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[OBF-421209-002-01]
Briefkorpus

50.)

Mittwochabend, am 9. Dezember 1942.

Herzelein! Schätzelein! Mein allerliebster [Roland]! Du!!

Nun rate mal, Du! Wonach es bei uns riecht heute Abend!

Nach Huschegans [siehe Signatur 421202-2-1] ! Nach Huschegans! Hurra! Sie ist da!!! Heute früh kam die Karte von der Post und ich bin sofort zum Bahnhof gerannt, die heißersehnte in meine Arme zu schließen!! Du! Sie ist also doch noch gekommen, mein [Roland]! Ich hätte beinahe aufgegeben, daran zu glauben. Ulkigerweise hat Mutsch vergangene Nacht geträumt, Du seist auf Urlaub gekommen mit dem Rucksack, und hintendran habe eine graue Gans gehangen mit einem ganz blauen Schnabel! Du! Und so sah sie doch auch wahrhaftig aus! Ich habe doch richtig gelacht, als ich das Päckel heute auspackte und erkannte die Traumgans wieder! 8 ℔ wog das Päckel, und die Gans war noch ungerupft und unausgenommen. Ich hatte Angst, daß sie riechen könnte. Aber nein! Sie war ganz fein erhalten. Als Mutsch heimkam heute Mittag hat sie sich gleich drübergemacht, einen großen Topf voll Federn rupfte sie (ich lege Dir eine bei!), das wird für unseren Buben das Bettt[lein]! Und wenn Du auf Urlaub kommst und nochmal eine mitbringst, dann kann auch unser Maidlein ein Bettchen bekommen! Ja!! Nein, so eine Freude wie wir haben über das Federvieh! Glaubst’s wohl kaum! Sei nur nochmal von ganzen Herzen bedankt, Herzelein! Das Risiko ist geglückt. Sehr fett ist sie nicht – so wie unsre Weihnachtsgans früher immer war – aber sie ist gerade fein; so wie eine größere Ente. Das macht, weil sie eine ausländische ist! Weißt, die Mutsch hat den ganzen Nachmittag mit ihr zugebracht, bis sie von außen und innen sauber war. Die Arme hätte garnichts in den Därmern gehabt und bloß bissel Sand im Magen. Mutsch meinte, sie stamme wohl aus ärmlichen Verhältnissen! Innen hätte sie nicht gut gerochen, aber nachdem sie oft gewaschen wurde und über 1 Stunde an der Luft stand, war sie prima, appetitlich anzuschaun! Nun ist sie schon knusprig gebraten, sie paßt eben in unsre Pfanne rein! Das Gänseklein gibt’s gleich morgen, mit Nudeln! Hm!! Armes Mannerli kannst nun nicht mithalten. Die Mutsch will alles einkochen bis auf die ausgeschälten Knochen. Und will ein Glas aufheben bis Du kommst. Aber ich habe ihrs [sic] ausgeredet; denn schau, so groß ist sie erstens garnicht, die kann man zu vieren auf einmal essen, aber dann bekäme jeder eine große schöne Portion. Und zweitens hast Du sie uns ja aus dem Grunde geschickt, daß wir zum Weihnachtsfest mal richtig feier[tä]glich speisen können, gelt? Bis dahin, wenn Du kommst wird auch wieder Rat, sagte ich. Kriege ich keine in Breitenborn, dann bringst Du eine mit, sie sind doch sicher nicht so sündhaft teuer?!

Gelt Herzelein, da redete ich doch in Deinem Sinne?

Ich will Dir nur mal die Anschrift vom Päckel beilegen, das ist ja auch ein Kunststück, die zu entziffern. Auch bloß mit Stift geschrieben! Vielleicht ist das Päckel schon viel länger da und es war nur der Empfänger nicht gleich ausfindig zu machen? Es hat vielleicht erst jetzt einer die Anschrift entziffern können! Na,'s [sic] ist nun egal, sie ist da! Wir freuen uns riesig! Die lieben Eltern sagen tausend Dank und frohe Grüße! Was mögen die lieben Kamenzer denn gesagt haben? Der Mutter ist sie am Ende auch gegen ihr Programm ins Haus geschneit; denn heute sind bei Elfriede 9 Tage um und sie wird entlassen, wenn alles gut ablief. Und da will doch Mutter in Bischofswerda sein. Bin ja neugierig, was sie uns schreiben werden. Da hat sich halt Tante Gretchen plagen müssen. Viel Arbeit ist’s, ehe so ein Tier bratfertig ist, aber die Mühe macht man sich gerne! Da können wir aber heuer schöne Feiertage halten.

Weißt, die Breitenborner C.s haben mir auch geantwortet, daß ich vor Weihnachten nochmal runterkommen könnte. Am 12. Dezember [hat] Frl. Ilse Hochzeit! Der Bräutigam ist aus Rußland gekommen. Den Montag drauf, am 14. will ich also fahren. Mit dem 11:03 [Uhr] Zug und gegen Abend zurück. Malsehn [sic], was sie mir verkaufen. Da muß ich aber auch Onkel Erichs mit besuchen.

Wir haben überhaupt noch viel vor! Mutsch will schon den Kopf verlieren. Aber ich bewahre ruhig Blut! Morgen ist Bescherung im Lazarett. Es wird auch Zeit, die Kinder fragen mich bis aufs Blut, was sie alles schenken können. So ein Drasch! Eine Freude! Heute waren wieder alle aus dem Häusel die Rangen. Aber ich hab sie gerne trotzdem; Kinder sind nun mal lebhaft, besonders wenn irgend etwas Besondres bevorsteht. Ein Bub und ein Mädel sagen ein Gedicht auf. Ganz köstlich! Ich freu mich selber drauf, den armen Verwundeten ein wenig Freude und Frohsein zu bringen. Unsre Bastelsachen sind fertig. Schön ist das Ergebnis, von Kinderhand kann man nicht mehr verlangen.

Heute war ein so frühlingshafter Tag draußen, Sonnenschein und blauer Himmel! Kein bißchen wie Weihnachten. Wenns [sic] morgen nochmal so schön ist, will ich gleich Fenster putzen für das Fest schon. Wir müssen alle Zimmer wieder mal gründlich säubern, auch die Betten frisch machen, Küchenfensterwäsche näht Mutsch noch, für mein Schlafstübel auch und Decken und ein Überhandtuch. Sie will’s wieder mal ganz fein machen. Aber morgen soll auch das ganze Geschirre hinten in unseren Möbeln verstaut werden, das steht im Wohnstübel herum, wie in einem Haus- und Küchengeräte-Geschäft! Um 3 habe ich den Gang mit den Kindern, das wird 1 – 1½ Stunden dauern, denke ich. Freitag wird immer noch reinegemacht, dies mal dauerts [sic] paar Tage, weil sämtliche Ecken drankommen. Sonnabend soll die Küche sauber gemacht werden; Ofen ausputzen und der Dinge mehr.

[Der] 3. Advent wird mir aber nicht verdorben!! Da soll Feiertag sein. Puppen wollen wir auch noch machen! Höre nur mal weiter auf mein vorgenommenes Programm. Montag 14. Breitenborn, Dienstag Anprobe bei der Schneiderin u. Puppenbau wahrscheinlich. Mittwoch Adventsfeier in der Schar. Donnerstag Stollenbacken, Wäsche einweichen. Freitag Waschfest. Sonnabend + Sonntag gibts [sic] da auch noch bissel Arbeit. Und in der letzten Woche wollen wir noch bissel besinnlich das fertigmachen, was übrig blieb! Denn bei allem Programm bleibt ein Rest. Siehste, eben erzähle ich Mutsch von all meinen Vorhaben und schon funkt sie dazwischen! "Du sollst ja erst in der letzten Woche Montags nach Breitenborn", sagt sie. Im Fall ich kriege ein Federvieh! Na meinetwegen, ich füge mich der höheren Instanz! Wirst lachen, Du! Oder auch zanken? Ich bremse schon, wenn’s zu toll wird, Herzelein! Keine Bange!

Ach, nun bin ich ja auch neugierig, ob zu Weihnachten in Bisch. die Taufe stattfindet! Habe doch noch garnicht so ernstlich darangedacht, daß ich Weihnachten nicht werde zuhause sein am Ende! Ach, ich wäre eigentlich viel lieber zuhaus bei den Eltern. Papa hat nur am II. Feiertag frei, sonst Tagdienst. Und zuhaus da kann ich ja auch viel länger und lieber mit meinem Schätzelein zusammensein! Das ist doch dann erst richtig Feiertaghalten, wenn mal nichts mich vom Briefpapier fortdrängt! Du!!!

Hm!! Du hast ja keine Vorstellung wie herrlich die Gans duftet! Herzelein, riech nur mal an den Brief! Wie wir uns alle freuen! Da hat das Mannerli ja wieder mal einen gescheiten Bauch gehabt.

Ach Du! Ich hab Dir ja noch garnichts erzahlt [sic] vom lieben Brief, der heute von Dir ankam! Hast mir doch so viel Freude damit bereitet, Du! Vom Donnerstag dem 3. ist Dein lieber Bote Schätzeli und Du freust Dich doch nun, daß ich unseren Verlobungstag so schön begangen hab mit den Lieben zusammen. Ja Du! Mußte doch auch rennen zur Kirche wie Du, damit ich zur Zeit kam. Ging ja so ein toller Sturm und es trieb mich immer zurück! Aber wir mit unsern Beinern, wir schaffen es schon gelt? Auch wenn wir mal kurze Elle haben. Auch der Bericht, wie Du, Liebster den Verlobungstag begangen hast, ist bei mir. Erzählst mir doch alles so lieb vom Morgen bis zum Abend! Und einen Spaziergang nach dem Carolpark hast Du unternommen, Alles, was Dir begegnete, es wird nun auch vor meinem geistigen Auge Erlebnis. Ach Herzelein, ich sehe Dich nun gehen, so allein in der Fremde, mit einem Herzen voll Sehnsucht, Du!!! Ach Du! Und heimzu stiefelte mein Mannerli durch die Stadt, so raschen weiten Schrittes, als galte es, noch zuhaus eine liebe Adventsüberraschung zu bringen. Ach Geliebter! Wie würden wir wohl diesen Tag begehen zu bringen.

Gutenacht [sic]! Herzliebes Schätzelein! Herzelein! Es ist schon wieder 11 Uhr, bin soo müde Du!!! ganz [sic] allein?! Ja Herzlieb, wie Du es sagst! Die große himmlische Freude müßte anklingen in Wort und Lied und Spiel – und darunter die Liebe, die ein Abglanz ist von der des himmlischen Vaters – unsre Liebe. Oh Du! Wie an allen Festtagen dann werden wir lieb und still beieinandersitzen und in den Glanz des Lichtes blicken – Du!!! Unsres Glückes ganz inne werden! Ach – ganz lieb einander festhalten und umschlingen. Ach Du! Und um die liebe Weihnachtszeit bringt doch das Fraule etwas Feines zu knabbern – Pfefferkuchen und Äpfel und Nüsse und Mandeln und – ach Du! Von allen Dingen will ich doch zuerst ein ganz liebes Küßchen von Dir haben! Du!!! – Ach Herzelein, da lese ich auch von Deiner Klage: "Wie stehe ich armselig da, habe für Dich eine Kleinigkeit für die Lieben garnichts. Du! Wie kannst Du Dir Sorgen machen! Ich habe noch keinen Atemzug daran gedacht, was mir der Weihnachtsmann bringen sollte. Nur eines will ich: Dich beglücken mit all meiner Liebe. Du! Und Du kannst mich am reichsten, glücklichsten machen auch mit all Deiner Liebe! Geliebter! Hab mich ganz lieb nur! Dann bin ich selig froh!

Ach Du! Ich liebe Dich so von Herzen! Bin ganz Deine glückliche [Hilde], Dein!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946