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[OBF-421213-001-01]
Briefkorpus

3. Advent, am Abend,

13. Dezember 1942

Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Herz! Meine [Hilde]!

U.v.D. wieder, das Mannerli, ein richtiger Sonntags- U.v.D., Du hast ganz recht. Diesmal habe ich noch nichts gesagt, das nächste Mal rühre ich mich und präsentiere schriftlich meinen Dienstplan bisher – von 4 Diensten 2 am Sonntag, 1 am Sonnabend – nun ist’s genug. Der Hauptfeldwebel ist ein seelensguter Mensch, ein Wiener, dem trage ich das mit sicherem Erfolg vor. So bin ich ja nun auch, daß ich zu meiner Beschwerde einen richtigen Grund haben will – aber das Maß ist nun voll.

Ist wieder ein grauer, trüber Tag heute – und Schreibebriefe hätte ich ja eine Menge vor und es wird auch nun Zeit, damit zu beginnen. Aber im schönsten Schreiben am Nachmittag kam Besuch – ein Kamerad aus Saloniki, der jetzt den Kursus in Varna mitgemacht hat – S., seinen Namen habe ich schon einmal genannt, ist schon lange her. Der reist heute abend [sic] mit noch anderen Kameraden weiter nach – Simferopol. Ich war eben mal mit auf dem Bahnhof – und den Kameraden sieht man es an, wie dieses Ziel, diese Ferne auf ihnen lastet. Und auch Kamerad S. tat mir leid – und ich war froh, daß ich ihm ein klein wenig etwas anbieten konnte, ein Stück Stollen (den Kamenzer habe ich doch heute angeschnitten, den Deinen will ich für das Fest aufheben) und einen Rest Schokoladenpudding von Mittag. Ach Herzallerliebste! Vor einigen Wochen stand ich vor dieser Ungewißheit – oh Du, vor dieser Ferne – dieser Ferne – und es rang in mir, die Ungewißheit quälte mich und halb schon fand ich mich ab mit dem neuen Schicksal. Ach, ich hätte es ertragen, was tausend andre auch ertragen müssen! Und nun war ich doch von Herzen dankbar und glücklich, daß es so sich fügte – oh Du! Du!!! Daß ich Dir nahe bleiben durfte – Dir nahe bleiben!

Ach, es ist mir nun wieder so deutlich zum Bewußtsein gekommen heute, ein wie gnädiges Schicksal mir beschieden ist! Der Kamerad hat mir nun von Saloniki erzählt. Ein Kommen und Gehen ist da nun auch gewesen, fast alles ist nun auch zum Unteroffizier ausgewählt – und wenn der Krieg noch länger dauert, werden das auch noch lauter Feldwebel. Mit Kamerad ^H. ist er mehrmals zusammengetroffen. Dieser letzte Lehrgang ist wegen der Umsiedlung nach Rußland auf 6 Wochen verkürzt worden. Morgen wird Kamerad H. hier durchkommen, bin gespannt, ob er mich aufsuchen wird – ich rechne bestimmt damit. Aber bei seinem Phlegma ließe sich auch der andre Fall denken.

Am Mittwoch fährt doch nun Heinrich in Urlaub. Ihm will ich auch den Weihnachtsmann mitgeben, damit er pünktlich ankommt.

Eben ist doch die Post eingetroffen. Von meinem Schätzelein ein lieber Bote – und von Kamenz ein Brief "mit Flugpost befördern". Ist natürlich mit der Bahn gegangen; aber ich denke, was denn die Kamenzer so Fliegendes haben: “Die Husche ist angekommen. Wie – steht nicht dabei. Mutter sitzt im Badezimmer und rupft. Am 7. 5.12 ist das Vieh in Wien abgefahren. Nun muß sie ja auch bei Euch eintreffen – nun eßt bloß das Zeug nicht, wenn es nicht mehr koscher ist, daß nicht noch Unheil angerichtet wird!!! Wenn sie noch genießbar ist, die Freude desto größer.

Herzelein! Hast so lieb, so oft an mich gedacht bei Deinem Dienst am Dienstag und bist zweimal zu mir gekommen. Und ich habe so sehr hingedacht zu Dir! Und wenn ich Deinen Bericht erwarte von diesem Dienst, dann bin ich schon immer darauf gefaßt, daß Du mir einmal berichten mußt von einer frechen Zudringlichkeit eines Landsers. Ach, ich hab Dich gar nicht gern in diesem Dienst! Du bist gewiß mit die einzige Frau, die zu solchem Servierdienst herangezogen wird – daß Dir das nicht erspart bleiben konnte – und nun auch noch so oft. Ich habe das nicht gewollt.

Sollst meine Klage nicht so aufnehmen, daß ich Sorge hätte um Dich – Herzelein! und ich fürchte auch nicht Dein Vergleichen. Nein, ich fürchte es nicht, weil Du mich gewiß so liebst, wie ich Dich liebe. Und wenn Du die Soldaten darauf ansiehst, ob einem unter ihnen Dein Herz so zufliegen könnte wie mir – ich bange trotzdem nicht. Und es möchte einer sein, dem Dein Herz so zufliegen könnte, dessen Begegnung Dich im tiefsten berührte aus einem wundersamen Empfinden — in dieser Welt mit ihrer Fülle bin ich nicht der einzige, der beste, und wenn Du suchen wolltest, Du würdest vielleicht auch ein besseres Mannerli finden – aber das läßt unsre Liebe doch gar nicht zu, das ist ja die Liebe versucht, das Schicksal versucht – das ist ja gar nicht möglich bei unsrer Liebe!

Herzlieb! Viel sichtbarer ist das, was ich hier berühre, in der Welt der Blüten, ein schönes Gleichnis für rechte Liebe, ein Gleichnis für die Einmaligkeit, die Unausweichlichkeit des Schicksals. Da steht der Kirschbaum in seiner Blütenpracht, und um ihn her viel andre Kirschbäume. Hochzeit feiert der Baum – er blüht, er drängt zur Frucht, und Millionen Blüten strahlen und blühen und warten und harren der Frucht. und [sic] Abermillionen, nein unzählige Möglichkeiten sind der Paarung, des Befruchtens. Und nun kommt zur Blüte die Biene, und bringt die Staubkörner – und eines, eines nur aus der Unzahl treibt seinen Keimschlauch in den Stempel – erfüllt ist das Blütenleben – die Unzahl der Möglichkeiten hat sich zugespitzt zur Einzahl des Schicksals. Und so ist die rechte Liebe. So ist sie es auch, wenn sie noch nicht sichtbar wird in der Frucht, im Kindlein.

Herzelein! Ich frage nicht mehr das Schicksal – ich vergleiche nicht mehr – meine [sic] Herze ist erfüllt von Deiner Liebe – Deine Liebe hat mein Herz getroffen – und die Unruhe vor der Fülle der Möglichkeiten ist gewichen der Ruhe glücklicher Erfüllung – die Unruhe des Suchens und Wählens ist gewichen der Ruhe glücklichen Besitzens und Gefundenhabens. Erfüllt ist mein Schicksal – ich habe seines Spruches gewartet im vollen Bewußtsein seiner Bedeutung – ich habe ihn erwartet im Glauben an dieses Schicksal – und ich sehnte diesen Spruch herbei als eine Erlösung von der Unruhe, als ein Hinwenden zu ganzem, glückvollem Leben, zu ganzem Leben und Lieben. Und nun hat das Schicksal gesprochen – hat so wundersam mich angesprochen – Gott hat unseren Bund gestiftet – und ich bejahe dieses Schicksal – oh, ich ergebe mich nicht still darein – ich bejahe es mit vollstem Bewußtsein, bejahe es mit dankbarem, jubelndem Herzen – ich liebe Dich! ich liebe mein Schicksal, das Dich mir zuführte – ich liebe es – ich liebe Dich! Ich mag kein anderes Schicksal – ich will dieses Schicksal erfüllen, ich will mit Dir gehen, nichts anderes – und wie Gott dieses Schicksal auch lenkt, es ist dieses Schicksal, das ich liebe, es ist das Schicksal mit Dir, es ist das eine Schicksal, das ich erfülle, so oder so – das Schicksal, das mich so glücklich lieben läßt – und ich glaube fest, daß Gott der Herr des Schicksals ist, und daß die, die ihn suchen und die seine Gnade erstehen für dieses Schicksal, es glücklich erfüllen bis in die letzte Stunde — ich glaube, daß Gott unser Schicksal segnen kann.

 

Herzlieb! Frei war mein Herz! Offenstand des Herzens Tür, harrend der Braut. Bereitet war ein Thron, harrend der Königin. Nun ist sie eingezogen! Geschlossen ist des Herzens Tür: Und alle Strahlen der Liebe und des Sehnens, die einst schweiften nach außen unablässig, und suchten – die sind nun nach innen gewandt, der Herzenskönigin zu dienen, Dich zu lieben, Dich ganz zu durchdringen und in Liebe zu hüllen! Ich denke an das Lied vom Heidenröselein:

„Röslein sprach: ich steche Dich, daß Du ewig denkst an mich” – Herzelein! Das ist die Erfüllung des Schicksals, das ist der Zauber der Liebe:

Und dieser Zauber, diese Erfüllung machen, daß Du die Eine bist, die Einzige, die Liebste die Feinste, die Schönste, die Herzallerliebste – mein einziges, geliebtes Weib! Und dieser Zauber hat mein Herz erfüllt – der Liebe ganzes Glück ist in meinem Herzen – Deine Liebe erfüllt mein Herze! Gestochen hat mich das Röselein – und nun muß ich sein ewig denken!

Oh Geliebte! Denk nicht, daß ich Dich mißverstand – so liebst Du auch mich, so bejahst auch Du dieses Schicksal, so ganz wie ich – so bist Du auch erfüllt von meiner Liebe – Du liebst mich nicht weniger – Du willst wie ich dieses eine Schicksal – und liebst es – und nimmst es aus Gottes Hand – und wirst es bis zur letzten Stunde glücklich erfüllen. Ach, Herzelein! Geliebte! Mein Röselein – bist Du mein Röselein, das der böse Knab gebrochen hat? – Dein [Roland], dem Du ganz Dich schenkst, dem Du Dein Leben weihst, dem Du Dich anvertraust mit Leib und Seele – mit dem Du des Lebens Hochzeit feierst – es gibt nur eine wahre Hochzeit des Lebens – Bist Du mein Herzensblümelein? Bist Du mein Herzlieb, das mir seine [sic] Herze ganz geöffnet hat? Bist Du mein liebes Weib, das mir das Letzte und Heiligste beut, seinen Schoß, daß ich das Leben darinnen anzünde – ihn beut in innigster, brünstiger Liebe – oh Geliebte! Geliebte! Meine [Hilde]! Ja, ja, ja!!! Ich höre Dein jubeln. das Ja – ich weiß um Deine Liebe! Sie ist immer mit mir! Oh Du! Sie beseelt mich – ich liebe, liebe Dich – einzig und ewig Dich! Ich brach das Röselein – um es ganz, ganz, ganz zu meinem Eigen zu machen. Ich tat ihm weh – um es nun desto lieber zu haben! Oh Du – ich raubte Dir Deine Freiheit und begab mich der meinen, um mit Dir in die Zweisamkeit zu gehen, das Land der Liebe zu gewinnen – Geliebte, so einsam ich es liebte und lebte – so zweisam, so ganz Dir zugewandt will ich nun leben, ganz nur Dir leben!!!!! Oh Du! Wie habe ich Dich lieb – und wie will ich Dich immer lieber gewinnen – wie sehne ich mich, Dich ganz mit meiner Liebe zu umgeben – oh Du! Du!!! Warte mein! warte mein!!! Ich will Dich doch so liebhaben! Sooo liebhaben! Sooo lieb!!! Du! Du!! Du!!!!! !!!!! !!! Meine [Hilde]! Mein! Mein!!! Mein liebes – liebes Weib! Ich will doch zu Dir kommen – will Dich ganz – ganz liebhaben! – will eins werden mit Dir! – will verschmelzen – will mich Dir ganz vermählen – Du! D[u!!]!

Oh Geliebte! Gehst Du auch so gewiß, so sicher in meiner Liebe? Und wenn auch alles einmal bebt und zittert und sich sehnt in Dir – gehst Du dann noch immer ganz sicher und gewiß in meiner Liebe? Kann ich Dich auch dann noch ganz erfüllen? In den Stunden brünstiger Liebe? Oh Du! Kannst Du mit Deinem [Roland] alle Höhen und Tiefen, alle Seligkeit der Liebe erleben?

Sag mir’s! Oh Du! Sag mir’s! Und wie auch Deine Antwort ist – sie kann mich nicht betrüben – ich kann Dich nur eines bitten: Warte mein! Warte mein! Ich will Dich doch noch viel lieber gewinnen!!!!! !!!!! !!!

Oh Du! Herzallerliebste mein!

Dieses Bekenntnis, das heute über meine Lippen drängt, so ungestüm, so aus übervollem Herzen – es kommt nicht aus einer Unruhe — es kommt aus der glückvollen Gewißheit meiner, Deiner Liebe – es kommt aus dem heißen Drängen und Wollen zu Dir – es kommt aus sieghafter Zuversicht des Glaubens an unsre Liebe, des Vertrauens in Gottes Segen – ich liebe Dich! ich liebe Dich!!!

Ich denke Dein, kann stets nur Deiner denken – Nur Deinem Glück ist dieses Herz geweiht – Wie Gott auch mag des Lebens Schicksal lenken: Ich liebe es – ich liebe Dich – ich liebe Dich in Zeit und Ewigkeit!!!

Oh Du! Du! Du!!! Geliebte! Mein Alles Du, mein Leben! Behüt Dich Gott! Ich küsse Dich vieltausendlieb!

Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946