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[OBF-421129-002-01]
Briefkorpus

40.) 

Sonntag, am 1. Advent 1942.

Geliebter! Mein lieber allerliebster [Roland]! Herzensmannerli!

Nun laß dich umarmen! Du!! Laß Dich küssen, Geliebter! Ach Du!!! Du!!! Ist doch heute unser Festtag! Ich denke doch schon seit dem frühen Morgen an Dich, Schätzelein! Du mein herzliebes Mannerli! Ach, wenn Du nun heute auch nicht bei mir sein kannst, so weiß ich Dich doch ganz froh und glücklich in Deiner Bleibe. Geliebter!!! Und wie ich heute so ganz froh und glücklich bin, so weiß ich Dich auch, Du! Du hast meine Bilder all bei Dir und ich die Deinen, mein Lieb! Und in Gedanken, da sind wir uns heute so nah – ganz nah! Ich möchte doch gleich hin zu Dir fliegen, Du! Windesschnell! Mit dem Sturm möchte ich eilen, der heute durch die Straßen fegt und dicke, dunkle Schneewolken treibt. Ach, wie traulich ist es da im Stübel. Ob Du es wohl auch schön warm hast und adventlich geschmückt? Dein lieber Montagsbote kam doch heute zu mir, er hat mich doch so herzlich erfreut, Du!!! Soviel Liebes sagt er mir! Ach, bringt mir alle heiße Liebe von Dir, Du! Und nun erfahre ich doch auch, daß Mutters lieber Kranz bei Dir ist. Du hast dann heute den schöneren Schmuck! Wir konnten das Zimmer nur mit Tannenreisern zieren; denn Mutter hat noch kein Grün geschickt. Vielleicht will sie mir selbst einen Kranz winden? Ich würde mich ja so darüber freuen!

Du! Es ist schon so dämmrig im Zimmer, dahei zeigt die Uhr erst ½ 200 [Uhr]. Ich werde bald das Licht anzünden müssen. Das erste Licht! Unser Geselle hält es doch! Kennst Du ihn wohl noch?

Ich hätte Dir ja gerne einen hingeschickt, aber es würde zu schwer [drum]. Du! Denkst Du noch an unser erstes Weihnachten? Ach Du!!! 1938 war es. Du schenktest mir das wunderfeine Armband! Du!!! Und ich wohl die Truhe. Ach, damals schlug unser Herz schon so hoch, in der süßen Ahnung auf kommendes Glück. Oh, Du! Wie herrlich hat sich nun alles erfüllt! Geliebter! Ein Jahr später war ich Deine liebe Braut. Geliebter!! Du mein lieber Bräutigam! Oh Du!!! Sei ganz dankbar mit mir, für soviel gütiges Geschick!

Herzelein! Unsre Ringlein, die Zeichen unsres Einsseins drei Jahre lang tragen wir sie schon an unsrer Hand. Und noch nicht einen Atemzug lang spürten wir diese goldne Fessel drückend!

Oh Du! Du!!! Du!!!!! Ich mag nicht mehr sein ohne Dich! Geliebter! Du! Denkst Du noch an unser Verlobungsfest?

Morgens gingen wir nach Limbach zur Kirche mit Hellmuth und Vater! Auch heute ging ich wieder hin. Ganz allein. Nur Dich im Herzen, Du! Es hat mir so gut gefallen. Ich habe ganz fest an Dich denken müssen, mein [Roland]! Nun ertönt die jubelnde, frohe Weise der Vorfreude auf das Weihnachtsfest in meinem Innern. “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit." Wie froh sang ich es mit der Christengemeinde. Wenn auch bittre Kriegszeit ist, Not und Herzeleid in manchem Hause. Eines hat diese Kriegszeit doch für sich: die Menschen besinnen sich eher als andere Jahre auf den Sinn der Adventszeit; sie werden zur Ruhe, Einkehr und Besinnung angehalten, bereiten sich vor.

In Friedenszeiten verblaßte doch zumeist der Schein der wahren Weihnacht für den Menschen, weil sein Auge nicht selend [sic] war für das Himmelslicht, das uns aufgehen soll, sondern es übersättigte sich an Irdischem, in Prunk und Pracht wurde Weihnachten gefeiert. Und dem Ursprung kam man garnicht nahe.

Wir sagten es schon einmal, liebster [Roland], diese schlimme Kriegszeit wird noch so manches ins rechte Licht rücken! So auch den Glauben. Die Menschen werden gemahnt an das Letzte. Gottvater schickte uns seinen Sohn, daß er uns heimführe zu Gott, daß er uns den Weg weise, hin zum himmlischen Vater.

"Siehe, dein König kommt zu dir, freue dich ….!"

Ach Geliebter! Wie reich sind wir in solchem Glauben! Uns wird [di]e Freudenbotschaft der Weihnacht im Herzen aufgehen wie ein lichter Stern. Dir und mir und allen Gläubigen! Herzelein! Laß uns miteinander vor Gott treten und beten und danken! Herr, du bist so gnadenreich und gütig! Dank sei dir, Dank! Segne und behüte uns vor allem Herzleid! Segne unseren Bund! Und erhalte mir gesund mein Liebstes auf Erden! Amen.

Ach Schätzelein! So froh und dankbar bin ich heute! Und ich fühle es ja so beglückt, daß mir dieses Frohsein von Dir kommt! Und aus unsrer großen, tiefen Liebe heraus die uns verbindet! Geliebter! Wir sind ganz, ganz eins. Mag kommen, was will. Wir stehen treu zueinander in Not und Gefahr, wie in Glück und Freud, oder aber in Herzeleid. Ich liebe Dich! Du!!!

Mein lieber [Roland]! Gegen ½ 11 Uhr kam ich nachhause aus der Kirche. Die Eltern hatten schon alles fein bereitet, sodaß wir den übrigen Sonntag in rechter Muße und Feier verbringen können. Vater hatte das Kellerfenster abgedichtet, es schneit und stürmt kalt, hatte Holz zerkleinert für unser Waschfest in der letzten Adventswoche! Mutsch hatte Sauerkraut eingelegt. Den Braten fertig.

Kalbsniere, Kartoffeln mit Rotkraut und Birnenkompott gabs [sic] doch heute. Und zur Feier des Tages eine Flasche Wein, Liebster! Du hast uns im Bilde zugeschaut!! Auf Dein Wohl stießen wir an, auf den Frieden! Ach, wir haben doch so oft von Dir gesprochen. Du! Ob Du heute auch festlich gespeist hast? Ich denke doch ganz lieb Dein, Schätzeli!

Gestern buk ich ja auch 2 Kuchen! Weil wir nun einmal Vielfraße sind! Und ich muß doch Dein Teil mit essen!! Einen Kuchen aus Roggenmehl mit gekochten Kattoffeln und Marmelade gefüllt. Der schmeckt wie Marzipan – durch das Bittermandelöl Und einen Stollen aus Weizenmehl und rohen, ausgedrückten Karoffeln. Zitronat ist drin, schmeckt auch fein! Schade nur, daß man solchen Kartoffelkuchen nicht verschicken kann. Der Stollen ist so locker wie richtiger Stollen. Den backe ich mal, wenn Du heimkommst, Herzlieb. Ja, jetzt sitzte ich nun bei Dir! Geliebtes Herz! Der Papa hält Mittagsruhe auf dem Sofa. Mutsch strickt. Um 5 Uhr, nach dem Kaffeestündchen wünschen sich die Eltern den Film "Die Entlassung”, ich will mitgehen. Dann am Abend werden wir noch gemütlich beisammen sitzen und der Musik lauschen, wir Frauen stricken, Papa liegt lang und raucht, so langliegen tut er jetzt des öfteren mal. Ich habe das gerne, Mutsch auch. Ach, nun fehlst nur Du noch, dann ist der [K]reis zu! Herzelein! Ach, im Geiste bist ja immer unter uns! Dich können wir ja garnimmer wegdenken aus unsrer Mitte! Und ich Dich im Leben nie mehr von meiner Seite! Oh Du!!!!! Wie ich Dich liebe! Herzensschätzelein! Siehst Du es dann? Ich schreibe schon auf Deinem schönen Papier, sei auch viellieb bedankt dafür. Heute ist es angekommen! Und die braune Schuhcreme mit den Schnürsenkeln! Herzlichen Dank! Sorgst ja für uns wie ein lieber Hausvater. Nun reichen wir eine Weile. Ich schlage Alarm, wenn wieder mal Mangel daran ist, gelt?

Schätzelein! Mir fehlen wieder zwischendrin 2 Boten, Sonnabend und Sonntag. Vom Freitag bekam ich den letzten. Sie kommen gewiß nach. Aber ich warte nur so sehr darauf, weil darinnen etwas stehen muß über das Herrenzimmer, das ich für uns erstand! Bin ja so gespannt, ob sich mein Schätzeli freut, so sehr wie ich! Ach, wenn Du es erst mal gesehen hast, dann ganz bestimmt! Ich war jetzt, am vergangenen Donnerstag einen Sprung bei G.s, die haben ein ähnliches Zimmer. Nur bissel kleiner und nicht so gediegen in der Ausführung. – Ach, mir gefällt es schon sehr, Du! Du! Mannerli! Hilfst meiner Papiernot ab, das ist fein und der Pappsch hat auch gebettelt im Geschäft, er hat paar Stenogrammblocks bekommen. Nun komme ich wieder hin! Ja Du! Viele Tage sind noch bis zum Urlaub! Aber eines Tages ist es doch auch wieder so weit, Du!!! Du! Bis dahin müssen wir einander schon noch paar Meter schreiben! Mir wird ja ganz schwindlig, wie Du mir alles so vorrechnest! Für jeden Brief den Umfang, die Länge, die Zeit. Brrrr! Wenn man sich die Maße immer vor Augen hielt, dann hätte man vielleicht keine Lust zum schreiben, gelt? Viel lieber schreib ich ins Blaue dreinein [sic]! Dann schreibe ich auch gleich mal ‘nen Kilometer!! ohne daß ich es weiß! Ach Du! Denken müssen wir ja noch viel länger und viel öfter, jeden Tag. Das kann man nicht errechnen! Du! Oh mein liebster [Roland]! Wir haben einander so ganz unermeßlich liebgewonnen. Ein Glück hüten wir! Einen Schatz! Und wer wollte dies Glück, diesen Schatz veräußern? An dem unser ganzes Hoffe[n] [Tintenfleck] und Glauben hängt, unser Leben! Erster Liebe Schmerz – und Seligkeit – Seligkeit!!! Du! Nicht einen Tag, nicht eine Stunde unsres Lebens will ich hergeben. Was bedeutet das Gedulden und Entbehren jetzt gegenüber dem Glücke des Besitzes!! Du!!! Ach Du! Du fragst mich, ob ich loswill von Deinem Herzen? Ob ich noch loskann? Du!!! Wer so fragt, der muß seiner Antwort schon ganz gewiß sein! Herzallerliebster!! Mein [Roland]! Mein [Roland]!! Ich will doch noch viel enger mit Deinem Herzen verwachsen. Liebende Herzen durchdringen einander, verwachsen miteinander. Ich bin so ganz erfüllt von Deiner Liebe, von unserem Glück! Diese Liebe ist doch so etwas Lebendiges; sie ist so mein wie Dein! Du! Ich halte Dich ja so fest! Ich kann nicht mehr los von Deinem Herzen! Oh, daß ich Dir Erfüllung sein darf! Erfüllung! Deine Einziggeliebte! Deines Herzes Königin! Ach Du! Du!!! Daß Du nun wie ich den Jubel inniger Liebe erlebst! Mein [Roland]! Mein [Roland]! Du!!! Das Glück, das wir nun halten, es ist das Glück, von dem wir beide träumten, Geliebter! Nach dem wir uns so sehnten, dessen Erfüllung wir doch garnicht zu erhoffen wagten! Ach Du!

Oh Herzlieb! Laß uns Gott danken, daß wie einander fanden! Er wird uns weiterhelfen!

Herzelein! Es schneit und schneit, aus Westen her. Der Schnee fällt auf gefrorenen Boden, er wird liegenbleiben. Und wenn ich abends im Bettlein liege, so muß ich das Rollo herunterlassen, weil sonst immer ein feiner Zug mir um die Nase weht. Und das ist unangenehen. Ach, ich geb schon acht, daß ich mich nicht erkälte, daß ich Dir auch nicht im Bettlein erfriere, Du! Ich habe mich so gut geschützt bis jetzt, daß ich noch nicht einmal einen Schnupfen hatte. Unberufen! Auch im Bahnhofsdienst ziehe ich mich warm an! Wollene Untersachen und eine Strickckjacke drüber, das ist erlaubt. Auch Stiefel sind erlaubt. Es ist scheinbar alles erlaubt, nur den Dienst schwänzen gibt’s nicht!

Ach Du! Wann wird der Wintersmann uns in unser eigenes Heim treiben und verjagen? Oh, da werden wir aber traurig sein, ja? – so allein – und so trübe und dämmrig zuallemeist der Tag. Und von allein wird man garnimmer warm! Oh Herzelein! Ich glaub der Wintersmann ist uns genau so lieb wie der Sommersmann mit seinem Rasenbettlein, Du!! Du!!!!!

Wenn wir uns werden erst für immer haben! Ein ganzes, langes Jahr, dann wird sich doch das Bild erst runden!

Oh! Ob ich es bei Dir aushalte, so lange? Du! Du!!! Ich glaub kaum. Halte mich nur ganz fest, daß ich Dir nicht ausrücken kann!

Oh Herzensmannerli! Bei Dir sein! An Deinem Herzen mich bergen. Höchste Wonne und Seligkeit! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Und nun ade! Du lebst in mir zu allen Stunden immer! Ewig! Ich bin Dein! Du bist mein! Gott segne unsere große Liebe! Ich küsse Dich! Du! Deine glückliche [Hilde]. Dein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946