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[OBF-421203-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 3. Dezember 1942

Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Herz!

Dein lieber Sonntagbote ist schon bei mir – und nun weiß ich doch, wie Ihr daheim den Verlobungstag begangen habt. Und ich freue mich so sehr darüber, daß Ihr den Tag nicht außer acht gelassen habt. Die lieben Eltern sogar haben mitgefeiert – eine Flasche Wein hat die Mittagtafel festlich erhöht – und mein Herzlieb hat es sich nicht nehmen lassen, zum Gottesdienst zu gehen, wenn es auch allein gehen mußte. Ach Geliebte! Aus all dem erkenne ich so froh, daß Ihr mich einbezieht in Euer Leben, daß Ihr mich lieb in Eure Mitte nehmt, daß Ihr mich im Herzen immer mitschaut. Oh Herzensschätzelein – ich kann mir anders auch gar nicht denken, so wie Du mich liebhast – wenn es beileibe auch nicht von selbst sich versteht. Ach, und es ist schon auch noch ein Unterschied, ob man eben mal mit einer Geste sich erinnert, oder ob man einen Menschen allgegenwärtig im Herzen trägt.

Oh Geliebte! Du mein einziges Weib! Ich weiß, wie Du mich sooo lieb in Deinem Herzen trägst – so wie Du mir immer gegenwärtig bist in all meinem Leben fern von Dir! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und feinen Kuchen, selbst erfundenen, hat mein liebs Fraule gebacken, zwei gleich – ist ja eine richtige Kirmes gewesen. Und Du hast mein Teil mitgegessen. Will ich auch was davon sehen, wenn ich wiederkomme! Wohin guck ich denn da gleich? – ins verfressne Mündel – denk ich – Du!!! Ach, Du liebes süßes Leckermäulchen – ich will aber mit Dir schlecken dann! – Und mein Bote ist eben zurecht gekommen, der Dir mein Frohsein kunden sollte!

Ach Herzallerliebste mein! Wie glücklich empfinde ich es wieder; wie so lieb wir zusammengehören, wie unsre Herzen zusammenschlagen, wie unser Einssein einer großen Dornenhecke oder einem Schlosse gleich uns umgibt und hegt – wie soviel Eigenes uns eint und aneinander weist und ein Paar, ein rechtes Paar sein läßt!!! Unser Land der Liebe, unser Nest, unsre Herzenstraute – unser Kindlein! Oh Geliebte! Fühlst Du so froh wie ich dieses Eigen, dieses Ureigen dieses köstliche Besitzen?!! Mit D[ir] kann ich es so glücklich erleben!

Geliebte! Und wie konnte es sich am Verlobungstage schöner zeigen als darin, daß wir zum Gotteshaus gingen – Du dort und ich hier, daß wir unsre Liebe vor den brachten, der sie uns schenkte – und dem wir sie weisen?! Wie viel fehlt den Menschen, die diesen Ort nicht wissen – wieviel fehlt ihnen auch am Glücke ihrer Liebe!

Der liebe Pappsch hält es jetzt auch mehr mit der Gemütlichkeit – ins Kino geht er auch jetzt – Du! der lernt noch um – mich soll es nur freuen, wenn wir ihn mitziehen können auf die Sonnenseite des Lebens – ach, diese Sonne strahlt doch aus dem eigenen Herzen – wie wir die Welt anschauen, so schaut sie uns zurück – und wer sie guten, aufgeschlossenen, gläubigen Herzens anschaut, der entdeckt darin soviel Schönheit und Sonne. “Schön ist es überall, wo der Mensch nicht hinkommt” – das zitierte Herr K. oft, und es ist darin manches Wahre – die Natur kann kaum so häßlich sein, wie es der Mensch sein kann. „Die Frauen stricken"– was strickt mein liebs Weiberl denn? Die Strümpel für’s Mannerli werden nun nicht fertig – das ist doch nicht schlimm – aber meinen Wunsch vergesse ich deshalb nicht – und Du vergißt ihn auch nicht, gelt

Daheim weht und schneit es, bis ins Bettlein von meinem lieben Weiberl – ja, so ein kleines Stübel läßt jeden Luftzug spüren. Mach nur ganz fest zu. Halt Dich fein warm! Laß es nur nirgends hereinwehen, nicht ins Mündel, nicht ins Nasel – überall nicht, wo es hereinwehen könnte, Du! Solange das Mannerli nicht daheim ist, mußt Dich ganz fein warm halten – dann – na dann paßt schon das Mannerli mit auf, daß Du nicht frierst, und wenn es das Liebste ganz fest selber zupacken soll!

Im Bahnhofsdienst bist wohl so bald nicht wieder dran!

Die Permett auf dem Kalenderblatt erinnert mich doch an Gedanken, die ich jetzt mittags mal spazieren führte. Ich überdachte, wann ich Weihnachten zuletzt so recht in seines ganzen Innigkeit und in seinem ganzen Zauber erlebt hätte. Und dann weiter, wie wir es uns und unseren Kindern zu einem recht lebendigen Erlebnis werden lassen könnten. Zunächst mal durch eine Festordnung, die allen Festen einen gleichen Rahmen gibt. Ja, und wie schon den Kindern die eigentliche Bedeutung des Festes recht nahe bringen? – Durch eine Krippe, durch eine Pyramide – am besten durch eine selbstgebaute, selbstgefertigte – und sei sie noch so unfertig, wenn nur frommer, gläubiger Sinn dabei am Werke war. Unsre Krippe, unser Christkind, unser Weihnachtsstern – das geht allen Menschen, und auch den Kindern am leichtesten ein – und von da aus finden sie dann auch von selber zu dem weltumspannenden, weltweiten, allmenschlichen Geschehen der Weihnacht.

Ach Herzelein! Da müssen wir doch alle einmal dann miteinander zurate gehen – und wir werden es dann selber ganz miterleben und gläubig es unsern Kindern vorleben. Das Mannerli wird selber noch zum Schnitzmesser greifen müssen – ach Geliebte! Geliebte! Welch fröhliche, selige Weihnacht dann! Sei Gott mit unserem Wollen und Hoffen!

Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Grüß die lieben Eltern recht herzlich!

Und nun leb wohl! Oh Geliebte!

Ich habe Dich so unermeßlich lieb! Du mußt nun mit in meinem Leben sein – läßt Du mich mit in dem Deinen sein – ich mag sonst nichts mehr auf der Welt! Oh Geliebte! Bei Dir sein! Bei Dir! Dieses ganze Leben! Ich bleibe ewig

Dein [Roland]!

Ich küsse Dich vieltausendlieb! Du! Du!!! Herzenskönigin!!!

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Kommentare

Roland hat einen Brief von Hilde bekommen und nun weiß er, wie sie ihren Verlobungstag gefeiert haben: mit einer Flasche Wein zum Mittagessen und mit ihren Eltern. Sie war genau wie er in der Kirche, nur sie in O. und er in Bukarest, um ihrem Gott für das Geschenk der Liebe zu danken, was sie erleben dürfen. – Der liebe Pappsch liebt jetzt mehr die Gemütlichkeit und geht auch mit ins Kino. Er lernt noch um auf die Sonnenseiten des Lebens. – Roland denkt sich aus, wie sie ihren Kindern das Weihnachtsfest nahebringen könnten: durch eine selbstgebaute Krippe.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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