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[OBF-421208-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 8. Dezember 1942

Herzallerliebste mein! Meine [Hilde]! Mein liebes, teures Weib:

Nun muß ich bei Dir einkehren – Geliebte! Geliebte!! Jeden Tag bei Dir einkehren, Herzelein, in Deiner Liebe – Dich liebhaben – und mich liebhaben lassen – oh Du! So jetzt schon in der Zeit unsrer Trennung, wie dann später auch. Ach Herzelein, jeden Tag müssen wir doch einander liebhaben, jeden Tag. Ach Du! Kannst Du mich denn immer liebhaben? Ach Schätzelein! Wie eine Mutter ihr Kind liebhaben muß – noch dann, wenn sie ihm böse zürnt, so wie sie es nicht verstoßen kann, selbst dann nicht, wenn sie nur Trübes mit ihren Kindern erlebt – so wie sie ihr Kind liebhaben muß aus einem inneren Zwange, aus rätselhafter Liebe – so müssen wir doch einander lieb haben und liebbehalten – ach Du! so muß ich Dich liebhaben als mein liebstes Eigen, wie mich selber und noch vielmehr, Du! Du!!! Du!!!!!

Ach Herzelein! Wie ein ausgestoßenes ausgesetztes Kindlein wäre ich, wenn Du mich aus Deiner Liebe tätest – fände mich gar nimmer zurecht in dieser Welt – Du! Du!!! Ach Du behältst mich lieb! Du behältst mich ganz lieb! Und ich berge mich in Deiner Liebe, ich hänge mich an Dich wie ein Kind, daß Du mich liebhaben mußt! Ach Herzelein! Was red ich da – Du! Du!!! Weil ich Dich so lieb habe – und weil ich so glücklich bin, daß Du zu mir gekommen bist in Deinem lieben Boten. Oh Geliebte! Geliebte! Wenn Du es schauen könntest, wie es dann aufleuchtet in meinem Herzen, wie das Gold Deiner Herzensliebe dann so glückhaft und warm mich durchflutet und die Sonne Deiner Liebe mich erwärmt – von Dir kommt mir alle Sonne, alles Glück, Geliebte! Wie Du, so muß ich mich doch sehnen nach Deinem lieben Boten, ach Herzelein! nach Deiner Stimme, nach Deinem Vertrauen, nach Deiner Liebe. Jeden Tag will sie neu schenken, will sie beschenkt sein – jeden Tag will sie fluten, will sie weben – unsre Liebe!

Ach Herzelein! Nun sagst Du es mir wieder, daß Du mich liebhast – liebhaben – liebhaben – oh Schätzelein! Herzelein – Geliebte! – Du und ich, wir können nicht mehr leben ohne Liebe – wir wollen lieben; mit unsrer Liebe etwas ganz, ganz einnehmen; mit unsrer Liebe ganz ein Herze [sic] durchdringen und durchsonnen, ganz ein Herze [sic] damit ausfüllen – und wollen geliebt sein, wollen ganz tief in einem Herzen ruhen und uns bergen – oh Du! so kann ich nur Dich noch lieben! – so kannst nur Du mich lieben! Ach Du! Fragst, ob ich froh bin und glücklich noch in Deiner Liebe – ach Herzallerliebste – mehr noch: ich kann nicht mehr leben ohne Deine Liebe!!! Ach Du — ob Du wohl denkst: das sagt nun ein erwachsener, gereifter Mann – ein Mann! Oh Geliebte! Du!

Ich schäme mich nicht vor Dir – ich schäme mich nicht meiner Liebe zu Dir – vor Dir. Und mit meiner Liebe trete ich vor Dich nicht nur als Mann, sondern auch mit meinem Herzen, mit meiner Seele, in der unsre Liebe doch ihren Grund hat. Ach Herzlieb! Die Seelen sind nicht geschieden in Mann und Frau – Seelen sind arm und reich, sind gut und böse – Seelen sind wie die Sterne Lichter in dunkler Nacht, Flammen im kalten Weltenraum – und Liebende sind Seelen, sind Flammen, die sich gesellen, damit sie nicht vergehen im Weltenraum, daß die große Dunkelheit das Licht nicht verschlingt, daß die große Kälte die Flamme nicht verlöscht.

Oh Herzelein! Der Zug der Seelen durch das gewaltige All – siehst Du den Zug? Da schreitet so mancher Mensch, der großes vorstellt, mit einer armen Seele – eine  mancher mit blutendem Herzen, von dem es niemand geglaubt hätte – da ist Reichtum, wo man ihn kaum vermutete – und da gehen so viele Seelen einsam, betrübt, ungeliebt. Und zwei schaue ich, ob gut und reich, Gott wird es wägen – aber so glücklich, sooo glücklich haben sie sich zu einandergesellt! [sic] Oh Geliebte mein! Und weißt Du, wo dieser Zug, der unsichtbare, aber doch wirkliche, ganz sichtbar wird? In der andächtigen Gemeinde, die unter Gott sich stellt. Da ist nicht mehr Mann und Weib und Kind, da ist nicht mehr Bettler und König – da sind nur die Seelen. Und da schaue ich die beiden wieder – unzertrennlich unlöslich verbunden!!! Oh Geliebte! Komm, komm – der Zug geht weiter, wir müssen mitziehen – halt Dich an mich! ich halt mich an Dich! – Damit wir uns nicht verlieren – oh komm, komm – schmieg Dich an mich – wie lieb ich Dich! wie lieb ich Dich! Geliebte Seele! Meine [Hilde]! Meine liebe [Hilde]!!!

Ach Herzelein! Wie sichtbar hatte ich heute an Deiner Liebe wieder zu tragen! Du! Du!!! Zwei liebe, liebe Päckel sind wieder gekommen – vier sind nun schon da! Fehlt nur noch das rotbeschriftete, Du!!!

Ach Herzelein, Du! Wie froh bin ich heimgegangen, so reich beschenkt. Ein Päckel mit einem Spitzbauchel – wird wohl ein Bub drinsein – und eins mit dem Rundbauchl, ein Mädel drin – ach, dummes Zeug (hat’s doch von Dir gelernt!) – lauter feine Weihnachtssachen. Habe sie doch zu Hause aufgeschnürt und mal geguckt – und vom Pfefferkuchen einmal genascht – aber sonst gar nichts ausgepackt. Habe die Päckchen gleich in den Seesack gesteckt und hole sie erst am Weihnachtstage wieder heraus. Ach Geliebte! Du kannst so lieb schenken – und ich lasse mich von Dir beschenken – von Dir am allerliebsten – Du! Du!!! Du bist so reich! Geliebte!

Ich kann Dir nur einen Boten schicken – und Du wirst ihn lieb aufnehmen – ach Du! Du!!!

Schätzelein! Heute hat doch die liebe Sonne geschienen – und heimische Westluft wehte wieder. Ach, wie froh ist man, wenn die Sonne scheint – wie unterliegt man jetzt viel mehr den Stimmungen des Wetters! Ich bin wieder spazieren gewesen – ich rede und denke doch dann nur immer zu Dir – hörst es denn gar nicht? Ach Herzensschätzelein, Geliebte Du, meine [Hilde]! Möcht es Dir doch auch einmal selber sagen, wie lieb, wie sooo lieb ich Dich habe – Du! Du!!! – Oh Du! Du!!! Möchte Dir mein Glück zeigen und strahlen – ach Geliebte! Du! Solltest es schauen wieder – wie ich zu Dir komme – so gern – so lieb – wie gern ich bei Dir einkehre, mich sehne nach Dir – eins zu sein mit Dir!!! Oh Herzallerliebste! Von diesem Sehnen kann nichts mich abziehen! Ich hör nur Dein Rufen! Ich seh nur Dein geliebtes Bild! Nur Deine Liebe dringt zu meinem Herzen! Ich bin ganz Dein! Immer und ewig, auch in der Ferne, auch in der Trennung. Und Dir ergeht es nicht anders – ich weiß es. Du! Ich will Dich doch ganz für mich haben? Oh Herzelein! Welch anspruchsvoller, welch großer Wunsch, Wunsch innigsten Liebens – Du erfüllst ihn mir! Ach Du! Du! Du!!! Und ich erfüll ihn Dir! Oh Herzallerliebste! So aus glücklichen Herzens Freiheit! Aus der Liebe Drange! Ich liebe Dich, ganz allein nur Dich! Du! Du!!! Bist meines Herzens Königin – ganz unbestritten – ach Du, wer wollte Dir den Thron streitig machen!

In Deinem lieben Boten kündest mir Deine lieben Überraschungen an – Herzelein! Aber nicht lieber kannst Du zu mir kommen als mit Deinem Wunsche, daß Du wieder einmal ein paar Tage so ganz allein mit mir sein möchtest. Ach Du! Du!!! Schenke Gott uns doch recht bald das Glück gemeinsamen Lebens! in dem wir beide erst rechte Erfüllung erfinden, in der der Strom unsrer Liebe dann erst ungehemmt fließen kann! O Du! Du! Dann sollst Du gar nimmer warten müssen! gar nimmer warten müssen – geliebtes Weib! Dann wird unsre Liebe weben dürfen – ach Du, das ganze liebe Nestlein wird sie füllen müssen – daß mein Herzlieb ganz lieb umhüllt und gebettet darinnen ist – einspinnen will ich es – und ein Löchlein laß ich aber noch, daß ich zu Dir kommen kann – ach, wirst mich ja auch einspinnen wollen, liebes Spinnlein – wirst denn das Mannerli festhalten können? Deinen Sonnenstrahl? Schließ ihn nur ein ins liebe Gefängnis Deiner Blumensonne – dann muß er bei Dir bleiben auch in der Nacht! Du!!! Herzelein! Das böse Kalendermannerli läßt Dich so warten. Ni[mm] Dich nur recht in acht – und wenn Du Dich nicht wohl fühlst – schon Dich rücksichtslos! Herzelein! mir zuliebe! Folge mir! Gib Dich in meine Liebe!

Nun behüt Dich Gott! Herzensschätzelein! Wirst nun heimkehren von Deinem Dienst – wie sonst nur das Mannerli vom Dienst heimkehrt – der böse Krieg vertauscht doch alle Rollen – holt das Weib vom schützenden Herd und stellt es in die Öffentlichkeit – ach Du? Kehrst Du wohl auch so gern heim – so gerne heim wie Dein Mannerli Dir heimkehrt? – ach Du! Du! Du!!! Behalt mich lieb! Bleib mir! Bleib in meiner Liebe! Bleib meine [Hilde]! Du! Du!!! Bleib es so – wie Du es mir bist! – Ich glaube doch an Deine Liebe!

Bin in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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