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[OBF-421207-002-01]
Briefkorpus

47.)

Am 2. Adventsonntag 1942.

Geliebtes teures Herz! Mein lieber, liebster [Roland]!

Nun wird es aber höchste Zeit, daß ich mich zu Dir setze, Du! Es hat mich doch schon paarmal [sic] geschluckt, das wirst Du doch sein, der ans Telefon kommt! Du! Bei Dir ist die Uhr ja schon 9 [Uhr] vorbei, wirst vielleicht noch beim Heimdenken sein mein Liebes, gelt?

½ 9 [Uhr] wird es gleich sein. Wir sind eben fertig mit dem Abendbrot. Papa war bei seiner Mutter und hat sich ein bissel verspätet.

Wir haben doch unterdessen wieder 2 Puppen zugeschnitten, die wir selbst fertigen wollen. Eine nach Glauchau, eine nach Kamenz, die lieben Eltern werden lachen! Aber sie mögen sie dann der Elfriede ihrem Nikolaus geben. Nikolaus … ich kann mich schwer an den Namen gewöhnen. Du? Ach, wie mag er ausschauen, der kleine Wicht? Heute ist er schon eine Woche alt! Nun ist die Elfriede nie mehr allein.

Ja, Puppen zugeschnitten haben wir und dann den Schrank in [meinem] Schlafstübel abgeräumt und die Ecke hinterm Sofa. Wir wollen doch nun alles hinter schaffen zu den Möbeln. Ach Du! Da haben wir beide uns doch wieder erst mal all die schönen Dinge besehn. Eine Menge schöner Sachen habe ich doch verstaut gehabt! Es scheint nun, da alles im Zimmer aufgestellt ist, fast unmöglich, daß wir das alles drüben im Stübel verstaut hatten. Du würdest ja staunen Herzelein, könntest Du das sehen! Soviel Freude habe ich daran! Und da kamen doch auch all die schönen Geschenke wieder hervor von den Verwandten allen. Du! So lieb haben sie mitgeholfen uns beiden eine nette Wirtschaft zu schaffen, woran wir ein Lebenlang unsre Freude haben sollen. Wann, wann werden wir erst von alledem mal Gebrauch machen können! Du!! Alles muß nun vorerst [in] die neue Verbannung! In die dunkle Bodenkammer! Wie Du schon sagst: so ist's grade wie früher in Kindertagen, da die Winterspielsachen auf dem Boden standen und ihrer Stunde wieder harrten, da sie uns mit Freude und Lust erfüllten.

Ach, ich bin so froh, daß ich alles dicht bei mir hab, wenn ich auch noch nicht drinnen schalten und walten kann. Sehen kann ich aber alles zu jeder Zeit! Das alles bedacht ist ein großes Glück! Herzelein! Am Nachmittag war ich um 4 Uhr doch in der Kirche zum Adventsingen. Und ich habe es nicht bereut. Erbaulich war die Stunde, hat das Herze froh gemacht und weit für das liebe, nahende Weihnachtsfest. Herr Lehrer F. und Frl. W. waren Solisten. Die Gemeinde war groß! Viele Kinder doch auch dabei. Die lieben Weihnachtslieder erst lassen einem inne werden, welch köstliches Wunder geschehen wird in der Weihenacht. Und wo werden sie heutzutage noch gesungen? Im Rundfunk hörte ich noch kein einziges! Nicht mal in der allsonntäglichen Sendung: das deutsche Volkskonzert! Das ist ein Skandal. Feige scheinen die Leutchen zu sein obendrein. Ich hole mir meine Zither hervor, dann mache ich uns selber liebe Weihnachtsmusik.

Ach Du! Später wird es doch viel, viel schöner sein! Wenn ich mit Dir Weihnachten feiern kann! Ach Herzelein! Und wenn wir auch sollten alle Hände voll zu tun haben im Alltag; Du im Beruf, ich in unserm Hauswesen, unsere Feierstunden behalten wir uns [vor]!! Das wollen wir schon heute uns geloben! Du! Da wollen wir uns wieder ganz innig nah zusammenfinden in solchen Stunden und uns immer wieder aufs neue unsrer großen, wundersamen Liebe erfreuen. Ach, wieviel unendlich Schönes liegt noch vor uns, unerschlossen, Du!!! Wir wollen es miteinander durchstreifen und glücklich wie Kinder [es] erleben, dies Land der großen Wunder und Schönheiten. Du!!! Du mußt mir doch noch so vieles, vieles erschließen, Geliebter! So viel haben wir noch vor beide!! Standen doch eben erst auf der Schwelle zu allem rechten Lebensglück, als die Trennung kam. Ach Du! Nicht traurig daran denken! Wenn Gott uns nur beisteht. Es ist doch ein so wunderbar beglückendes Gefühl, das ganze liebe Leben noch vor sich zu wissen! Und zusammen mit dem geliebtesten Menschen es vor sich noch zu wissen! Oh Du! Mein Herze ist so voller Glück, wenn ich alles bedenke, Geliebter! Das Jetzt, es ist ja nur eine Zwischenstation zu unserm eigentlichen Ziel und Dasein hin. Du weißt es froh mit mir! Und daß trotz allem diese Tage und Wochen, ja – Jahre sinds [sic] schon geworden nicht um sonst [sic] waren, nicht sinnlos verrinnen, ach… das spüren wir doch in unserm Inneren! Du!! Viel inniger hängen wir nur aneinander! Ganz, ganz nahe sind wir einander gekommen, [Du]!! Wir wollen Wartende bleiben! Geliebter! Immer und ewig Wartende! Geliebter!! Ich warte Dein. Du wartest mein!

Und das ist es doch, was unser beider Leben so ganz ausfüllt! Hätten wir unsere Liebe nicht, unser Leben wäre arm und leer, kalt, lieblos, hart. Und wenn unsere Liebe auch Schmerzen bringt! Sie gehört zu mir wie mein Herzschlag! Ich kann ohne sie nicht mehr leben! Geliebter! Du weißt es – Du!!! Was auch kommen mag: ich bin Dein. Ich vertraue Dir. Du! Ich liebe Dich über alles in dieser Welt! Über alles! Und es könnte sich gleich alles gegen Dich stellen, ich halte zu Dir in allen Zeiten! Ich bin Dein! Ich liebe Dich!!!!!

Schätzelein! Heute nach dem Mittagessen, wir haben erst alles fein ordentlich gemacht um uns her, da hielten wir doch alle 3 Mittagstündchen [sic]! Auch ich! Mit Mutsch auf einem Sofa! Wir schliefen tatsächlich bis ¼ 4 Uhr! Das hat mir gut getan. Aber viel feiner wär’s ja noch gewesen, hätte ich meine Beiner an die meines Mannerli lehnen können, ach - Dich wieder einmal so ganz nahe bei mir fühlen! Wie viel Glück! Du!!! Ich wäre doch so fein artig gewesen! Bestimmt!! Heute, Du!!! Aber ich fühle mich ganz wohlauf. Herzelein! Sicher, weil Du so lieb dran denken hilfst, das alles bald wieder gut ist, gelt?

Du! Heute mittag gab es doch grüne Klöße, Rotkraut und ½ Huhn! Daß [sic] Papa von Oma mitbrachte am Sonnabend. Sie konnte es ihm ablassen, weil ein oder zwei Gäste verhindert waren zum bestellten Essen zu kommen. Das fanden wir großartig! Wir haben ja heute wieder mal so an Dich gedacht! Immer wenn’s uns besonders gut geht, dann reden wir immer von Dir und wie schön es nun wäre, könntest Du alle die kleinen Freuden, die heute so groß sein können! [sic] mit uns teilen. Aber zum Sattessen ist’s ja beim Mannerli auch. Das ist schon die Hauptsache. Wenns [sic] auch mal nicht so ganz gut schmecken will. Du! Denk nur dann immer daran: wenn erst mein Fraule für mich kocht, dann werde ich für alles entschädigt! Ja? Du!!! Ich will mir meine allergrößte Mühe geben, mein Herzensmannerli zufriedenzustellen! Magst Dir von mir alle nur denkbaren schönen Dinge vorsetzen lassen? Du?!! Mein Wunsch wird dann sein, daß Dirs [sic] so gut schmecken wird daß Du alles mit Haut und Haar aufißt!

Hoffentlich langt auch mein Wirtschaftsgeld dann immer! Ach Du! Ich freue mich doch so sehr darauf, mit Dir alles zu erleben, was zu einem ganzen Leben gehört vom lieben Morgen bis zum Abend. Sei es Arbeit, Sorge, Mühe – Spiel Entspannung, Freude – sei es das Werken allein, sei es dann am Feierabend das Zusammensein mit Dir, Geliebter! In allen Höhen und Tiefen will ich es mit Dir erfühlen, das Leben der Zweisamkeit. Immer wird es uns mit tiefstem Frohsein erfüllen, Du! Weil wir wissen: nun ist unser Leben erfüllt! Nun gab uns Gott für immer zusammen, und nun liegt es an uns, etwas Tüchtiges zu schaffen. Oh Geliebter! Wenn Du erst mit mir gehen kannst! Ich hab Dich so lieb! Sooooooooooooo lieb!!! Du!!!!! Ach, glaube fest mit mir daran, daß Gott uns aus dieser Finsternis dem Lichte zuführen wird. Laß uns geduldig sein! Mit Dir will ich unsrer Stunde harren! Mit Dir! Helfe uns Gott.

Schätzeli! Am Morgen, als ich heimkam aus der Kirche, da lagen doch wieder 2 liebe Boten für mich da! Welche Freude! Ein Nachzügler war dabei, vom 21. November. Aber nun [fehlen] immer noch 2! Sie kommen schon noch. Du! Und ein putziger Bote kam heute mit. Ganz ohne Überschrift! Mannerli! Wo hast Du die gelassen? Ich ersehe ja nun auch nicht, welches Datum der Bote trägt! Kann nur raten. Und rate, daß es der Bote vom 1. Dezember ist, der Poststempel läßt sich zwar auch nicht entziffern, aber dem Briefumschlag nach muß es einer Deiner letzten Boten sein, denn es ist so ein bräunlicher wie seine Vorgänger.

Es wird so sein: Du hast schon in der Dienststelle angefangen zu schreiben und bist entweder zuhaus in dem Wahn gewesen, das Geschriebene steckt schon im Umschlag - oder hast Du es in der Dienststelle liegen lassen und vergessen mit abzuschicken. Ich denke, im nächsten Briefe kommt das fehlende Stück mit!

Du! Es gehört doch nur mir allein! Du wirst’s doch niemanden anders geben! Was Du mir schreibst in dem Boten? Daß Du ohne Mühe heute allein fertig geworden seist, es machte Dir ein wenig mehr Spaß, wenn Du alles allein über hast. Nanu? Ist da einer in Urlaub? Na ich werd’s schon noch erfahren, das fehlende Stück!

"Von Elfriede erhielt ich gestern einen langen Brief.“

“Der Postbote ist heute überhaupt nicht gekommen, das erste Mal seit ich hier bin. Der Zug hat 3 – 4 Stunden Verspätung."

Besinnst Dich, welchen Tag es so war, an demselben Tag schriebst Du mir, ohne Anrede. Du! Ich bin richtig bissel fassungslos!

Hast Du mich am Ende nicht mehr lieb? Du!!! Ach Liebster! Das kann nie und nimmer geschehn, Du!

Und ich wüßte nicht, was dann aus mir würde, hättest Du mich eines Tages nicht mehr lieb. Du!!! Du!!! Geliebter!! Mein!!!

Schätzelein! Von den Mobeln [sic] bei B.s schreibst auch und findest es recht, daß ich Druck dahinter machte. Es war auch ein seltenes Glück, [da]ß er am 30. Okt November kam, der Spediteur; denn seitdem war kein schöner Tag wieder, der so einen Möbeltransport erlaubt hätte. Immer Schnee oder Regen. Wir dürfen von Glück sagen!

Mutter Sch., genannt Huscheltante, der alte Umstandskasten, schrieb mir heute, daß es ihr auch am liebsten sei, wenn ich mal hinkäme! Bis zum Frühling mag sie warten.

Auf unser Fragen, ob Du nicht Orgelspielen kannst, antwortest Du mir nun auch. Ja, wenn die Dinge so liegen! Schade. Du hättest Dich sicher bald wieder eingeübt.

Was Euer Pfarrer verkündete, vonwegen [sic] auf Beschluß des Landeskonsistoriums alle christlichen Frauenvereine aufzulösen – ach das hat schon seine Richtigkeit! Dieses Beispiel für die Übung der Toleranz bekamen wir im Reich schon viel länger. Darum die Umbenennung: „christlicher Frauendienst”, völlige Unabhängigkeit, keine Mitgliedschaft. Das hat unser "Deutscher Christ" schon vor einem Jahre umgemodelt. Ach, wenn man auch der Kirche ein Einflußgebiet nach dem andern nimmt. Sie wird bestehen trotzdem! Es ist ein Häuflein, das Treue und wahren Glauben ohne jeden Nebengedanken erfüllt, und das Häuflein wird zum Haufen anwachsen! Verlaß sich drauf. Es wird der Tag kommen, wo man erkennt, wohinaus das Gegensätzliche will. Dieser Krieg rückt so manches ins rechte Licht. Ich fürchte für unseren Glauben nicht. Wenn diese Bewegung auch alle Macht an sich gerissen hat, sei es im ehrlichen oder unehrlichen Kampfe. Gott läßt sich nicht spotten und verhöhnen. Zur rechter [sic] Zeit wird er einen Strich ziehen. Das soll unser Trost sein. Unsre Haltung aber bleibt die gleiche nach wie vor.

Hierin können wir eben nicht mit.

Herzelein! Ich habe in meinem bescheidenen Dasein kaum Gelegenheit meine Einstellung zu betonen und zu behaupten. Wo es aber doch der Fall ist, dann tue ichs [sic] auch ganz entschieden. Und es ist mir auch noch keiner nahe getreten darob.

Es ist schon so: eine gewisse Scheu und vielleicht Ehrfurcht hält die Personen aus anderen Kreisen davon ab, zu schmähen.

Währenddessen man in der großen Welt entweder hinterlistiger Feigheit begegnet, oder ganz dreister Raffinesse. Der Gegner wittert die große Macht und Stärke, die vom Glauben ausgeht und will ihn uns nehmen, um uns ganz zum Werkzeug zu machen wahnwitziger Ideen und was weiß ich noch. -

Es ist noch nicht aller Tage Abend.

Liebster! Ich hatte schon bemerkt, daß einige Male Deine Zeitungsausschnitte fehlten, es ist recht wenn Du nur lesenswerte Dinge schickst. Es ist erschreckend, wie man da die Kinder aussetzt. Aber diese Erscheinung ist ebenso wie die Dieberei ein Zeichen der Armut, die da herrscht.

Und wie Du bemerkst, Zeichen der sozialen Ungerechtigkeit und Mißstände in diesem Lande. –

Ich freue mich mit Dir nun nachträglich Geliebter, daß Du den schönen Hausmusikabend erlebt hast. Läßt mich an allem so lieb teilhaben, ich danke Dir recht sehr! Müßtest viel öfter mal gehen können zu einem guten Konzert. Sagst mir aber, wie ungünstig alles liegt. Die Spielzeiten und der Dienst lassen sich eben nicht immer vereinbaren. Von deinem Prof. S. hörte ich schon. Ja, der Kantor in Wüstenbrand hieß auch so, er muß auch noch da sein, will mich mal befragen. Waren wir nicht mal zum Kantate-Singen da, als Du noch unser Kantor warst,? [sic] doch G. war schon da? Nein, das war wohl in Reichenbrandt. Ich weiß nimmer. Ist zu lang schon. Ach, so viel erzählst mir doch in dem Nachzüglerboten, Du! Ich werde Dir können garnicht alles beantworten, Du! Es ist schon 10 Uhr, vorbei, die Mutsch drängt zu Bette!! Sie liest in einem Buche, das ich von Frau C. lieh, "die Kindlmutter”. Und ich muß morgen früh fein ausgeschlafen sein, Schätzeli! Hab doch etwas Wichtiges vor! Ich erzähl Dirs [sic] schon noch. Ach Du!!! Du!!! Ich muß Dich so liebhaben! Weißt? Morgen reden wir weiter miteinander, ja? Ich nehm Dich jetzt mit in mein Bettlein Du! Als Wärmfläschel! Mußt aber ganz artig sein!! Ja!! Ach Schätzeli! Sag wieviele sind denn schon in Urlaub gerollt?! Weißt Du es schon?! Ich denke ja schon jetzt dran, Du! Du!! Geliebter!

Ach Schätzelein! Meine ganze Freude, Du! Mein Sonnenschein! All mein Glück!

Ich liebe Dich! Dich allein! Oh Gott im Himmel, behüte mein Liebstes!

Mein [Roland]! Gutenacht [sic]! Ich küsse Dich lieb! Immer Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946