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[OBF-421213-002-02]
Briefkorpus

Sonntag, am 13. Dezember 1942.

Herzallerliebstes Schätzelein! Mein lieber, liebster [Roland]!

Ich komme nun wieder zu Dir. Ich freue mich ja so darüber, daß ich es kann! Ach... am allerliebsten käme ich ja gleich selbst, Du! Und wollte Dich ganz ganz liebhaben – ohne viel [sic] Worte. Herzelein!! Mein Herzelein!! Ich bin heute so froh! Du!!! Und das Frohsein muß mir von Dir kommen, ich spür' es. So von Herzen kommt’s mir! So wie ich nur froh sein kann, wenn ich Dich, mein Lieb, auch so ganz froh weiß.

Ich möchte doch jetzt mal einen Blick tun können hin zu Dir. Die Uhr zeigt bei uns die 3. Stunde an. Du wirst Kaffeetrinken ja? Ach Du! Im Essen sind wir doch auch Dir keine Stunde hintenach! Es war vor 10 Minuten, als auch wir unsre Kaffeestunde aufhoben. Ich hatte einen Aschkuchen gebacken. ½ Mehl und ½ Kartoffeln. In einer meiner Jenaer-Glasbackformen, er war herrlich geraten! Und ich hab Dein Teil gleich mitgegessen! Mannerli! Ich bin ein (T) [sic] Vielfraß!! Und so dünn wie am letzten Urlaub bin ich, glaub’ ich garnicht mehr! Na, Du wirst es begutachten, wenn zu heimkommst, Du! Aber nicht mit dem Metermaß messen! Nur mit Deinen Armen laß ich Dich! Wenn Du mich umschlingst und kannst mich nimmer ganz einschließen in Deine Arme — na, dann bin ich dick geworden, gelt?

Ach Du! Wir gingen doch nach dem Mittagessen tatsächlich aus, Mutsch und ich, während Papa schlief, um an die schöne Luft und Sonne zu kommen und Mutsch ihren Wunsch zu erfüllen, die Märchenvorstellung zu sehen. Es waren aber schon so viele Kinder im Kino, als wir ankamen, sodaß nur noch Stehplätze frei waren. Da sind wir zur Schulstraße hoch gelaufen, weißt? nach [sic] der Kirche zu, in Limbach und haben uns mal die selbstgebastelte Spielwarenschau des Limbacher BDM und des Jungvolkes angeschaut. Schön war das! Allerlei nette Spielsachen konnte man bewundern, die zum Weihnachtsfest an Soldatenkinder verteilt werden sollen.

Dann bummelten wir noch ein wenig durch die Stadt, um nach dem Stadtpark zu gelangen. Aber es fror uns doch so an die Nasen und Hände, trotz der Sonne, es ging ein kalter Wind heute, sodaß wir dann abbogen und heimwärts liefen.

Huschl–huschl! Da war’s fein warm! Und wir setzten uns gleich zu Kaffee und Kuchen. Ich habe doch so an dich gedacht, mein [Roland]! Was wirst Du denn heute treiben? Am 3. 2. Sonntag 1. Advent? Ob Du mal wieder U.v.D. bist? Ob Du auch ein warmes Stübel hast wenn Du vom Dienst heimkommst, oder vom Spaziergang durch die Stadt? Ach, das beschäftigt mich doch stark. Gerade in der lieben Vorweihnachtszeit kehrt man so gerne ein im traulichen Stübchen. Wenn Du könntest daheim sein!! Mein Herzensmannerli! Wie liebreich wollte ich dich empfangen und an mein Herz drücken! Du! Wie liebe ich Dich!

Aber ich will hiermit keine wehmütigen Gedanken heraufbeschwören oder in Dir das Heimweh wecken, das sowieso nie ganz ruht. Geliebter! Ich will Dich nur dessen ganz froh und gewiß machen, wie so innig ich Dich liebe! Und wie ich immer nur Dein denke. Ach, Du sollst dieses Wissen wie das leuchtende, tröstliche Adventslicht selber in Deinem Herzen tragen! Sollst Dich gar nie einsam fühlen! Mein [Roland]! Mein Sonnenstrahl bist Du doch und bist nie, nie mehr allein! Ich bin bei Dir! Ich halte Dich! halte [sic] Dich sooo fest! Geliebtes Herze! Mußt nun immer bei Deinem Herzblümelein bleiben, Du! Du!!! Es kann und will nicht ohne seinen Sonnenstrahl leben! Hörst Du?! Nie mehr. Ach, Du allein weißt, wie sooo lieb ich Dich habe! Mein Alles!!!

Unsere beiden Gesellen, die altvertrauten, stehen schon wieder bereit [sic], mir Licht zu geben; denn es beginnt schon langsam zu dunkeln. Sonderbar ist das, obgleich die Sonne schien. Wir sind eben doch auf dem Tiefstand angelangt im Lichtkreis. Und es währt noch ein Weilchen, bis es wieder bergauf geht. Du! Gestern und heute sind keine Boten von Dir gekommen. Überhaupt keine Post. Das ist komisch für mich. Ich bin von Dir schon zu sehr verwöhnt, Mannerli!

Aber all Deine Liebe ist trotzdem bei mir, ach ich spüre es! Und das läßt mich so ganz froh und glücklich sein, Du! Geliebter! So viel Land liegt zwischen Dir und mir.… und doch sind sich unsre Herzen so ganz nahe.

Und das ist doch das glückvolle [sic] guter Liebe: es gibt keine räumliche Trennung mehr. Allgegenwärtig ist gute Liebe[.] Mein [Roland] ! Ach, wie sind wir reich und glücklich! Und wieder muß ich denken, wie arm solche Menschen sind, die in ihrer Verbundenheit nicht so vollste Erfüllung fanden wie wir, so vollstes Genügen ineinander, wie Du und ich. Sie sind immer auf der Suche nach Erlebnissen, Abenteuern. Ach Geliebter! Wenn wir auch getrennt voneinander leben, uns verlangt es nicht nach Zerstreuung solcher Art! Nie!!!

Ich bin so glücklich, daß Du dich nicht nach dem lauten Wirbel des Lebens draußen sehnst, wie viele Deiner Kameraden. Daß Du die Stille und Traute unsrer glücklichen Zwiesprache ersehnst und mir so ganz glücklich und zufrieden bist. Ich könnte mir ganz gut denken, daß ein Heimatloser, ein Entwurzelter, wie so viele Soldaten es jetzt sind, auf andre Wege gerät – daß er einfach das Leben in der Abgeschiedenheit und Einsamkeit nicht erträgt. Aber Du trägst wie ich das Feuer guter, treuer Liebe in Dir! Die kennt kein Wanken! Und sie bringt alle Opfer, Geliebter! Ich habe es nicht so schwer wie Du. Ich darf bei den Eltern sein. Vertraute Menschen helfen mir einfach schon mit ihrem Dasein über manche Stunde voll Heimweh nach Dir hinweg. Nicht mit Worten, mit Taten — einfach durch ihr Dasein. Und das läßt das Alleinsein so wie Du es erleben mußt, nicht so sehr empfinden.

Ach, Geliebter! Wie glücklich bedenke ich Dein starkes und tapfres Herz! Du willst nur Deiner Liebe noch leben! Du willst nur mir gehören, nur mir leben! Du!!! Schon jetzt, über die Ferne! Geliebter! Du liebst, mich!!!!! !!!!! !!! Wie glückselig bedenke ich den köstlichsten Schatz: Deine treue Liebe!

Und ich kann Dir nur mich dankbar und wert erweisen, indem ich Dich ebenso lieb und treu im Herzen trage. Und das tu ich aus aller Herzenskraft, Du mein Geliebter! Ich will Dich lieben und festhalten solang ein Atem in mir ist. Ach Herzelein! Nun will sich das Jahr neigen. Wieder ein Jahr zu Ende voller Herzeleid [sic] für Tausende: der schlimme Krieg. Ob uns das kommende Jahr den Frieden bringt?

Ich glaube, noch nicht. Aber näher rücken werden wir ihm, das glauben wir ganz fest. Und wir bitten Gott so innig um diesen ersehnten Frieden, mit so vielen, mit Millionen andrer zusammen bitten wir, daß Gott uns einmal erhören muß! Ach, jedes Ding hat seine Weile. Und einmal muß doch dieser fürchterliche Krieg zu Ende gehen.

In uns ist schon so lang alles bereitet für ein Leben in engster Gemeinsamkeit. Geliebter! Wie lang sehnen wir uns schon nach unserem Leben! Du!!!

Ich glaube aber, daß Gott uns nicht umsonst dieses Schicksal gab. Bedenke, mein [Roland], wie viele tiefe Erlebnisse und Tatsachen in unser Leben traten während dieser Zeit, die uns einander mir immer näher brachten im Herzen.

Es ist das alles keine verlorene Zeit. Gott mag uns prüfen wollen, auf die Beständigkeit unsrer Liebe, mag unsre Liebe noch festigen mögen wollen und noch vertiefen.

Was wissen wir? Eines aber ist uns klar, alles, was Gott tut, das geschieht aus seiner unendlichen Güte, Liebe und Weisheit heraus, die er uns Menschen gegenüber beweist. Und bedingungslos vertrauen wir auf ihn und seinen Spruch, Geliebter! Wem anderes, als Gott im Himmel könnten wir unser großes Glück anbefehlen? Da allein kann es geborgen sein. Ach, nicht nur Einssein in der Liebe genügt, um ein ganzes Lebenlang miteinander zu gehen – auch Einssein im Glauben muß zwei Menschen verbinden. Das fühlen wir immer wieder.

Mein [Roland]! Mit Dir zusammen will ich unser Leben so froh beginnen, mit Dir habe ich allen Willen, Gutes zu vollbringen und zu schaffen! Aller Mut wächst mir zu an Deiner Seite. Wir wollen uns das Leben erobern, Geliebter! In engster Gemeinsamkeit, in treuer Liebe! Mit Dir wage ich alles, alles! Oh Gott im Himmel! Schenke uns bald ein Leben Seit [sic] an Seite! Erhöre unser Bitten! Hilf uns! [Amen].

Mein [Roland]! Ich möchte nun garnichts mehr schreiben, möchte nur ganz in liebendem Gedenken zu Dir mich hinträumen. Du! Ich liebe Dich!!! Ich komme morgen wieder! Mein [Roland]! Auf Wiedersehn [sic]! Du!!!!! Gott sei mit Dir allezeit! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

Allezeit bin ich Deine frohe, glückliche [Hilde], Dein!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946