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[OBF-421122-002-01]
Briefkorpus

33.)

Totensonntag, am 22. November 1942. abends.

Herzallerliebster mein! Du mein geliebtes Herzensmannerli! Du! Oh Du!

Endlich bin ich wieder bei Dir. Ach, es hat für mich schier Engelsgeduld gekostet, auszuharren bis zu dieser Stunde. Du!!! Es ist doch schon wieder abends um 6 Uhr und finster schon. Ich sitze beim Lampenschein, Vater ging eben mal zur Großmutter, Mutsch bessert alte Wischtücher aus und flickt ein Kleid. Im Stübel herrscht sommerliche Hitze! Obwohl draußen nun auch Schnee liegt – wie bei Dir – über Nacht. Sehr kalt ist es noch nicht.

Ja, unsre Hitze? Du! Hab doch den ganzen Nachmittag Pfefferkuchen gebacken, drum ist's so warm. Fürs Mannerli doch hauptsächlich, ja!!

Ach Du! Es war ein bewegter Nachmittag, und ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Als der leckere Honigkuchen im Ofen stand, da legte Papa so toll an, daß er ganz verbrannte. Die Mutter hatte heute Nacht von Heidelbeeren geträumt!!! Sie hatte aber nun auch den prophezeiten Ärger. Zuletzt haben wir aber gelacht, weil es so urkomisch war wie Papa und Mutsch sich anfuhren und herausreden wollten! Ich schied aus dabei, weil ich die Hände voll hatte vom meinem Teig kneten. Das Unglück was geschehn, es ließ sich nimmer ändern. Nur schade um die ersparten Zutaten!

Na, einiges war noch zu retten, wir haben das schwarzgebrannte [sic] weg geschnitten. So nett und appetitlich schauen die Schnitten nun freilich nicht aus.

Aber Du sollst trotzdem kosten davon. Die Päckchen müssen nun fort, damit mein Mannerli Weihnachten feiern kann auch mit etwas zu knabbern von zuhaus. Ach Du! Wenn mir keine Grenzen gesetzt wären, viel mehr tät ich Dich noch beschenken, geliebtes Herz!

Ich war doch heute Vormittag in der Kirche bis ¾ 11 Uhr. Es war Totenfest, Heldengedenken und Abendmahlsfeier. Die Kantorei hatte ein reichhaltiges Programm. „Welt ade, ich bin dein müde....." (Kaiserliederbuch) war der Hauptgesang der Sonntages. Die Predigt des Pfarrers hätte können tiefer sein, meines Erachtens. Er hat schon besser gesprochen. Ich glaube er war darum nicht ganz mit dem Herzen dabei, weil seine Frau krank ist.

Sie hat Gallenkolik, ist schwerkrank.

Du bist gewiß auch in der Kirche gewesen heute, mein [Roland] ! Ich habe doch daran gedacht.

Und anschließend erledigte ich einen Gang. Einen liebheimlichen, Du!!! Eine Nebenstelle des Weihnachtmannes suchte ich auf! Und sein Vertreter war zuhaus! Aber morgen früh muß ich nochmal mit dem „Alten" selber reden, daß er meine Wünsche erfüllt; denn es wird höchste Zeit! Ach Du! Ich bin ja so sehr froh Herzelein! Wenn Du Dich auch so freust dann, wenn mir die Bescherung gelingt, bin ich doch ganz froh! Schätzelein!!!

Morgen früh ist mein erster Weg zur Girokasse, das Geld fürs erstandene Herrenzimmer abzuheben und einzuzahlen. Ach mein Mannerli! Ein bissel bang wird mir da wohl sein, so viel Geld! Und es ist doch Deines auch! Du zankst doch nicht?!! Ach Du! Nein, wenn Du das Möbel sehen würdest, gewiß nicht. Es ist doch unser beider Weihnachtsgeschenk, Geliebter! Ein Stück wieder für unser eignes Heim! Du! Ich freue mich ganz sehr darüber! Wenn Du es nur erst selbst mal schauen könntest! Anschließend an den Gang will ich nochmal zu B., ich will nun Gewißheit haben, wann die Möbel kommen. Sonst gehe ich persönlich zu dem Spediteur und befrage mich. Herrn H. muß ich schreiben; denn Frau F. hat gegenüber Deinen Eltern geäußert, daß es ihnen lieber wäre, unsre Matratzen seien fort, die Mäuse liefen so umher in Lichtenhain. und es möchte nichts geschehn damit. Da U.s Platz für uns haben, kann auch alles her. Dem Bahnhofsgehilfen J. aus Schmilka. muß ich auch nochmal Auftrag geben, sonst rückt Mutter Sch. nichts heraus! Ach, ich habe Geschäfte, schlimmer wie ein alter Fernverkehrstransportmensch!! Ist es nicht so? Morgen will ich, ehe mein Bahnhofsdienst beginnt um 1500 [Uhr], in Chemnitz noch mal nachfragen, ob ein Spediteur nach Dresden, Bautzen, oder direkt nach Kamenz. fährt, damit er unser Herrenzimmer mitbringen kann. Der Vater horcht auch herum, denn bei B. in Kamenz., der zwar morgen das Zimmer bei Frl. B. wegholt in sein Möbellager, klappt es momentan nicht mit dem Abtransport. Wie müssen uns nun kümmern hier und dort. Mal wirds [sic] schon klappen. Ach Herzelein! Das hatte ich Dir ja auch noch nicht erzählt, die Dame von der wir unser Zimmer kaufen, die hat vielleicht bald eine Wohnung für uns in ihrem Hause. Was sagst Du? Ein alter Herr, alleinstehend, ist jetzt Mieter. Der würde aber bald sterben! Wie das klingt, nicht wahr? Aber sie hat es Mutter und mir ernstlich angetragen! Und will auch – sofern wir es mögen – mal mit den Eltern einen Mietvertrag abschließen, der schon vom Juli d. Jhrs. lautet. Im Fall, jemand kommt und will auch diese Wohnung dann haben.

Das ist raffinniert [sic], gelt? Aber was sagst Du dazu, Liebes?

Ich und unsre beiden Eltern wären nicht abgeneigt, die Kamenzer schon garnicht! Es fragt sich nur, wann der alte Herr nicht mehr da ist.

Und ob Du gewillt bist, daß wir uns ein Nest nun bauen.

Es sind 3 Zimmer mit Küche und Bad, glaub auch Innenklosett, im Parterre. Aus einem Zimmer gelangt man durch eine Glastür ins Balkonzimmer, so sagte sie mir. Ich habe die Räume noch nicht gesehen. Es sei eine schöne Wohnung. Kostenpunkt 60 ℛℳ!

Na, so schnell schießen die Preußen nicht. Das würden wir uns alles genau besehn. Ach, so abgeneigt wäre ich garnicht, in Kamenz zu wohnen, Du! Man wüßte endlich mal wohin man gehört, ein eignes Dach überm Haupte! Allein mit Dir in unseren eignen vier Wänden! Und Du könntest vielleicht später den Wunsch äußern, nach Kamenz versetzt zu werden, wenn dort unser Heim schon aufgeschlagen ist. Und andrerseits könnte eine Wohnung uns für später als Tauschwohnung von Nutzen sein.

Denke mal nach, Herzelein und sag mir etwas dazu!

Noch ist es ein Wunschträumen. Und ein alter Herr soll darüber sterben.

Das ist mir das hässliche [sic] an der Geschichte. Und doch ist es im Leben so: eines geht, das andre kommt. Was es mit dem Frl. B., der Vermieterin für eine Bewandtnis hat, das möchte ich wissen. Auf Mutter, die sie ja schon länger kennt – wie auf mich hat diese Person keinen schlechten Eindruck gemacht. Sie ist an die 50 Jahre! Noch sehr gut erhalten. Damenschneiderin von Beruf. Ledig. Das heißt, sie war verlobt mit einem geschiedenen Manne, der sie heiraten wollte nun, aber im Juni dieses Jahres gefallen ist. Das Haus hat ihr ein angesehener Kamenzer Baumeister vermacht, dessen Geliebte sie war – so erzählt man! – er sei aber verheiratet gewesen. Und dieses Verhalten trägt man ihr nach bis auf den heutigen Tag in den alteingesessenen Kreisen der Kamenzer. Das hörte ich übrigens gleich heraus beim Spediteure B., der unser Möbel holt, ein feiner alter Herr, daß er auf dieses Frl. B. nicht gut gesinnt ist. Sie ist übrigens schlecht angeschrieben weil sie Tschechin sei: = B.! Mir ist das egal, ihre persönlichen Verhältnisse kümmern mich nicht. Ich habe mit ihr einen reellen Kauf abgeschlossen – basta.

Und das andere, was da an Möglichkeiten sich auftut, das wollen wir dem Geschick überlassen, gelt Schätzelein! Nichts übereilen, hat keinen Zweck. Aussprechen sollst Du Dich nur mal hierüber, damit ich der Mutter nach Kamenz. Deine Meinung mal schreibe oder erzähle, im Falle, die Dame erscheint eines Tages bei den Eltern und will den Mietvertrag machen. Ich muß ja sagen: äußerst nett ist das von ihr, wenn sie uns so entgegenkäme; wo man heute so schwer Wohnung findet.

Daß sie das schöne Herrenzimmer verkauft, das wundert mich sehr. Ich denke, daß sie Geld braucht, weil ja alle die Mietzinssteuer vorausbezahlen müssen. Sie ist zur Hausbesitzerin geworden unverhofft und hat sicher selbst kein Vermögen, um nun den Bestimmungen gerecht zu werden. Ich muß immer daran denken, was diese Frau nun wohl alles durchhat mit ihren 50 Jahren. Einer Frau den Mann genommen, das ist nicht schön. Sie wird wohl nicht glücklich sein in ihrem Besitze, wenn sie sich immer sagen muß: das hast Du zu Unrecht erworben. Und ich kann es den redlichen Bürgern der Stadt nicht verdenken, wenn sie scheel auf sie blicken. Vielleicht kommt sie auch innerlich nicht zur Ruhe, weil sie das Zimmer verkauft, das sie vielleicht am meisten an ihr Unrecht gemahnt, an die Zeit, da der Gatte einer anderen bei ihr aus- und einging? Seltsames Leben. -

Mein geliebtes Mannerli! Nun will ich Dir nur erst mal erzählen noch, wann ich wieder heim bin von Kamenz. Es war zu kurz, der Besuch daheim bei den Lieben. Die Geschäfte hielten uns erstens ganz in Atem, dann hatten die Eltern gerade Karten für den Varietè-Abend. Ich kam doch kaum dazu, Dein zu denken. Der Freitag war wie im Fluge vergangen. Wir hatten ja auch so viel zu erzählen, von Euch Buben allen, von unsrer Friedel! Am Mittwoch, oder eher kommt das Kindlein. Ich denke immer es wird ein Mädchen! Elfriede war so rundlich im Gesicht, das sind so Anzeichen. Auch die Leibesform war so rundlich flach. Bei Müttern, die Buben tragen ist die Form viel spitzer. Und auch die Gesichtszüge sind schärfer geprägt, spitzer. Das ist meine Beobachtung nur! Wollen sehen, ob ich recht habe mit meiner Theorie.

Am Sonnabendfrüh 3/4 8 Uhr fuhr ich wieder heim. Ich löste 2. Klasse, Mannerli! heimzu. Sonnabends ist zu viel Verkehr. Und ich hatte dadurch auch immer fein Sitzplatz. Die Züge fuhren sämtlich mit Verspätung. Ich langte gegen 3 Uhr in Chemnitz an und um 400 [Uhr] konnte ich weiter! Da gab ich schnell mein Köfferle auf und rannte nach der Straßenbahn und ging zum Weihnachtsmann, Herzelein!! Zum Weihnachtsmann! Oh Du! Wenn Du hättest sehen können! Ich glaub, Du hättest es haben wollen und nicht warten wollen bis zum Fest. Du! Ich denke es; denn mir wäre es so ergangen an Deiner Stelle. Ach Du!

Hoffentlich kann ich Dir so viel Freude bereiten damit, soviel wie ich schon darüber habe Schätzelein!

In Dresden hatte ich über 1 Stunde Aufenthalt, da lief ich zu den Buchhandlungen, die ich mit Dir schon aufsuchte. Nichts!

Nur politische Bücher. Kohl alles. Ich war ganz enttäuscht. Ich sagte es den Eltern, was ich für Dich erstehen will von Hans-Joachim Moser. Vater will nun Deinen 2. Band suchen. Es ist jetzt alles zwecklos. Und ich erzählte, was ich für Siegfried für ein Buch erstanden habe, dafür würde er sich nicht interessieren! Nun ärgere ich mich. Es ist aber auch schwer. Vielleicht bekomme ich noch einen netten Unterhaltungsroman und schenke das Zerkaulen-Buch mal einem Konfirmanden zu Ostern, gelt? Ich habe da noch Abfindungsgeschenke zu machen. Heute schrieb Mutter, daß unser Kleiner Nachricht gegeben hat, er sei noch in Europa und wohlauf. Andermal mehr. Ich bin ja neugierig, wo er steckt.

Ja Herzelein! Gestern gegen 5 Uhr kam ich in Oberfrohna an in heftigem Schneetreiben. Am Bahnhof traf ich Sangesschwestern, die sagten mir, daß ½ 8 [Uhr] Hauptprobe sei, da am Donnerstag ausfallen mußte. Daheim lag diese Aufforderung nochmal schriftlich. Ja, denn [sic] bin ich auch hingegangen. Erst gab es doch viel zu erzählen! Ich mußte alles beschreiben! Na, dann waren sie endlich beruhigt. Mutter wäre zu gern mit dabei gewesen, glaubst? Ach, Euch allen gefällt es bestimmt, das neue Zimmer!

Dann mußte ich noch zu meinem Schätzeli kommen in später Stunde. Ach!!! Ich hätte können nicht einschlafen, Du! Zu lieb warst Du zu mir gekommen! Geliebter! Oh laß dich umfangen, lieb, innig und ganz fest! Du!!! Du!!! Du bringst mir doch alles Glück, mein [Roland]! Alles Glück! Du!!! Ach Geliebter! Bis um Mitternacht habe ich wachgelegen im Kämmerle, Deine geliebten Boten bei mir, habe mich immer wieder darein vertieft. Du! Hab mich von Dir beschenken lassen, sooo liebhaben lassen, Geliebter! Ach, Du ahnst ja nicht, wie selig Du mich machst, wie überglücklich, wenn Du so lieb zu mir kommst! Geliebter!! Bringst mir mit Deiner Liebe den Himmel auf Erden! Wie machst Du mich so reich!

Ich kann mir garnicht denken, Geliebter! Daß es je anders zwischen uns werden kann! Du!!! Immer müssen wir so lieb und gut zueinander sein, solang wir leben. Immer lebt Liebe in uns, gute, tiefe und starke Liebe! Wenn auch Sorgen und ernste Zeiten kommen, wir stehen treu zusammen! Mit all unseren Kräften leben wir dieser, unsrer großen Liebe. Geliebter! Oh laß uns Gott recht bitten immer, daß er uns gesund erhalten möchte allezeit, daß wir einander stets aus ganzer ungebrochener Kraft lieben können! Du!! Du! Geliebter! Wenn ich Deine Worte lese, dann ist mir, als wärest Du bei mir, als sprächst Du zu mir. Das sind meine köstlichsten Stunden, wenn ich so ganz allein mit Dir Zwiesprache halte. Ach, wenn dann die Antwort drängt aus mir, auf all Deine lieben Zeilen, wenn ich dann vor lauter Drang und Liebe nicht weiß, wo zuerst beginnen. Ach Geliebter! Dann empfinde ich den Schmerz unsres Getrenntseins. Dann möchte ich vor Ungeduld manchmal rütteln an den unabänderlichen Fesseln. Aber bald legt sich meine Ungeduld. Ich denke an Dich. Du trägst ja das Gleiche mit mir! Und wir müssen einander dieses Dasein leicht machen, wo wir nur können. Und es froh gestalten trotzdem, und es liebenswert machen. Geliebter! Die Liebe treibt uns immer wieder, das rechte [sic] zu tun. Das Beste. Du!!! Heute, wo sich der wilde Sturm der Empfindungen all gelegt hat, da sehe ich doch alles mit ruhigem Herzen und Blick. Es ist und bleibt so: Du dort und ich hier. Geliebter! Heute, in der Kirche, da ward ich der großen, großen Gnade bewußt, die uns noch geschieht bei allem Herzeleid rings, daß wir so oft, so lieb, sooo nahe zueinander täglich noch finden! Geliebter! Andre würden mit Freuden meilenweit voneinander getrennt leben, nur überhaupt noch leben dürfen! Möchten ihr Liebstes noch lebend wissen unter Gottes Sonne! Das müssen wir allezeit voller Demut und Dankbarkeit im Herzen bedenken: Gott bescherte uns ein Schicksal, daß zu ertragen uns immer noch ohne bittren Schmerz war! Geliebter! Abertausende wollten es mit uns teilen, wenn sie ihr Liebstes noch besäßen. Oh – ich bin auch ganz still und bescheiden und dankbar für alles, was Gott uns schickt. Es kann im Krieg nicht leichter sein, das Leben zu Zweien. Und in einem Krieg, wie er heute tobt, erst recht nicht. Wo Deutsche überall in der Welt sitzen, nur nicht in Deutschland. Geliebter! Du sagst mir alle Deine Gedanken zu der neuen Lage. Ich habe sie auch in mir bewegt. Und was das Schlimmste ist dazu: zu denken, dem Feind gelänge sein Plan! Gott möge uns gütig davor bewahren! Und ich bitte Dich, geliebtes Herz! Grüble und sinniere nicht allzu sehr über das alles nach. Wir ändern nichts daran. Wir sollten unser Gemüt nicht zu sehr mit Dingen belasten, die die Härte und Schwere der Zeit noch bedrückender scheinen (läßt.) lassen. Herzelein! Wir wollen viel mehr danach trachten, in unsrer eigenen, viel friedlicheren, glückvolleren Welt ganz einig zu leben, als unsere Kräfte auch nur ein Geringes dieser verderbten Welt zu opfern. Ich weiß, Du verstehst mich schon recht, wie auch ich Dich recht verstehe, wenn Du mir sagst, was Deine Gedanken bewegt zu dem Weltgeschehn. Wir leben doch alle beide im Grunde unsres Wesens viel zu sehr im Banne unsrer Liebe! Und die bestimmt unsre Richtung nach innen und außen hin allein. Wo Liebe lebt, wo Liebe regiert, kann nur Frohsein und Glückseligkeit herrschen! Und wenn die ganze Welt durcheinander gerät: ich bleib ich und Du bleibst Du! Mein! Dein! Ewiglich. Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten....!

Ach mein [Roland]! Was auch kommen mag – ich sagte es wohl schon viele male [sic] und halte fest daran – ich bleibe an Deiner Seite, ich bleibe in Deiner Liebe, bis an mein Ende. Ich kann nicht mehr leben ohne Dich. Ich kann nie mehr glücklich sein ohne Dich! Geliebter! Und ich weiß, so wie wir empfinden, kann nur die Kraft der Liebe in uns wirken. Du!! Urgewalt der Liebe bindet uns aneinander. Fest!! Unlöslich!! Bis der Tod uns scheidet! Und diese frohe, frohe Gewißheit, ach – die läßt mich auch im Herzen ganz zuversichtlich und stark sein all dem, was kommen will gegenüber. Ich bin so ganz eins mit Dir und eins mit Dir vor Gott, im Glauben an ihn. Was braucht es mehr um ohne Furcht dieses Erdendasein zu bestehen? Geliebter! Du bist mir nahe, jeden Augenblick! Ich werde nie mehr einsam sein! Du mußt mir bleiben! Du!! Oh Gott im Himmel! Sieh uns hier stehen! Behüte mein Liebstes! Amen.

Mein Mannerli, Du! Ich freue mich, wenn Du mir immer die Zeitungsausschnitte mitschickst, da kann ich doch alles miterleben, was Dich und B. in Atem hält! Allerhand ist "los", das muß man sagen. Ja, das mag überall so sein in südlichen Breiten. Aber auch auf kulturellem Gebiet, es befleißigt sich der Deutsche, Eindruck zu schinden. Nein, nicht ironisch! Alle Achtung! Ich staune nur über die Durchfürbarkeit [sic] immer wieder, all der Pläne. Meinetwegen, ich lasse mir den Kopf nicht heiß werden darüber. Aber immer wieder freue ich mich, daß ich Dich in B. weiß! Ich freue mich. Es ist eine Stadt, in der sichs [sic] aushalten läßt. Wenn sie Dir tausendmal noch fremd erscheinen mag – gegen den fürchterlichen Osten scheint sie mir wie [da]s Paradies!

Schätzelein! Jetzt ist es ½ 10 Uhr. Ich habe jetzt erst Abendbrot gehalten, ich habe mich doch so ungern stören lassen, Du! Bin ganz wild geworden, als mich die Eltern andauernd aufforderten. Mutsch hat müssen alles fertig machen, ich habe den Tisch nicht geräumt! Heute mag doch meinetwegen das Haus einstürzen, ich weiche nicht von Dir! Du! Ich war ja schon so lange nimmer richtig allein mit Dir beim schreiben [sic]. Die Eltern mögen nur ins Bett gehen, ich bleibe noch! Bleib doch so gerne bei Dir!

Schau! Morgen komme ich vielleicht kaum dazu, Dir zu schreiben. Erst die Geschäfte, dann Essenkochen und ½ 2 Uhr muß ich fahren, zum Bahnhofsdienst. Da komme ich ja nachts erst heim. Dienstag, abends ist ein Vortrag angesetzt vom Oberstabsarzt Dr. H. In die Geschäftsstelle muß ich wegen der 10-Jahresfeier, die am Mittwoch den 25. stattfindet. Zu einigen Eltern muß ich laufen, um die Unterschriften einzuholen für die Anmeldeformulare der Kinder. So hab ich bis Mittwoch Drasch. Und dazwischen sollen auch noch Deine Päckchen zur Post. Immer eins nach dem andern, schön der Reihe nach – nicht drängen, kommt alles dran. Ach Mannerli! So möcht’ ich ja beinahe auch sagen, wenn ich das Bündel Briefe neben mir ansehe, die ich Dir alle beantworten will. Ich werde ja heute im Leben nicht fertig, mit Dir zu plauschen, ach Du!

Oh Herzelein! Ich käm doch am allerliebsten gleich selber zu Dir, um mit Dir wieder einmal ganz lieb und traut zusammenzusein! Du! Heute ist kein Bote gekommen, auch gestern nicht. Und es ist doch gut so, sonst bedrängst Du mich ja zu sehr, Mannerli! Kann doch all Deine Liebe kaum noch fassen! Du! Und doch bin ich so glücklich, wenn Du mich so bedrängst. Ach, es macht ja all mein Glück aus, wenn ich fühle, wie Du mir so innig in Liebe zugetan bist, Du mein Geliebter!

Es wird in unserem Leben immer so sein. Ich weiß es – ich fühle es! Du! Ach Schätzelein! Und wenn sich erst unser heimlicher Wunsch erfüllt haben wird, wenn erst Kindlein unser Dasein mit Lust und Freude erfüllen, ach – Du! Dann sind wir einander nur noch inniger zugetan. Weil liebe, liebe Pflichten uns noch fester aneinanderketten werden. Du! Ich mag so gern vorausdenken. So lieb, so traut schaue ich das Bild! Ach Du! Immer aber sehe ich zuerst Dich, Du mein Geliebter! Dich, meinen geliebten Lebensgefährten. Von dem mir alles Glück dieser Erde kommt, der mir allen Sonnenschein schenkt! Geliebtes Leben, Du! Mit Dir ist soviel [sic] Sonne und Licht in mein Leben getreten, daß ich ganz in Nacht und Finsternis tappte, gingest Du je von mir und ließest mich allein. Du! Das kann nie geschehen. Du bist mein Eigen. Zutiefst! Zuinnerst! Es gibt nichts, das Dich von mir abzöge, Du liebst mich! Du liebst mich von Herzen, oh Du! Und ich will mich immer fester an Dich schmiegen mit aller Liebe. Will in Dich dringen, will Dich ganz durchdringen mit meiner Liebe. Ach Du! So wie es Dich zu mir drängt, so heiß, so inbrünstig, ebenso drängt es mich doch hin zu Dir! Geliebter! Mein [Roland]! Gott segne unser heißes Wollen, er führe uns bald für immer zusammen! Er führe Dich mir froh und gesund zurück, Du mein Geliebter! Möge uns der Herrgott ausrüsten mit immer neuer Kraft und Geduld auszuharren. Amen.

Oh Geliebter! Ich warte Dein! Mit aller Herzenskraft! Ich muß Dein warten, weil ich Dich so liebe – sooo von Herzen liebe. Geliebtes Herz! Mein!!!!! Ich will nun schlafen gehn bin so müde jetzt. Ich nehm Dich mit, Herzelein! Komm! Oh komm! Ganz lieb und innig umschlinge ich Dich! Mein ganzes Glück halte ich umfangen! Dich. Oh Herzensschatz! Behalt Du mich auch ganz lieb! Ich bleibe Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946