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[OBF-421124-002-01]
Briefkorpus

35.)

Dienstag, am 24. November 1942.

Mein liebes, liebes Herzelein! Mein [Roland]! Mein Herzensmannerli!

Ach, jetzt setz ich mich aber erst mal ganz fest auf meinen Allerwertesten. Immer war was andres los, das geht schon seit früh. Und ich sehne mich doch gerade heute so sehr nach Dir, Geliebter! Ich hätte mich ja heute früh, als Deine 3 so lieben Boten ankamen, am allerliebsten gleich zu Dir gesetzt, sooo lieb mußte ich Dich haben! Sooooo lieb! Ach Du!!!

Wenn Du so lieb zu mir kommst, da fängt es doch da drinnen im Herzen so wundersam zu singen und zu klingen an! Und es drängt mich so ungestüm hin zu Dir Geliebter! Sooo ungestüm! Oh Du!!! Ach, Du hast mich so lieb! Hast mich doch zu lieb! Herzelein! Ich möchte doch abwehrend rufen: Halt ein! Halt ein!

Wenn es nicht so süß, ach – so wunderbar beglückend wäre, sich von Dir geliebt zu wissen. Oh Geliebter! Mein Sonnenschein! Mein Leben - Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Wie es nur kommt, daß immer gleich so viele Briefe auf einmal anlangen? 1, 2 und auch schon 3 Tage sinds [sic] gewesen, da kommt nichts an, und d[a]nn alles zugleich. Die schöne Regelmäßigkeit besteht nicht mehr, mit der ich anfangs Deine Boten erhielt. Ach, es ist nun mal nicht zu ändern. Und ich bin doch glücklich, daß überhaupt so oft Post kommt! Du!!! Ich komme nur nimmer nach mit antworten, Schätzelein! Du bestürmst mich doch mit Deinen lieben Boten! Du! Und dann will ich Dir ja auch alles von mir erzählen! Ach, mußt Dich halt gedulden, ja? Ich will täglich etwas beantworten, so werde ich am Ende gewiß auch mal fertig!

Ich las schon in Deinem Montagboten, daß Dir den Sonntag vorher muß garnicht gut gewesen sein und hab mich gefragt, was das sein könnte. Und nun weiß ichs [sic] doch: der böse Zahn. Das Weisheitszahn, der gescheite. Aber so gescheit war er nun nicht, daß er mein Mannerli in Ruhe ließ! Hoffentlich war er die Wurzel dieses Übels! Sowas, das immer wiederkehrt mit Schmerzen verbunden, das kann einen langsam mürbe machen. So eine komische Sach’, dem Mannerli zieht man den Weisheitszahn und dem Weibel wächst eben wieder einer! Wenn der auch so muckert, dann leide ich ihn nicht lange bei mir.

Du! Hoffentlich kannst Du nun die Weihnachtspfefferkuchen beißen! Die sind nämlich ziemlich hart. Wenn Du die Nüsse geschickt hast, Schätzel, dann backe ich Dir nochmal feine, weichere – es ist ja nicht schlimm, wenn Du sie dann erst nach Weihnachten erhältst, gelt? Heute habe ich Dir wieder ein 4-℔-Päckel abgeschickt. Was? Geheimnis! Weihnachtsmann! Ich denke, daß Du es annehmen wirst.

Aber höre, Herzelein! Eines mußt Du mir versprechen: Darfst die Päckel, die von mir ankommen, erst am Geburtstag, oder Heiligabend öffnen! Eher nicht, sonst zanke ich! Du!!!

5 Päckel werden von uns kommen, zähle nach, damit’s auch sti[mm]t. Ach Schätzeli! Weißt? Eigentlich ist im Moment noch nicht die Stimmung, Weihnachtsbriefe zu schreiben, man steckt noch zu sehr drin im Vorbereitungsdrasch und es ist auch noch eine ganze Weile hin bis zum Fest. Darum habe ich in die Päckchen hinein auch nur Kärtlein geschrieben, keine Briefe. Ich habe die rechte Stimmung noch nicht. Aber die kommt schon noch! Wenn erst die liebe Adventszeit angebrochen ist! Dann stellt sich eines nach dem andern ein: die Freude aufs Fest – wenn Du auch nicht selbst dabei sein kannst – Tannenduft, Lichterglanz, ein Liedel werd ich dann oft singen von der wundersamen Weihenacht. Und die lieben Kinder werden mir das noch ins Herz und Gemüt zaubern, was vielleicht heuer nur schwer aus des Herzens Tiefe hervorbricht, weil doch die Sorge um das Liebste, mehr noch die Sehnsucht da ist. Und das innige Verlangen nach Einssein. Aber der Sinn des Weihnachtsfestes wird uns, die wir glauben, an Gottes Vatergüte, doch auch diesmal wieder, wie jedes Jahr, alle Herzensfröhlichkeit und feste Zuversicht wachrufen! Das Fest der Liebe! Herzelein! Wir kennen die wunderbare Gewalt der Liebe in aller Gestalt. Und wir wissen nicht nur um den köstlichen Schatz unsrer Liebe, wir wissen auch, wieviel Liebe der Vater im Himmel uns schenkt, indem er uns seinen Sohn schenkt! Herzelein!

Das Weihnachtsfest führt uns näher denn alle anderen Feste hin zu Gottes Werken und Wundern! Hin zu seiner unendlichen Güte. Wie liebt er die sündhafte Menschheit, wenn er ihr seinen Sohn gibt! Oh laß uns dieser Gnade uns dankbar erweisen, allezeit! Du!! Geliebter! Der 1. Advent ist nun am Sonntag. Und es jährt sich zum 3. Male unser Verlobungstag. Denkt [sic] Du noch daran? Liebster!! Dem Datum nach ist es der 3. Dezember. Du! Damals standen wir noch am Anfang aller Glückseligkeit. Aber das Ahnen umfing uns doch schon mit soviel Süße und Wonne. Und nun sind wir in allen Dingen so ganz eins geworden! Geliebter! Mein Herz! Eins auch vor Gott und den Menschen. Es hat sich so wunderbar erfüllt, wovon wir träumten! Und was wir als Wunschbild in unseren Herzen trugen! Du bist so ganz mein – ich so ganz Dein! Und ich halte Dich, Du mein Glück! Sooo fest!!!!!

Herrgott im Himmel! Behüte meinen [Roland] vor Not u[n]d Gefahr! Oh schenke ihm Gesundheit! Und Kraft und Geduld, in Liebe und Treue auszuharren, rüste uns aus mit neuem Glauben und Hoffen! Sei uns gnädig! Schenke uns das Wiedersehen! Amen.

Mein [Roland]! Du!!! Einen sehr langen Boten kann ich Dir heute nicht schreiben, es ist schon 6 vorbei am Abend. Papa kommt eben [H]eim, wir wollen dann Abendbrot essen. Und um 8 Uhr ist Dienst beim Dr. H. im Bereitschaftsheim. Ich will hingehen, weil ich Steuern noch schuldig bin und auch das Fahrgeld von gestern zurückbekomme.

Heute früh bin ich zu nichts weiter gekommen, da galt es erst Ordnung zu schaffen in der Wohnung. Essen kochen: Kalbsbraten, Rotkohl mit Kartoffeln. Dann schrieb ich den lieben Kamenzer Eltern einen Brief. Und sofort nach dem Essen, um 1200 [Uhr] bin ich los Mitgliedskarten der Kinder unterschreiben lassen von den Eltern. War ich auf der Nord- [un]d Reinhardstraße und in der Siedlung draußen beim Jahnhaus. Um 100 [Uhr] herum kam ich heim, trocknete Mutsch ab. Packte das Päckchen für Dich. Dann wollte ich zur Post, zum Krämer, zum Milchmann und zu Möbelb.s Ja - Kuchen. Die Frau L. kam. “Wir wollten doch heute um 2 Uhr bei Frau L. [sic] G. den Keller ausräumen!” Da sind Spielsachen für die Schar, Bastelmaterial. Ach!!!! Das hatte ich längst verschwitzt, gut daß sie mich holte, da hätte sie wart[en] können auf mich. In einer guten Stunde war das geschehn, dann verstauten wir alles gleich in die Schränke. Frau L. war nochmal ‘nen Sprung mit bei uns und läßt Dich herzlich grüßen! Weils [sic] so kalt war, kredenzte uns Mutsch einen Punsch. Und da hat Frau L. mit mir Brüderschaft getrunken! Wir hatten einen Spaß, Frau L. war heute so gut aufgelegt. Hat gute Post vom Vati! H. heißt sie, werd' mich erst dran gewöhnen müssen. Sie nennt mich "Große"! Ich freue mich schon, daß sie mich als Duzfreundin mag, es ist immerhin ein schönes Gefühl, wenn man von einer um soviel älteren Person dessen für Wert geschätzt wird. Wir werden uns schon vertragen, denk ich!

Mein liebes Mannerli! Bist mir nicht bös, wenn ich Dir nicht mehr schreibe[!] Morgen will ich wieder länger zu Dir kommen nach der Feier, ach Du! Wenn ich meine eignen 4 Wände hätte, dann tät ich bis zur letzten Minute schreiben. Oder wenn Sommer wär, ging ich ins Stübel hinüber. Du!! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich! Liebe Dich!

Ich bleibe in Liebe und Treue so ganz Deine [Hilde], Deine glückliche [Hilde], Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946