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[OBF-421207-001-02]
Briefkorpus

Montag, den 7. Dezember 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Ganz frei bin ich nun – frei für mein Herzelein.

Keine andre Schreibschuld heute. Gestern schrieb ich noch den Eltern nach Kamenz. Damit ich es nicht vergesse: Gestern sind 2 Pakete, die Stollenpakete angekommen. Es stand auf keinem geschrieben: Pschscht! Weihnachtsmann – und so habe ich aufgeschnürt. Habe doch nun 8 Pfund Stollen daliegen. Und etwas muß ich Dir gestehen, Schätzelein, sag es bloß weiter, wenn Du denkst, daß die Eltern es nicht übel nehmen: Ich hab doch einen Stollen zum 2. Advent schon angeschnitten – und heute ist er ganz aufschnabuliert wurden – ach Du! Ganz prima hat er geschmeckt – einen richtigen Hunger hatte ich auf Gebackenes – und ich habe ganz lieb dabei an Daheim denken müssen. Tausend lieben Dank für Eure süßen Grüße. Wie Ihr nur habt wieder so fein backen können!

Ach Du! Ich hab mich schon beim Heimlaufen auf meine Kaffenstunde [sic] gefreut, auf meinen Adventskaffee – unterwegs habe ich nämlich den bösen Entschluß gefaßt – und bin dann mit einer heimlichen Freude heimgelaufen. Ach, im Kriege verwildern alle Sitten – und nicht einmal das ungeschriebene Gesetz von der Stollenprobe am Heiligabend bleibt davon verschont. Es wäre ja schade, wenn die Stollen vertrockneten. Und geschmeckt hat mir’s, ich glaub, das ist Euch doch die Hauptsache. So nehmt meinen herzlichsten Dank für Eure liebe, süße Gabe!

Ein Nachzügler kam mit dem Dienstagboten, auf den ich schon lange warte. Die Oberschlafmützen in Sofia. Ungefällig obendrein. Haben nun dort eine Kartei von allen Soldaten und eine kleine Anfrage im richtigen Zimmer hätte ihnen Auskunft gegeben. Aber solche, "Kameradschaftlichkeit” begegnet einem überall, auch hier.

Am Sonnabend habe ich auch Heinrich gegrollt. Er ist im Juni zuletzt in Urlaub gewesen. Die Herren hier stellten sich ziemlich spröde an mit dem Urlaub und wollten unseren Plan durchaus nicht annehmen, haben sich hin und her befragt – geklärt ist alles noch nicht. Sie standen auf dem Standpunkt, daß man nur einmal im Jahre auf Urlaub fahren könne. Na, dieser Debatte habe ich zunächst mal weniger bewegt zugehört, denn es ist schon so, es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Heinrich machte in der Urlaubsfrage einen Vorstoß bis zum Admiral. Hat erst wohl für die Allgemeinheit gesprochen und dann seine eigenen, besonderen Gründe vorgetragen (Familie haust evakuiert in Landau). Und nun hat das ja auch den Erfolg gehabt, daß man den Fragen intensiver nachgegangen ist. Für Heinrich ist zudem ein Sonderurlaub von 10 Tagen über Weihnachten herausgekommen. Ich gönne es ihm, er ist ja auch wieder dran.

Aber nun begann er am Sonnabend: „wird sich wohl nun auch Dein Urlaub ein wenig hinausschieben "– und rechnete uns vor. Herzelein! Wenn auch ein Plan schon aufgestellt worden ist, in dem ich meinen Wunsch, zu Deinem Geburtstag daheim zu sein, berücksichtigte, so kann das sich ja noch vielmals ändern. Damit rechne ich sogar und werde dadurch so leicht nicht enttäuscht – aber, daß Heinrich sich hier zum Urlaubspabst aufschwingt, der dabei äußerte, daß er in Urlaubsfragen keine Rücksicht kenne – und daß er in seine Rechnung seinen regulären Urlaub im März od. April(!)stellte  und mich dahinter rangierte, das war mir denn doch zu stark. Und ich habe auch ohne viel Worte zu verstehen gegeben, daß ich meinen bescheidenen Wunsch verteidigen und mein Recht wahren werde! Und wenn ich zur fraglichen Zeit als Konkurrent Heinrichs Urlaub einreichen müßte – wer nicht von selber Rücksicht nehmen kann und auch einen Nachbarwunsch nicht achten, dem muß es eben nachdrücklich begreiflich gemacht werden.

Schätzelein! Wenn ich es nicht schon gewußt hätte, so wäre es mir nun klar geworden, daß Heinrich Kaufmann, Geschäftsmann ist, ziemlich eigennützig und auch berechnend. Ich denke auch an sein verzweigtes Netz der Gefälligkeiten. Er hat in den letzten Wochen eine Menge Barmittel an der Hand gehabt, und hat nicht einmal auch nur eine kleine Summe abgetreten. Aber das stört mich ja nicht. Das ist nun seine Sache. Aber wenn er mir in das Gehege meines guten Rechtes kommt, dann ist es mit der Freundschaft aus. Ja, so werde ich am Ende doch allein feiern müssen. Ach Herzelein! Ich fürcht mich nicht – ich freue mich, ganz in der Stille mit Dir, mit Euch feiern zu können. Und wenn ich viel Gesellschaft hätte, ich wäre ja doch allein in meinen Gedanken, in meinem Herzen – denn ins geliebte Heimatland und in das Land unsrer Liebe kann mir ja doch niemand folgen. Du! Du!!!

Mein Mitarbeiter Z. hat um 14 Tage Nachurlaub nachgesucht und bewilligt erhalten. Sein Vater ist an Leberkrebs todkrank. So bin ich in meinem Büro noch eine gute Zeit allein, für mich Gelegenheit, mich gut einzuarbeiten – und die Zeit wird mir nicht lang – sie wird mir zum Fehlen kommen, denn ich hatte mir allerhand Schreibarbeit vorgenommend. vor Weihnachten.

Heute habe ich während der Dienstzeit kaum aufgesehen. Ein wenig mehr Spaß macht die selbstverantwortliche Arbeit schon. Schätzelein! Ich habe doch vorhin auch einen Nachzügler entdeckt – ein Stück vom Boten von Dienstag, den 1. Dezember. Ich lege ihn bei.

Herzlieb! Gibst Dir nun soviel Mühe und machst Dir Gedanken darum, daß mir das neue Möbel auch gefalle. Sollst Dir keine Gedanken machen. Hast es nur ganz lieb gemeint, und ich glaube, daß Du nicht schlecht gewählt hast. Heute malst mir nun gar die Möbel auf. Der Schreibtisch gefällt mir nicht in seiner Form. Er hat mir zu hohe Beine, zu wenig Fächer ^auch – und geschwungene Beine würden den komischen Eindruck geben, daß der Tisch von der Last der Tafel in den Knien weich geworden wäre. Der Schreibtisch wirkt überhaupt wie ein Damenschreibtisch. Hast vielleicht ein Damenzimmer gekauft? Na, ich will mir nur alles erst mal selber besehen.

Aber eines: schreib mir bitte die Kontonummern, damit ich Geld anweise. Daß Mutter uns hier vorstreckt. [sic] mag ich nicht. Und wenn wir nun monatlich etwas zur Wirtschaft beisteuern wollen, schaffst es ohnehin nicht allein. Darin mußt Du nun auch zu mir stehen. Wir haben nun unsre eigene Rechnung – nicht mit der lieben Mutsch gegen, oder richtiger für das Mannerli rechnen. Das haben die lieben Eltern nun lange genug getan – und tun es ja noch, gelt, Schätzelein? Du!!!

Im Nachzüglerboten erfahre ich doch Unerfreuliches von den Stiefelein. Weißt, ich denke, die Stiefelein sind ein wenig zu sehr ausgetrocknet. Denn richtig durchlässig können neue Sohlen doch nicht sein, selbst wenn sie dünn sind. Daß sie hätten dicker sein können, habe ich ja selbst schon gesehen. Ja, man kann sich eben sehr leicht verkaufen. Aber daß die Leutchen solide arbeiteten, habe ich mit eigenen Augen gesehen. Na, wenn sich der Schaden nur beheben läßt. Wenn Frieden ist, lassen wir uns miteinander noch ein paar feine bauen gelt? Dann werden wir einander mal auch so einen richtigen Kosakentanz vorführen. Ach Herzensschätzelein! So wie Du mich verwöhnen willst, so möcht ich es auch Dir tun! Möcht Dich immer beschenken mit dem Schönsten, mit dem Kostbarsten, und sollte doch auch immer zugleich unser Eigenstes sein, das andere gar nicht begehrlich macht – nur um einander recht zu erfreuen – ich weiß auch – in welchem Geschenk sich das am besten, am reichsten erfüllt – Du! Du! Du!!!

Morgen abend ist mein Schätzelein nun wieder beim Bahnhofsdienst. Wenn die Mutsch es nicht geschrieben hätte, wüßt ich’s gar nicht, Du!

Nun mag es genug sein für heute. Komm ich doch gar nicht so spät ins Bettlein und kann fein ausgeschlafen morgen wieder zu Dir kommen.

Herzensschätzelein! Behüt Dich Gott! Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Bleib mir froh und gesund! Bleib mir auch gut! Du!!! Ach Herzelein! Ich lebe nur Dir hier in der Fremde! Und Du lebst mir daheim in Liebe und Treue – und so soll es bleiben – und je länger die böse Trennung dauert, desto lieber und treuer und entschiedener wollen wir einander leben – Mein – Dein! Mein Alles, Du!

Mein Leben! Meine [Hilde]!

Ewig

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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