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[OBF-421202-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 2. Dezember 1942.

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Endlich ist der Tisch leer. Endlich das Abendbrot verzehrt – endlich ist nun unsre Stunde, auf die mir der ganze Tag zugeht. Ach, den ganzen Nachmittag schon glühen meine Gesichtsbäckeln – und als nun Deine lieben Boten kamen vom Freitag und Sonnabend, da glühten sie noch einmal so sehr. Ich weiß nicht, was so sie glühen macht – nun ist es lauter Freude und Liebe – zu Dir! zu Dir! Geliebte!!! Bist zu Deinem lieben Freitagboten so lieb und lange zu mir gekommen!

Und das Mannerli hat so lange geschlafen derweil und hat sein Bauchel auch so voll gegessen – Du! da hätten wir doch vielleicht zusammen gar nicht in ein Bettlein gepasst!!! Aber mein Fraule war stärker an jenem Abend und hat geschrieben bis nach Mitternacht. Und ich habe derweil geschlafen – so fest – es will mir gar nicht in den Sinn. „Wo steckst Du denn eben?” – so fragst Du – ganz stille war das Mannerli – und war trotzdem ganz artig und schlief im Bettlein. Hättest Du lange ruhen und suchen können nach Deinem Büberl! Will nur den lieben Boten gleich erst mal zu Worte kommen lassen.

Die Möbel hast nun mit aller Energie heimgeholt – ist wieder ein Schritt vorwärts, so denkt und hofft mann – wenn nur erst mal das Ziel endlich ins Gesicht zkommen wollte! Ich freue mich mit Dir, wenn es nun dasteht in unsrer Regie. Nun kann man es doch endlich mal mit Muße betrachten. Und wenn ich heimkomme, mußt mich gleich mal durch Deine, durch unsre Schätze führen – können wir auch mal was aufbauen – was wollen wir denn zuerst? – Die Bettlein! – Die drücken wir doch am allermeisten in unsrem Leben, die müssen auch am besten passen! gelt? – Ach Herzelein! Du weißt, wie ich an all dem selber interessiert bin und Anteil nehme, mehr vielleicht als manches andre Mannerli – und Du magst es doch gern so? Du!!! Freust Dich gewiß nicht weniger darüber als das Mannerli, wenn Du an seiner Arbeit lieben Anteil nimmst.

Ach Du! Mit Dir will ich doch ein ganz feines, liebes Nestchen bauen – will den Ort, an dem ich das Liebste wohnen weiß, an dem wir einander ganz liebhaben und leben nicht weniger lieb halten! Oh Schätzelein! Wie froh, wie sooo froh werde ich Dir heimkehren immer! Und ganz schnell. Und manchmal wird das Mannerli wie ein Schneemann ankommen, dann mußt mich erst mal abklopfen – und manchmal wie ein Dreckbub. Ja, wenn wir auf dem Lande sein müssen, kauft auch das Mannerli sich ein Paar Stiefel. Du bist doch ein groß liebs [sic] Schafsköpfel: Für das Matschwetter sind die Stieflein doch eben erst recht da! – nicht schonen!– abreißen! – Kriegst doch noch noch mal welche später, zusammen mit dem Mannerli.

Auf das Land träumt sich mein Schätzelein am liebsten – ach, in die große Stadt möcht ich um keinen Preis – und die liebe Gotteswelt möchte auch in der Nähe sein – ach, am liebsten so nahe, daß ich sie täglich mit Dir aufsuchen kann. 'Blumen vor den Fenstern'– aber nicht so, daß man nicht lüften kann – 'in einem kleinen Häusel' – so klein darfs gar nicht sein für zwei so große Leute – mit soviel großen Möbeln – und mit den [Diminutive für Roland und Hilde] – Du!!!

Nun ist der Reitersmann doch schon wieder bei Dir! Er hat’s geschafft. Und nun soll er das Glück haben, noch öfter diese Reise zu machen – als Kurier – "und winken mit dem – Reitersmann – und treten mit Fuß – – –" Ob denn das Mannerli auch recht aufmerkt? – Oh Du! Du!!! Das feinste Ohr – und das schärfste Auge – und das liebste Herze hat das Mannerli doch für Dich, für mein liebes Weib!! Ach Du! Du!!! Dein Rufen und Winken holte das Mannerli doch auch aus der Ferne herbei. Ich hab' Dich doch soo lieb!!!

Siegfried ist nun ein Stück südwärts gerückt, in einen gesegneten Landstrich – es ist nur eben ein Dasein auf ungewisse Zeit, auf Abruf. Augenblicklich hört man nichts von Frankreich – da geht gewiß mancherlei vor, das man uns lieber verschweigt, das nicht in das gewünschte Bild paßt. Wir haben nach wie vor wenig Freunde und Sympathien ringsum – und die 'räuberischen' Angelsachsen deren desto mehr. Der kleine Zeitungsausschnitt, den ich beifüge, zeigt, wie wenig verläßlich auch die Türkei sein kann. Die Beißereien nach den beiden Schw.-Ländern [sic] haben seit der Frankreichgeschichte auch wieder zugenommen. Es soll sich eben niemand mehr seines Friedens freuen.

Schätzelein! Über Geldgeschichten würden wir wohl zuletzt uneins werden. Erstens haben wir gar nicht so viel, daß es sich darüber zu zanken lohnte. Zweitens ist das Geld nichts als ein Mittel in unseren Händen – kein Selbstzweck – und wie alle anderen Mittel es uns sind: ein[e]n der lieber [sic] zu erweisen. Um das Geld mach Dir nur gar keine Gedanken – wenn wir nur einig sind und werden in der Freude an der Neuerwerbung. und daran kann es nicht fehlen nach dem, was Du schreibst.

Am Sonntag bist in Limbach zur Kirche gewesen – hast fast einen ebenso langen Weg gehabt wie das Mannerli. Hattest es auch ein wenig nötig? Ich war doch vorher noch im Dienst. Hat auch ein Fraule neben mir gesessen, hat mir sein Gesangbuch gereicht – war ein Mütterlein schon.

Ach Du! Du!!! Daß mich je ein andres Weibel von Dir wegziehen könnte. Das ist ganz unmöglich, Geliebte! Ich wohne doch in Deinem Herzen und ruhe darin wie das Kindlein im Mutterschoß, so versteckt und heimlich und geborgen und so ganz eins mit Dir – und von Deinem Herzen kommt mir aller Leben – oh Du! Du!!! ich würde mich ja mit allem wehren gegen jedermann, der mich von Deinem Herzen ziehen wollteDu! Du! Du!!! ich bin so ganz, sooo ganz Dein!!! Oh Herzelein! Sooo glücklich in Deinem Herzen. Ich mag nicht mehr scheiden von diesem Herzen – oh Geliebte!!!

Schätzelein! Eben hatte ich mein Schreiben unterbrochen. Ich hörte die Nachrichten vom Deutschlandsender und im Anschluß daran einen Auszug der Mussolinirede vom heutigen Vormittag. Ob Du das wohl auch gehört hast? Es war ganz aufschlußreich. Ich hätte die Churchillrede einmal hören wollen, in der Churchill sich mit Italien ganz besonders befaßt hat.

Wirst nun die Schar wieder einmal hinter Dir haben. Hast mir nichts mehr geschrieben davon, daß Du eine Helferin bekommen hast. Wird nun gleich wieder die Lazarettbescherung dran sein. Wird nicht mehr viel zu bescheren sein. Und die Kinder werden auch lange Hälse machen. Es gibt keine Spielsachen daheim. Und das gehört bei ihnen doch zum Weihnachtsfest.

Herzelein! Geliebte! Bringst mir in Deinem lieben Sonnabendboten so viel liebes Verständnis – und ich bin so froh darüber, daß Du es mitweißt und verstehst und mitträgst – und es ist mir leichter darum – und weil ich Dein liebend verstehend Herze habe, so löst sich doch all das Schwere – ach, ich kann alles vor Dich bringen – alles – was ich früher für mich behalten und allein durchfechten mußte. Oh Geliebte! Das macht mich doch so glücklich, daß ich Dich habe, die mich kennt, die mich ganz aufnimmt in ihr Herze – ach, die nur immer wartet, daß ich dieses Herze immer von neuem fülle, daß ich mich immer von neuem ganz ihr zuwende.

Und das tu ich doch, Geliebte, in unaufhaltsamem Drange – Dir springt der Quell meines Herzens – ob einmal leiser oder einmal ungestümer, aber immer nur Dir mit jedem Tropfen! Oh Du! Du!!! Ich hab mein Herzensweibel so lieb! Ich nehm es ganz in Beschlag! Ich lasse auch nichts übrig von meinem teuren Herzensweib. Und ich mag auch nichts davon abgeben! Ach Herzensschätzelein! Du! Du!!! Bist Du glücklich darum? Ich habe Dich sooo lieb!!!!! Du, ich halt Dich ja so fest! Und das ist mein Glück. Ach Herzelein! Das ist meines Lebens ganze Freude, die alle anderen Freuden weit hinter sich läßt. Und daß Du Dich mir so ganz schenkst, das ist mir das größte, köstlichste Geschenk. Ach Schätzelein! Wenn ich es recht bedenke, dann ist alle Tage Weihnachten bei mir, wenn Du mir Deine Liebe schenkst!

Heut Nacht – ich schreibe jetzt am Morgen zu Ende – warst Du doch im Traum bei mir! Du!!! Ein Schlafkämmerle war’s, und zwei Bettlein standen drin, in dem einen schlief Siegfried in dem andern lag das Mannerli. Und mein Schätzelein saß auf der Stuhllehne neben Siegfrieds Bettlein. Das Mannerli las eine Zeitung und hat da[?]er vor Dir zugewinkt. Und da bist Du doch zu mir gekommen – warst wohl auch im Engelkleidel – ganz leise, und hast noch pschscht gemacht – und dann haben wir zusammen im Bettlein gelegen – und haben uns geküßt! Du!

Heut wird mein Herzelein wohl den Pfefferkuchenreiter auf die Reise schicken müssen! Ein Christröselein will erblühen. Christröselein ist weiß und zart – ob ich auch das Christröselein liebhätte? Ach Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Den ganzen reichen Blütenkranz des Jahres – oh Geliebte! – und dazu den lieben Sonnenstrahl, er wandelt sich doch auch – Du! Du!!! Wärst Du mit mir so ganz glücklich? Oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich habe die Blumen so lieb! Ich habe meine [sic] Herzblümelein so lieb, sooo lieb! Du bist es! Du! Du! Du! Du! Du!!! Ich küsse Dich herzinnig! Oh Du! Meine liebe [Hilde]!

Behüt Dich Gott! Er schenke Dir recht bald wieder volle Gesundheit!

Ich bin immer bei Dir! Bin ganz Dein!

Ewig

Dein [Roland]!

Dein glückliches Mannerli.

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946