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[OBF-421126-002-01]
Briefkorpus

37.)

Donnerstag, am 26. November 1942.

Herzallerliebster! Mein Herzelein! Allerliebster [Roland]! Du!!!

Heute ist aber ein trüber Tag draußen. Die Uhr zeigt erst die 3. Nachmittagstunde und man könnte schon Licht anbrennen. Wie mag das Wetter bei Dir sein, mein Lieb? Bald ist ja nun 1. Advent. Und ich denke doch, daß der Mutter lieber Kranz ankommt bis dahin. Ich werde doch auch feiern zuhaus mit den lieben Eltern. Ich warte nur auf Tannenreisig von den [Nordhoff]-Eltern; denn bei uns gibt’s nicht mal ein Zweiglein für die Weihnachtspakete. Bin froh, daß ich mir zu dem Zweck einen Strauß mitgebracht hatte.

Du! Morgen früh soll das 5. und letzte Päckel an Dich abgehen. Ich muß nachher erst nochmal zum Weihnachtsmann springen, ob er nun bald fertig ist mit leimen. Ach Du Schreck, hab ich doch schon etwas verraten! Aber so schlau bist Du doch nicht, um gleich zu erraten, was das ist, gelt? Die 100-Grammschachteln kann ich Dir nun erst schicken, wenn ich wieder eine Zulassungsmarke habe. Sammelst derweile den Inhalt, ja Mannerli? Abgeschickt ist’s dann schnell. Und lange brauchts [sic] auch nicht bis zu mir, geht ja mit der Briefpost. Heute ist kein Brief angekommen. Ich kann auch noch gar keinen brauchen, Du!!! Sonst komme ich zu sehr in Druck.

Wie lustig die Pferdegeschirre draußen bimmeln. Schön klingt das! Das ist immer das untrügliche Zeichen auch, daß nun Winter ist. Ob da bei Dir die Pferde auch im Winter Glockenzeug tragen?

Du! Das erinnert mich so an die Kindertage, wenn ich nicht hinausdurfte [sic] in die Kälte und die Nase an’s Fenster drückte und dem Treiben draußen zusah. Eine Seligkeit für ‘ne Schlittenpartie zu Pferde. Bis auf den heutigen Tag wurde sie mir noch nicht erfüllt. Ach Du! Wenn Du erst wieder bei mir bist, dann wollen wir aber mal so eine Schlittenfahrt unternehmen, ja? Bloß Du und ich – vorn der Kutscher. Ganz dicht werde ich an Dich heranrücken, Schatz! Und froh sein mit Dir! Oh Du! Du!!! Was haben wir doch alles vor!! Im Winter! Im Sommer! Ach – das Jahr wird garnicht ausreichen. Ich freu mich so auf unser Leben! Freu mich unsagbar auf’s Zusammensein mit Dir! Du!!!!! Ach Herrgott im Himmel! Sei uns gnädig! Führe uns zusammen zu gemeinsamer Lebensfahrt! Segne unser Wollen! Amen.

Geliebter! Ach, ich bin doch so von Herzen froh, daß ich Dich so gut [auf]gehoben weiß. Ganz dankbar ermesse ich soviel [sic] Glück.

Du! Hast ein gemütliches Stübel, warm ist es und hell und ein weißes Bettlein steht darin. Alles, was zur täglichen Notdurft gehört, hast Du da beisammen. Wenn man noch nie etwas davon entbehrt hat, schätzt man es vielleicht garnicht hoch genug ein. Aber wir nehmen doch das alles so dankbar hin, Du zumal [Geliebter]. Der Du nun schon viele Stadtionen [sic] durch bist. Immer besser hast Du es getroffen. Ich kann darum im Hinblick auf Weihnachten garnicht so traurig sein, denn nun bin ich gewiß, daß Du ein schönes Fest feiern kannst. Und das Schönste! Du kannst in die Kirche gehn.

Ich denke immer daran, daß mein Mannerli eines Tages sich mal aufmacht, zum dortigen Kantor geht und ihn bittet, ein mal die Orgel schlagen zu dürfen. Du? Hast Du schon daran gedacht? Ich tät mich ganz sehr freuen, wenn er Dich ab und zu in [deiner] Freizeit mal heranließe. Magst Du es nicht mal versuchen? Hast Du Lust? Und Schneid zu fragen? Und wenn Du dann sollst gleich den Kantor machen – oh! Dann komme ich ganz fix hin! Wirst denken: mein Weibel spinnt! Aber, so mußte ich schon oft denken. Ach Du! Dieses Wunschträumen wurzelt doch zutiefst in der Sehnsucht, endlich Dir für immer nahe zu sein. Es ist garnicht absonderlich. Du! Und Du weißt, wie unendlich ich Dich liebe, Du! Ist es da verwunderlich, daß ich die seltsamsten Dinge träume und wünsche, nur um zu Dir zu kommen?! Du!!!

Aber die rauhe Wirklichkeit zerstört die rosigen Bilder. Du mußt noch dienen. Aushalten beim Heer. Und Du würdest auch nicht loskommen, wenn Du Dich da im Auslande irgendwo außerhalb Deines Dienstfaches verdient machtest. Das glaube ich nicht.

Selbst wenn Du nur für die Kriegsdauer im Auslande bleiben würdest. Die Dienststelle gibt Dich sicher nicht zu anderen Zwecken frei. Da fänden sich dann wohl zu viele, die vom Wege abbiegen wollten. Es ist Krieg. Entscheidende, harte Zeit. Und wir Deutsche müssen zusammenstehen, drinnen wie draußen, sonst erreichen wir nichts.

Wir müssen am Ende Sieger sein. Das Gegenteil wäre [unausdenkbar.] Darum braucht die Zeit keine Träumer und Phanthasten [sic].

Zielbewußte, tapfere Männer und Frauen müssen es sein, die für Deutschland gerade stehn. Wir müssen hindurch. Und wir wollen es. Gott wird helfen, das Gute siegen lassen. Und wir dürfen auch den Glauben an das Gute im Volk nicht verlieren, wenn wir jetzt oft auch tausendmal versucht sind, es zu tun.

So viel Opfer und Blut kann nicht umsonst gebracht sein!

So viel Entbehrung und Not kann nicht vergebens erduldet sein!

Gott hat seinen Plan mit uns! Getrost und zuversichtlich gehen wir darum immer wieder vorwärts.

Geliebter! Gib mir Deine Hand, glaube mit mir an das Gute und an ein gnädiges Ende dieses grausamen Kampfes.

Ach Du! Wir fänden nicht Ruhe, wenn wir nicht im Boten einander denken könnten und unsere Liebe bekennen, wenn wir aus dem Zustand der Gegenwart, der Trennung, nicht in die Zukunft schauen könnten, vorausschauen in eine bessere, köstliche Zeit, die Zeit unsres Beisammenseins und Miteinanderlebens. Oh Du! Geliebter mein! Immerzu steht uns das Land der Liebe, das Bild unsrer Welt vor Augen – Ausblick in Freiheit und Glück! In Frieden und Erfüllung!

Herzelein, Du sagst es, was auch mich bewegt: genau so trugen wir einst in uns die Hoffnung auf unsere Liebe und den Glauben an die gute Liebe. Und so tragen wir heute in uns das Bild unsres Lebens – oh Du! und [sic] schenkt Gott uns nur Gesundheit und Leben, wir werden nicht ruhen, bis die Wirklichkeit sich diesem inneren Bilde nähert, bis sie ihm gleicht. Oh Geliebter! In Dir, wie in mir lebt das gleiche Bild, lebt die gleiche Hoffnung, uns beseelt ein Wollen!

Ich bin so glücklich darum! Bin mit Dir sooo glücklich darum! Oh Du Herzelein! Ja, in des Herzens Tiefe, in der Seele selbst fanden wir einander – in unseren Herzen und Wesen ist unsere Liebe verankert – wer wollte sie uns rauben?

Oh Geliebter! Ich bin ganz eins mit Dir! Bin ganz glücklich mit Dir! Und das Bild, daß ich so froh schaue - Sinnbild all unsrer Hoffnung und Sehnsucht und Träume – es ist auch das Deine! – Du!! Mein lieber, lieber [Roland]! Unser Kindlein. Symbol letzten Einsseins, Du!! Innigsten Verschmelzens, Du willst es, mit mir! Oh segne es Gott! Du! Behüt Dich Gott auf allen Wegen, erhalt er Dich gesund an Leib und Seele! Ich bin in ewiger Liebe und Treue ganz die Deine! Du!!! Immer Deine [Hilde], Dein glückliches Weib!

Du!!!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Mein [Roland]! Mein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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