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[OBF-421209-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 9. Dezember 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe [Hilde]!

Du! Ich brauch doch die große Stadt gar nicht mit ihren Zerstreuungen – ich habe doch jeden Abend viel Lieberes vor! Ach Du! Lieberes finde ich doch nicht. Und Wichtigeres nicht, als einen Boten auf den Weg zu bringen zu meinem Herzensschatz – auf den Weg zu meinem Herzlieb! – ach ja, Gottlob!, es gibt noch einen Weg - und wenn ich den nicht täglich benutzte, dann hätte ich doch keine Ruhe. Ach Herzelein! Die Brücke unsrer Liebe! Du weißt mich an diesem Ende stehen in treuer Wacht, in lauterer Liebe – und am anderen Ende stehst Du nicht anders – unsre Brücke steht – und hält, so Gott es segnet – Du! Du!!!

Herzelein! Du bist so lieb, sooooo lieb wieder zu mir gekommen! Ich möcht Dir ja so von Herzen danken! Hast mich doch so reich beglückt! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Muß mich zuerst gleich einmal entschuldigen. Hab doch gedacht, mein Schätzelein hätte mich ganz hinter die Möbel verschoben, weil 2 Tage kein Bote gekommen ist. Hast mir geschrieben Dienstag vor Deiner Reise. Donnerstag bist nach Kamenz gefahren – und vom Freitag erhielt ich einen Boten aus Kamenz. Heute ist nun einer vom Donnerstag, d.19. Okt Nov angekommen, den Du in Dresden in den Kasten stecktest. So ist es leicht möglich, daß nun auch noch der Mittwochbote aussteht, weil Du gar nicht erwähnst, daß Du mir nicht geschrieben hast. Wahrscheinlich steht darin auch etwas von meinen Speckpäckchen. Einmal erst habe ich geschickt, aber Ihr habt Euch nicht gezuckt. Ja, die Post zu mir ist immer so pünktlich gegangen, daß ich die Lücke eher Dir zugedacht hätte als ihr – Du, das böse Mannerli, gelt?! – aber nun weist es sich anders aus. Darfst dein Mannerli zur Strafe mal am Barte zupfen! Daß solche Mißverständnisse aber gar nicht mehr aufkommen, werden wir mal w[ie]der numerieren, [sic] ja? – Hier kann ich gleich noch etwas zur Gänsegeschichte sagen: Die Gans kommt bestimmt noch an – die Transporte nach Deutschland gehen nämlich furchtbar schleppend, das haben wir jetzt in Erfahrung gebracht.

Schätzelein, Herzlieb mein! 3 liebe Boten sind gekommen: der Nachzügler aus Dresden, und Deine Boten vom Freitag und Sonnabend. Mein Herzensschätzelein steckt wieder einmal richtig Schlange in den Geschäften seines reichen Alltages, eines drängt das andere – weiter, nur weiter – und ich weiß, es wird Dir manchmal zu viel, Du verlierst dabei manchmal schon die eigene Freiheit – sei auf der Hut! – sei klug, Herzelein!, sei nicht nur gut! Wenn man die Unfreiheit fühlt, ist es schon zu spät! Denk auch an Dich! Laß Dich nicht abdrängen von Deinen Vorhaben! Laß Dich nicht so ganz in Beschlag nehmen.

Reich ist Dein Tag, viel reicher als der meine hier. Und ich wünschte mir den meinen gar nicht reicher, hier nicht, oder reicher wenigstens nicht auf Kosten meiner freien Zeit, die ich Dir widmen kann. Ich möcht Dich doch gern auch an meiner Tätigkeit ein klein wenig teilnehmen lassen. Aber wovon sollte ich Dir berichten? Es ist ein Einerlei, diese Geschäfte; ein wenig interessanter nur dort, wo es mich nichts angeht – nämlich beim Inhalt des Geschreibes, aber nicht interessanter und bewegter als das Örtliche im Bukarester Tageblatt.

Wirst fragen, worum das Geschreibe immer geht.

1) Um Wirtschaftliches. Die Soldaten müssen ja vepflegt [sic] werden auch mit frischen Dingen. Das gibt es dann Verhandlungen mit den rumänischen Stellen. Ähnliche Verhandlungen drehen sich um den Wehrsold, den wir doch in Landeswährung bezahlt bekommen, um Häusermieten, um Reparaturarbeiten und die dazu nötigen Stoffe und Mittel. Um jeden Lei wird geschrieben.

Dann 2.) um Militärisches. Die delikateren Sachen laufen ja geheim. Aber kannst Dir denken, daß mit dem Zusammengehen mit den Rumänen manche Frage geklärt werden muß. Es gibt auch Reiberein [sic]. Ein ganzer Schriftwechsel dreht sich um den Schiffsverkehr auf der Donau - ein andrer um den Schiffsbau in rumänischen Häfen, der unter deutscher Mitarbeit steht. Ein besonderes Gebiet machen die Transportfragen aus, ein anderes die Fragen der Erdölgeschäfte. Was allein für Papier verschrieben wird um Kraftwagenunfälle. Ist nicht getan damit, daß einer einen Wagen zum Teufel fährt und sich dabei womöglich selber auswischt. Da gibt es eine Gerichtsakte und -verhandlung um die Schuldfrage. Da sind womöglich Rumänen drein verwickelt, die Schadenersatzansprüche stellen usw. usw. Meist habe ich gar nicht Zeit, mir all das auch nur ein wenig genauer anzusehen. Aber einen kleinen Einblick gewinnt man in die Kleinigkeiten, in die Tücken, in die Lager dieser Kriegsmaschine Diese [sic] Maschine läuft nicht reibungslos. Eine Menge Kraft geht verloren, weil die Menschen nicht alle zuverlässig mitarbeiten.

Mit viel lebendigeren Dingen geht mein liebes Weiberl um – mit Buben und Mädeln – ich freu mich drum. Ich sehe nur schwarz: hast hinter den Buben drein gewiß das ga[nz]e Treppenhaus scheuern müssen! Ich hätte mich auf die Hinterbeine gestellt, so Hals über Kopf zwei Feierlichkeiten ausstatten, zumal die eine gar nicht von Wichtigkeit ist. Wenn die Frauen Lichtlabend halten wollen, dann sollen sie mal gefälligst selber dekorieren, dazu ist die Kinderschar bestimmt nicht gedacht.

Nun weiß ich Dich wenigstens heute abend wieder daheim. Glaubst, daß ich drum froh bin – und daß ich Dich gar nicht gern ziehen lasse zu solch öffentlichem Dienst? Warum? Weil mir mein Schätzelein zu lieb ist dazu, zu teuer und wert – weil solch öffentlicher Dienst einer Frau nicht gemäß ist – ich empfinde so. Wo der Mann steht in seinem Beruf, da beherrscht ihn die Sachlichkeit – die Frau trägt überall mit ihr Empfinden — steht sie lange in dem Beruf, so legt sie es ab und wird unweiblich – oder sie bewahrt ihr Empfinden und hat es dann schwer in ihrer Stellung, und wird sich nie ganz wohl fühlen können darin aus einem zarten Schamgefühl darüber, so schutztos [sic] mit ihrem Empfinden und weiblichen Wesen zu stehen und gehen. Der öffentliche Dienst gibt das Weib in gewissem Sinne preis und macht es schutzlos. Ich ließe Dich nimmer Schaffnerin oder dergleichen sein. Herzelein, kannst Du mir das nachempfinden? Kannst Du es mitempfinden? Verstehst Du mich darin? So, wie man junge Mädchen kaum allein ausgehen sieht, sondern mit den Eltern, mit der Freundin – so gehört doch auch zur Frau der Mann, auf den ihr Empfinden sich richtet, und bei dem es Schutz und Anhalt findet. Das Weib braucht einen Anhalt, weibliches Wesen und Empfinden will am Manne ranken, bedarf der Schutzes – es ist so – ich empfinde es so. Und wenn die Not und der Brauch jetzt tausendfach es anders zeigen, so beweist das nichts gegen dieses Empfinden und gegen diese Tatsache. Soll denn dieser Bahnhofsdienst jetzt so oft sein? – Ach Herzelein! Das mußte ich jetzt auf meinem Mittagspaziergang ^einmal denken.

Deine lieben Boten haben doch vie [sic] frohere Gedanken und lauter Herzensfreude aufgeweckt. Du hast mich so lieb, sooo lieb, sooo unsagbar lieb! Und willst mir alles zuliebe tun – und könntest um diese Liebe alles tun – oh Herzelein, ich weiß es – ich fühle es. Du wirst mich nimmermehr lassen. Und meine Liebe ist Dir der Quell aller Freude, aller Kraft – des Lebens selber – ach Du, so wie mir Deine Liebe, Deine Liebe! – dieses Lebens Halt und Wert [u]nd Sinn — oh Geliebte, wo wäre er anders noch – in dieser wirren, irren Welt?

Oh, wie so lieb hast Du mich! Suchst mich, suchst mein Herze, um das Liebste mir zu bringen, Dein höchstes letzes [sic] Vertrauen mir auszubreiten – Dich mir selber zu bringen – oh Herzelein! Ich weiß es doch so glücklich, sooo glücklich, daß ich Deines Herzens Vertrauter bin, Dein Geliebter – daß ich an Dir das liebste Weib gewann! Oh Du, Du!!! Du hast mich lieb! Hast mich lieb!!! Hast mich so lieb, wie kein Menschenkind mich je wieder lieb gewinnen wird. Und ich lieb Dich doch wieder so – Du! Du!!!

Du! Nun ist doch der Pfefferkuchenreiter wieder bei mir – hat sein Fraule aufgeladen – und ist so schnell geritten! – Du, ob den beiden nicht der Werteste ein bissel schmerzt – ach Du, das beneidenswerte Mannerli – heute abend bekommt es bei mir Herberge, darf unter meinem Kopfbettlein ruhen – und morgen darf es wieder zu Dir reiten – oh, zu Dir! wie gerne wollt ich mitreiten! ach – und wenn ich laufen müßte, und noch heute Nacht wollt ich mich aufmachen! Du! Du!!! Ist doch nun gar kein Pfeffermannerli mehr bloß – ach herzliebes Schätzelein! Ist doch ein Geheimbote – und ich sitze doch gar nicht in der Geheimregistratur – oh ja doch! – sind doch Nachrichten, sind doch Wellen, die verstehen nur zwei, die rühren nur an die Tiefe zweier Herzen in der ganzen Welt – oh Herzelein! und mein Herze ist doch nur empfänglich für Deine Liebe. So — nun mag nur das Kalendermannerli wieder eine Weile sich trollen und mein Herzlieb zufrieden lassen. Hat Dir diesmal besonders hartnäckig mit gespielt – so soll er Dich nicht beherrschen und mit Dir um – springen dürfen, wenn ich bei Dir bin – gelt? Geliebte!!!

Geheimregistratur – da fällt es mir ein – gestern habe ich mit Kamerad H. gesprochen – er rief mich an, war nur recht leise zu hören, aber ich erkannte seine Stimme – und unsre Freude war groß. Denk nur, diese Woche muß er ziehen, nach Rußland, Nikolagew. Na, ist noch nicht so weit drin, noch nicht aus der Welt. Es geht ihm gut. Will morgen noch einmal zu ihm zurückrufen.

Herzensschätzlein – jetzt sag ich Dir erst mal Gutnacht [sic]. Auf Wiedersehen sag ich Dir erst morgen früh – behalt Deine liebe Hand in der meinen – Du!!! Will noch das Pferdl versorgen – und dann noch einmal Deine lieben Boten sehen, zum viertenmale [sic] wohl – und dann mich niederlegen – kommst mit? Kommst in meinen Traum? Oh komm, oh komm! Ich hab Dich so lieb, sooo lieb! Gut Nacht – gut Nacht – Schätzelein – siehst mich noch – steck mich ganz tief in mein Bettlein – findest mich gar nicht? Wolltest mich denn finden? – Du! Du!!! Das Mündelein? Oder das ganze Mannerli? – Oder das Beinl – ach, das sucht doch das Mannerli – Du! Du!!! Herzelein! Herzallerliebste mein! Gut [sic] Nacht! Gut [sic] Nacht!

Behüt Dich Gott!

Ob es biegen will oder brechen, jetzt füll ich aber erst meinen Bogen. Ach Du, nicht aus Langeweile. Ich hätt Dir vielleicht noch mehr Liebes zu schreiben – und zu sagen und lieb zu sein zu Dir – dazu langt der Bogen doch überhaupt nicht – ach Geliebte, dazu brauch ich doch mein ganzes langes Leben. 12 Uhr ist es auf meiner Uhr. Bei Dir ist es ein Stündchen früher noch am Tage. Wirst am Herde schaffen? Was kochst wohl Feines? Bei uns gibt es heute Graupen mit Schweinefleisch. Na, der Zusatz macht den Mund wieder etwas schmäler – wird schon schmecken. Graupen ist mein Futter gerade nicht. Ja, und nun muß ich das Pferdchen wieder zäumen für den weiten Ritt in die Heimat – in die Heimat. Dem Pferdlein wird das Nachtlager gefallen haben unter meinem Kopfbettlein – hat doch gut nach Stroh geduftet. Ob es den beiden Reitern gefallen hat – weiß nicht – wenn es Liebsleute sind, die fragen meist nicht, ob Stroh oder Heu oder Gänsefedern – gelt? Ach Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! So [sic] behüt Dich nun Gott auf allen Wegen! Geliebte! Meine [Hilde]! Mein liebes, liebes Weib! Mein Ein und Alles – Du — mein Sonnenschein!

Mein Weggefährte, mit dem ich alles teilen will und muß – ach, Du! Geliebtes Weib! Herzlieb mein! Mit dem ich auch der Liebe ganze Seligkeit erleben will! Nur mit Dir will ich sie erleben! Nur mit Dir! Nur mit Dir will ich ganz eins sein! Oh Du! Ich liebe Dich! Und ich sehne mich nach Dir! Und ich bleibe Dir! Dein Ureigen!

Wie viel Küßchen magst Du denn? Überleg Dir’s gut! Sag nicht zu viel - sonst bleibt es nicht beim Küssen – Du! Du!!! Du!!!! !!!!! !!!

Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli.

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946