Bitte warten...

[OBF-421126-001-01]
Briefkorpus

Donnerstagabend, den 26. Nov. 1942

Herzensweiberl! Geliebte! Meine liebe [Hilde]!

Schätzelein! So hast Du es wohl noch nicht erlebt wie ich: allein haushalten, Quartier beziehen bei fremden Menschen – für Jahre – an fremdem Orte leben – und dann viel allein sein, des abends. Allein sein – und nebenan oder drunter das Leben einer Familie spüren. Oh, ich will Dich keineswegs aufstacheln, mir das nachzuerleben. Und ich will mich dieses Erlebens keinesfalls rühmen, es ist weder etwas Besonderes noch etwas Schönes. Nein Herzelein, so hole ich nur aus, um nun zu sagen, wie die Erinnerungen an diese Zeit wieder wach werden, nun, da ich so lange entfernt sein muß von Dir – und wie doch gerade diese Erinnerung auch den Unterschied recht bewußt werden läßt von einst und damals nun. Oh Geliebte! Du! Du!!! Du hast mein Leben gewendet und gewandelt zu einem sonnigen, frohen, glücklichen. Und darum halt ich mich an Dich – oh Herzlieb, wie ein Geretteter sich an seinen Retter halten mag – voll Dankbarkeit – ach Geliebte – und viel mehr als Dankbarkeit nur erfüllt mich – oh Geliebte, wie ein Schiffbrüchiger die rettende Planke ergreift – und sie nicht wieder läßt – ach Schätzelein, all die Vergleiche sagen es nicht recht: ich liebe Dich! ich liebe Dich so sehr. O Herzlieb! Und alle Zukunft, alle Freude auf Zukünftiges, auf den Frieden, auf unser Leben dann – sie hängt an Deiner Person – oh Geliebte! Daß Du mit mir gehst, daß Du mich liebhast – das ist ein Glück, eine Freude, die weit, weit vor allen anderen geht, die alles übertönt in Größe und Tiefe und Bedeutung. Oh Herzelein! Die Du, je länger unser Getrenntsein dauert, desto bedeutsamer und wahrer sich abzeichnet. Ein Wert nach dem andern verliert an Bedeutung – was hilft dem Begüterten sein schönes Heim, während er im Schlamme der Gräben steht? Die Erinnerung daran vermöchte ihn nur unzufrieden und unwillig zu machen. Aber die Menschen, die mit ihrer Liebe um uns sind – es sind ja nur wenige – sie werden uns Trost und Halt und Kraft und Wille zum Durchhalten [sic]. Oh Herzallerliebste! wir erleben es an uns täglich aufs neue – und erkennen es ^mit tiefstem Dank, daß uns das Glück unsrer Liebe eben zur rechten Zeit geschenkt wurde. Ach, soviel Sonne ist in unseren Herzen ausgegossen, daß wir das drohende Dunkel um uns ganz vergessen könnten. Rings um uns drohendes, schwarzes Gewölk, wettergeladen – aber über unseren Häupten noch ein Sonnenblick, ein Durchlaß bis zum Himmelsblau, Trost und Frieden verheißend – das wurde uns mit der Liebe geschenkt. Ach Herzelein! Wie stünde ich wohl in diesen Tagen ohne Dich?!! Ach Geliebte! Was ist aller Besitz an geistigen und materiellen Gütern vor dem Wissen um die Liebe eines Menschen? Und was bindet mehr an dieses Leben als der Wille, diesem geliebten Menschen sich zu erhalten, aus Liebe? Als das mächtigste und stärkste Band erweist sie sich in diesen Zeiten.

Herzallerliebste! Dein lieber Sonnabendbote ist bei mir. Er bringt mir soviel Liebe! Ach, mein Lieb will mich überschütten damit, will ganz sich mir verschenken, und will mich beschenken und ist voll Freude liebenden Schenkens. Oh Geliebte! Meine [Hilde]! Du weißt, daß Du mich am liebsten beschenken kannst. Daß Dein Geschenk mich am meisten beglückt – daß es mir das größte und werteste ist, Du!!! Deine Liebe, wie sie sich auch kündet, oh Du! Geliebte! sie ist mir das größte und werteste Geschenk. Du kannst mich am liebsten beschenken! Oh Herzelein! Du kannst mich so reich und glücklich machen!

Und all Deine Liebe ist nun in Deinem Willen, mich zu beschenken. Oh, ich weiß doch, wie sie darin ein kleines Genügen findet, wie sie darin zu einem Leuchten kommt, auch wenn wir einander ferne sind. Wie alles Glück darin liegt, den geliebten Menschen zu beglücken – und wie in allem Schenken wir uns doch selber darbringen. Ach Geliebte! Mich willst Du am liebsten beschenken! Mir hebst Du alle liebsten Geschenke auf. Ach Du! Zum liebsten Beschenken gehört doch auch das höchste Vertrauen, und darum können nur wir einander am liebsten beschenken, darum kann nur zwischen uns tiefste glückliche Freude sein. Ach Du! In das mächtige Gewölbe der Freude, des Glückes, daß wir einander unser Leben weisen, daß wir einander leben – daß wir einander gehören mit Leib und Seele, spannen sich nun die Bogen der anderen Freuden des gemeinsamen Erlebens. Oh Herzallerliebste! Weckst all mein Sehnen wieder, unsre Freude, die Ströme des Glückes zu vereinen – ach Geliebte, die Ungeduld auch, die Freude d[i]e[s]es Schenkens zu ergründen. Über all das aber klingt es doch jubelnd und sieghaft: Du liebst mich! Du liebst mich! Du lebst mir – so wie ich Dir ganz lebe! Du bist glücklich mit mir. O Herzallerliebste! So klingt es doch nun schon immer, seit wir unsre Hände und Herzen für immer zusammenlegten. Und doch ist dieser Klang immer reiner und tiefer geworden – oh Du! Immer lieber haben wir einander gewonnen – oh Herzelein – immer unschätzbarer ist mir Deine Liebe geworden – immer inniger sind unsre Herzen verwachsen. Ach, Du bist ganz, ganz die Meine geworden! Unsre Liebe hat die Herzen immer inniger verschränkt, unser Drängen zueinander uns einander immer näher gebracht – für dieses ganze Leben!

Oh Geliebte! Diesen Schatz trage ich nun immer bei mir – auch hier in fernem Lande. An das Schatzkästlein muß ich denken aus der Zeit des Anfangs unsrer Liebe – ach Du! ein paar Tage hütete ich es ganz heimlich in seiner Hülle, auf dem Boden. Ging ein paarmal am Tage hinauf, mich daran zu freuen, oh Geliebte, nicht nur des Kästchens, sondern der, die es mir schenkte. Und nach ein paar Tagen fand ich den Mut, die Selbstsicherheit, es auf den großen Gabentisch zu stellen. Oh Geliebte! Und gleich einem Schatzkästlein trage ich Deine Liebe bei mir, in mir – in alle Ferne, überall. Mit nichts anderem trage ich mich – alles andere will ich wegwerfen, aber das Schatzkästlein will ich behalten, darum wollte ich kämpfen – es in den Frieden zu retten, darauf ist all mein Sinnen gerichtet.

Oh Geliebte! An diesem Schatz hängt mein Herz – und Gott wird uns gütig und gnädig bleiben trotzdem – ach, ich kann nicht anders, als bis ich ganz bei Dir bin – und dann wollen wir miteinander leben zu Gott hin. Oh Du! Du!!! Geliebte! Mein Schatz!

Mein Alles, Du!!! Ach Du! Was kann ich Dir denn noch Liebes sagen? Daß Du recht es fühlst, wie ich sooo glücklich bin? Oh Herzelein – ich kann es doch nur, weil Deine Liebe in mir ist und wirkt und so ganz lebendig ist. Wenn Du mich nicht so recht liebtest, ich würde es fühlen am Quell meiner Liebe – oh Du! Du!!! Der Strom meiner Liebe erreicht Dich – und beglückt Dich! – und der Deine – er macht mich doch ganz glücklich! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Nun will auch ein Röslein wieder welken – und der Gärtnersmann ist gar nicht da, der leis es löste. Wirst Du an ihn denken? Oh Du! Wird der Gedanke an ihn Dich frohmachen?

Ist es nicht so, daß das dumpfe Leben der Triebe in uns, das in seiner Unbestimmtheit uns soviel Unzufriedenheit und Uneinssein mit uns sich selbst brachte, nun zu einem glücklichen Erleben geworden ist, daß es nun erst Richtung und Sinn erhalten hat? Ein glückhaftes Erleben auch das schmerzliche Sehnen?

Oh Geliebte! Es liegt alles Glück darin, jemandem zu Eigen, zu Ureigen zu sein. Und Du weißt, der Strom meiner Liebe geht zu Dir, jede Welle, jeder Tropfen, ach Herzelein, weil ich Dich so lieb habe, und weil Du in Deiner großen Liebe ganz ihn aufnimmst – glü[ck]lichste Erfüllung!

Ach Du! Ich bin der glücklichste Sonnenstrahl auf Erden – das Blumenwunder, das schönste, des Weibseins erschloß sich mir – oh Du! Geliebte! Geliebte!!! Voller Blumen und Blüten steht diese Welt wie eine große Blumenwiese. Und viele, die meisten, die frei sich darbieten dem Sonnenstrahl, die sich genügen lassen an flüchtigem Kuß und Gruß. Dein Sonnenstrahl suchte doch nach einer ganz eigenen, seltenen Blume, suchte nach einer Blüte, die selber ebenso wartete auf einen eigenen Sonnenstrahl, ach, die sich nicht feilbot am Wege, und die sich nicht begnügte mit einem oberflächligen Bescheinen, sondern die ihren Sonnenstrahl ganz bannen und bis in den Grund ihres Blütenkelches, bis zum Herzen ihres Blumenlebens ziehen wollte.

Oh Herzelein! Ich denke noch an meinen Himmelfahrtsspaziergang, da Du zum ersten Male mit mir gingest. Da fand ich doch solch seltenes Blümlein! Und habe mich daran gefreut – und ging später wieder dahin, es Dir zu pflücken aber das Gras war dann gemäht. Und ich habe mir das kleine Erlebnis gemerkt, weil ich doch, wie nach dem seltenen Blümelein, nach meinem lieben Weibe suchte! — und nun hab ich es doch gefunden!!! Und an jedem neuen Morgen erwacht ein ganz glücklicher Sonnenstrahl – und das ist seines Lebens Sinn und Freude nun: zu seinem Blümelein zu eilen – und bei ihm zu bleiben – bei meinem Herzblümlein! bei dem Blütenwunder – oh Geliebte! Und wir wissen es, ob es denn Sinn hat und ob es Erfüllung ist, wenn Sonnenstrahl und Blümelein sich finden – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und des abends, dann ist sein letzter Gruß auf das Blümelein gerichtet –

Du! Du! Immer nur Du! oh Geliebte! Reichtum, unermeßlicher Reichtum des Liebens! Oh sag, ist es auch so glückvoll, Blümelein zu sein? Dein Sonnenstrahl sein – das ist ein so unermeßlich Glück – Geliebte! Geliebte!!! Oh Du! Ich weiche nicht von Deiner Seite! nicht einen fußbreit, nicht einen Augenblick. Oh Herzelein! Will nur Dich bescheinen und wärmen und beglücken und erfüllen ein ganzes Leben lang – nur Dich! Ich muß Dich sooo ganz liebhaben! Du! Du!!!!!!!!!!!!!

Ob der Gärtnersmann auch sein Schlüsselein nicht verloren hat? — Du, das könnte wohl leicht geschehen, wenn es so wenig gebraucht wird – gut, daß es gleich angewachsen ist.

Ob es denn auch nicht rostet? – Nein, nein – mein Schätzelein hält es doch so fein blank – mit seinem Sehnen und seiner Liebe!!! Ob es denn auch noch paßt? – Du! Das frag nur beim nächsten Wiedersehen! Wo sollt ich denn probieren, wo es doch nur zu einem Gärtlein paßt in dieser Welt! Du! Du!!!!!

Ach Herzelein! Schätzelein! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Behüt Dich Gott! Er behüte Dich auf allen Wegen! Werd mir recht bald wieder ganz gesund. Ich denke immer Dein! in Liebe, und Sehnsucht, möcht bei Dir sein! möcht Dir ganz nahe sein! oh Du! Möcht mein Blümelein bescheinen, möcht es umschließen lieb und lind (das kann der Sonnenstrahl doch wie das Wässerlein), und möcht warten, bis es mich einläßt in seines Herzens Mitte, in seiner Blume Grund – ich liebe Dich! ich küsse Dich vieltausendlieb!

Dein [Roland]!

Dein glückliches Mannerli.

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

Schlagworte