nur kümmern. Wer hält Schar, wenn Du kommst? Oder ich mal krank bin? Es muß jemand her.

Du Schätzeli! Was denkst denn, was heute ankam?

Oh Du!! Mir gingen ja schier die Augen über! Ein Schrot Speck !!!!! Und was für einer! Menschenskind! Nun sage mal, wie kannst Du soviel auf einmal kaufen?! Ist ja wie im Märchen! Wie im Schlaraffenland! Es gab doch heute Abend gleich Speckfettschnitten, wie das klappte, die Butter war schon seit heute früh alle!

Du! Wir hätten Dir aber alle am liebsten ein Speckfettküssel gegeben, wärest Du dagewesen! Du !!! Das ist ein Hochgenuß, solche Schnitten. Unseren allerherzlichsten Dank! Du Guter! Da reichen wir wieder lange! Was Du uns immer zuliebe tust! Wir sind ja so sehr dankbar dafür, Herzelein!

Kannst Dir nicht auch mal ein Stück Speck auslassen und Fett machen als Zubuße für Dich? Tu es doch, Liebster! Dann schmeckts uns nochmal so gut, wenn Du auch mithältst! Die Augen der Eltern hättest mal sollen sehen! Zum Lachen! Die freuen sich ja ganz sehr!

Hast denn auch nach Kamenz geschickt?! Denen tut’s doch auch gut! Mein Herzelein! Ich will jetzt schließen. Ich nehm Dich mit mir ins Bettlein! Morgen komm ich wider [sic] nach dem Backfest! Du! Du!!! Ach Du! Weißt Du denn noch, wie ich Dich liebe? Du!!!!!!!!!!

Ich bin Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946