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[OBF-421202-002-01]
Briefkorpus

43.) 

Mittwochabend, am 2. Dezember 1942.

Herzensschätzelin! Mein liebster [Roland]!

Ich bin recht müde heute Abend, aber ich kann nicht ins Bettlein gehen, ehe ich nicht bei Dir war, Du! Die Kinder waren lebhaft heute! So froh war ich, als es 6 Uhr war. Wir haben Tischschmuck für die Frauenschaft gebastelt, die morgen Abend Lichtlabend hält. Und weil es uns die Frauenschaftsleiterin so spät erst sagte, die olle Trine, müssen wir nun morgen Nachmittag bei Hilde L. noch bauen, 12 Mädchen sind als Helferinnen dabei. So lange Ketten fädeln wir an, Strohperlen und Buntpapierschnitzel zwischen alles hübsch bunt aneinandergereiht. Damit garnieren sie die Tische, Tannengrün und einzelne Lichter. Heinzelmänner, die bunt auf Pappe gemalt sind, dienen auch als Tischschmuck. Für den diesjährigen Lazarettbesuch sollen noch kleine Faltkästchen und Körbchen gefertigt werden, das erfahren wir stets 5 Minuten vor der Angst, sonderbar! Man richtet sich doch auf solche Dinge nicht ein, wenn man nicht besonders dazu aufgefordert wird, zumal da es jetzt kaum noch Material zum Basteln gibt. Wir tun, was möglich ist und [nicht] mehr. Am kommenden Dienstag ist voraussichtlich Lazarettbesuch, da bin ich nicht dabei, hab ich ja Bahnhofsdienst.

Eben denke ich daran. Ach mir ist’s egal, fragt sich nur, ob Hilde L. einverstanden ist, mit so einem Haufen Kindern allein zu gehen. Da setze ich mich morgen nun wieder 2, 3 Stunden mit hin, wenn’s gut geht nochmal an einem Nachmittag. Das sind so Freuden einer Kindertante! Ach, ich tät mich freuen drauf, wenn ich nicht den morgigen Nachmittag für etwas viel Wichtigeres schon reserviert [hätte]. Du! Es ist doch heute der 2. Dezember und in 20 Tagen ist ein Fest! Ach Herzelein!! Ich will doch ganz lieb, ganz ungestört Dein denken. Geliebter!! Du!! An Deinen Geburtstagsbrief denke ich!

Die Mutsch sitzt neben mir und strickt so fleißig, die Gute! Ich hab müssen eben anprobieren, die feine Strickjacke. Sie ist fertig bis auf inen [sic] Ärmel, der halbe ist schon da, nur der 1/2 graue Ärmel fehlt noch. Mutsch ist so fleißig, sie denkt ich friere, Du! Die Gute!

Herzelein! Ich bin noch nicht krank heute, dabei ist der 28. Tag. Aber so müde und kaputt fühle ich mich. Und frieren tut’s mich. Ich brauchte doch eine gute Wärmflasche!! Muß die alte kupferne nehmen, meine Gummine löst sich auf, ob sie mir jetzt ein Schnippchen schlägt, weil ich sie stets hinauswarf wenn ich Dich hatte? Ach, ich komme auch ohne sie durch den Winter.

Schätzeli! Was magst Du denn heute treiben? Ich hab lang nichts mehr von Dir gehört! Noch nicht mal die Boten vom Sonnabend und Sonntag vor 8 Tagen hab ich, wenn ich auch noch so, soo viel Liebes hier neben mir liegen habe, so sehne ich mich doch immer ganz sehr nach Dir, Du mein Herzelein! Will doch beständig wissen, ob es Dir noch gut geht, ob Du wohlauf bist. Und ob Du froh bist und ganz glücklich in meiner Liebe! Du!!! Du!!!!!

Ach, Du bist es! Ich fühl’s Geliebter! Sonst wäre ich es ja auch [nicht]. Ach Schätzeli! Hab Dich sooo lieb, wie nichts auf der Welt! Du! Ich möchte Dir’s doch am allerliebsten wieder einmal selbst sagen! Oh, wolltest Du auch Geliebter? 138 Tage sind noch bis zum 19. April! Ich mache ja schon heimliche Striche, seit ich das neue Almanach besitze. Du! Ach, ich darf noch garnicht daran denken, Geliebter!

Erst muß der dicke Winter zurande sein. Von heute Nacht bis in den Nachmittag hinein schneite es doch heute. Es liegt schon viel Schnee! Aber er ist noch nicht haltbar. Wie mags [sic] bei Dir sein? Du hältst Dich doch [fein] warm!! Die Husche ist immer noch nicht da! Ich sorge mich!

Herzlieb! Morgen früh will ich wieder zu Dir kommen. Du! Jetzt laß' Dich küssen und Dir lieb Gutenacht sagen, Du! Ich bin sehr müde. Ach, noch im Einschlafen denke ich Dein! Du! Ich muß Dich doch so sehr liebhaben!

Gott behüte Dich!

Ich bleibe stets Deine [Hilde], Deine glückliche [Hilde]

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Stichworte zum Brief: Hilde bereitet den Lichtlabend mit den Kindern vor und beschwert sich über die Frauenschaftsvorsitzende, die die Termine nicht rechtzeitig setzt ("olle Trine"). Hilde kann selbst an der Vorbereitung des Festes nicht teilnehmen, weil sie Lazarett-/Bahnhofsdienst hat und die Kinder sollen mit Geschenken ins Lazarett gehen. Außerdem fehlt Bastelmaterial. Mutsch bereitet sich durch Stricken auf den strengen Winter vor, während Hilde auf ihre Periode wartet und dies Roland berichtet.

Emilie Sitter

Di., 06.07.2021 - 10:11

Als „Husche“ wird eine Gans bezeichnet. Das Wort ‚Husche‘ für ‚Gans‘ stammt vom tschechischen ‚hus‘ (‚Gans‘) ab. Laut der “Religionsgeschichte, ein Lesebuch für Bürgerschulen” aus 1844 (S. 166) angeblich auf den Ausspruch von Jan Huß vor dessen Verbrennung – “Ihr bratet jetzt eine Gans” – zurückzuführen. In vielen Teilen Deutschlands werde eine Gans daher als ‚Huß‘ und insbesondere in Sachsen eine junge Gans als ‚Husche‘ oder ‚Heusche‘ bezeichnet.

Links zum Verweis für tschechische „hus“:
> https://de.wikipedia.org/wiki/Gans_(Wappentier) <

> https://books.google.at/books?id=F1lUAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de… <

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946