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[OBF-421116-002-01]
Briefkorpus

29.)

Montagabend, am 16. November 1942.

Herzallerliebster! Mein liebes, herzliebes Mannerli! Mein [Roland] !

Hast Du ein liederlicher Weibel! Es ist schon 800 [Uhr] abends und da ist es erst aus der Großstadt heimgekommen – gleich zum Montag! – und nun sitzt es doch schon bei Dir und denkt ganz lieb Dein! Ach Du!! Hab doch eben mein einsames Abendbrot verzehrt; denn die Mutsch wird erst mit dem 9-Uhr-Zug kommen, sie weilt bei ihrer Schwester.

Mit Frau L. war ich nun wieder bei den Frauen der Kinderschar. Man hat uns Lieder gelernt, neue Weihnachtslieder und auch vielerlei Bastelanregungen gegeben. Es war ein ausgefüllter Nachmittag. Aber ich kann so nicht mit, wie manche Frauen es tun. Ich muß halt ein bissel meinen eignen Weg gehen, Du weißt schon in welcher Hinsicht! Du! Und es gibt auch Frauen, die sich wirklich ganz und gar für die Kinderschararbeit einsetzen. Was da für schöne Arbeiten gefertigt werden! Wie manche ihre Scharstunden ausfüllen, ach, da bin ich – meiner Ansicht nach – eine ärmliche Person.

Aber wenn ich gleich den Ehrgeiz sich regen fühle, ich kann nich[t] So kann ich mich nicht betätigen, da müßte ich nebenbei garnichts andres zu tun haben. Ach, ich will auch keine Lorbeeren davontragen, ich tu meine Pflicht so gut ich kann und nichts weiter. Wenn diese Arbeit mein Dasein ausfüllen müßte, ja dann würde ich all meine Kräfte daransetzen, befriedigende Arbeit zu leisten und mehr. Aber so ist es ja nicht, Geliebter! Ach — bin ja nur Dein!!!!! Wenn ich auch Kinder so liebhabe, wenn sie meine Lebensaufgabe darstellten, dann kennte mein Eifer keine Grenzen – aber so. [Du]! Du weißt ja, diese Pflicht tu ich ja nur in meiner Wartezeit auf Dich! Sie macht mich froh, aber so wie mich das Einssein mit Dir ausfüllt, Geliebter! So wird sie mich niemals ausfüllen diese Arbeit. Du! Geliebter! Weißt wie mir manchmal zumute ist? Als ob ich ein Dasein mit 2 Gesichtern führte. Das eine im Dienste für andre, [d]as Schattendasein – das andre für Dich allein, Du! das Sonnendasein! Das Leben im Sonnenschein Deiner Liebe – Geliebter!!! Ach, welches ich ersehne mit allen Herzfasern, Du weißt es! Du!!! Und weil ich so getragen mich fühle von unserm Glück, weil ich so ganz von der Hoffnung und festen Gewißheit beseelt bin, daß bald bald der Tag kommt, da alles, alles sich erfüllt ach – darum ertrage ich es doch so ganz geduldig und zufrieden, was nun einmal nicht zu ändern ist, mein [Roland].

Wir müssen noch einsam gehen, so sehr auch das Herz angefüllt ist voll Sehnsucht und Verlangen nacheinander.

Du wartest – ich warte! Wie sehnsüchtig, das wissen wir beide ganz allein nur. Ach Du! Einsam gehen noch? Tun wir das denn wirklich? Ach Du! Sooo tief lebst Du ja in meinem Herzen drinnen, immer - immer! Und ich in Deinem Herzen, Du! So ganz lebendig trage ich Dich stets in mir, wo ich auch gehe und weile. Bist unlöslich mir verbunden, geliebtes Wesen! Mein [Roland]! Und eine kleine Schwäche und dunkle Stunde, ach – die bereitet uns nur manchmal unsere Ungeduld. Und die Ungeduld, sie hat doch ihren Grund nur darin: daß wir uns so unbeschreiblich nacheinander sehnen, zueinander drängen, nacheinander so brennend verlangen, nun endlich ganz nah aneinandergegeben unsern Weg voran zu gehen.

Einmal wird Frieden sein! Geliebter!!! Geliebter! Frie[de]n. Bis dahin aber halte ich sich fest soooooo fast! Du! Mein!!! Gott sei uns gnädig und barmherzig! Er schenke Dich mir gesund wieder, mein Sonnenschein! Ach, wie ich Dich liebe, liebe! Mein [Roland]! Heute ist doch wieder kein Brief von Dir gekommen. Ob es schon am Weihnachtsverkehr liegt, das Unregelmäßige?

Oder an unserm ausgefallenen Postauto? Oder leidet die Strecke nach Südosten auch unter dem verdoppelten Nachschubverkehr nach dem jetzt gefährdeten Gebiet im Süden. Was weiß ich?

Ich glaube aber, daß ich morgen nicht leer ausgehe. Ach Du! Wenn ich auch trotzdem mit Dir plauschen kann so vieles vieles, wenn ich Dir auch keinen Brief zu beantworten habe. Aber drauf warten tu ich ja täglich so sehnsüchtig auf ihn. Du! Hab doch schon 3 Tage kein Küßchen von meinem Herzlieb bekommen! Du! Ich sehn mich ja doch [s]o sooo danach, ach Du! Ja!! Auch nach Deiner Zärtllichheit, mein Herzensbub! Mein!! Was mag in Afrika werden? Admiral Darlan enthoben von Marschall Petain. Konflikte hier und da. Unsre Truppen in Tunesien gelandet. Wo mag Siegfried sein, ich habe Angst um ihn. Er tut mir so leid, weil er sich gerade so auf seinen Urlaub gefreut hatte. Heute schreibt mir Mutter in einem lieben Brief, daß er täglich auf die Abfahrt hofft. Wie hart muß da eine Enttäuschung sein! Unerbittliches Schicksal. Was mag Hellmuth machen? Auch er will heim. Ach, der wird ja kaum noch Ruhe haben da draußen! Elfriede ginge es besser schreibt Mutter. Sie haben gute Hoffnung. -

Und nun schickt Mutter die Adventspäckel an ihre Buben selber. Auch das, was ich meinem Herzallerliebsten zugedacht hatte. Es wäre auch Dummheit wollte Mutter das Reisig erst wieder nach hier schicken, derweil ist schon Advent, ehe Ihr die Adventsgrüße in Händen habt. Du freust Dich auch sehr, aus Mutters Händen den Kranz zu erhalten, ja mein Herz?

Sie bittet mich um Marken, die beiden anderen Buben haben ihr wohl keine geschickt, weil sie hofften heimzukommen. Weil Du mir nun reichlich geschickt hattest, habe ich Mutter 2 Zulassungsmarken abgegeben. Du! Hoffentlich bekomme ich bald mal Nachschub! Und ich bitte Dich schon jetzt, wenns [sic] möglich ist, dann schicke mir noch 2 Marken. Ich glaube, ich brauche sie. Weil ich heute unverhofft etwas beim Weihnachtsmann für Dich bekam. Die anderen waren doch schon berechnet. Mußt nicht neugierig sein, Bub! Ach – ich möcht’ es so, soo lieb und gut mit Dir meinen!

Schätzeli! Was denkst Du denn, was Deine gute Mutter mir heute geschickt hat? Der Großmutter Pelzgarnitur von einem alten Mantel! Ich hatte sie gebeten, in Kamenz nach Besatz für meinen Mantel Ausschau zu halten. Es gibt auch da nichts. Und nun hat die (große) gute Großmutter dem [Roland] seiner Frau, die sie doch so gerne noch kennen gelernt hätte, auch Freude gemacht – wie Dir und Euch allen zu ihren Lebzeiten. Ach, wenn ich ihr das nun selber danken könnte! Ich freue mich so sehr! Wir werden schon etwas Feines zusammennähen, Mutsch und ich. Die Mutter hat mich so erfreut da[m]it, ich habe ihr gleich heute geschrieben. Freust Dich auch mit, Schatz?

Ach, ich gehöre doch auch ganz mit zu Deinen Lieben gelt, Herzelein? Bin so glücklich darum. Wir wollen unsern Lieben noch viel Freude bereiten, und Gutes erweisen, wenn wie erst zusammen leben im eignen Heime. Herzelein! Ich bin auf einmal so müde. Die Mutsch ist noch nicht da, der Zug wird Verspätung haben, es ist gleich ½ 10 Uhr. Bist mir böse, wenn ich Dir jetzt Gutenacht sage? Ach nein, Du! Ich behalt deine liebe Hand im Geiste weiter ganz fest in der meinen. Schätzelein geliebtes! Ich bin Dein! Eine innige Melodie erklingt aus dem Radio "Du sollst mein Geliebter sein und ich Dir untertan....“ ein Ausschnitt irgend aus einer Oper. Die Montagssendung erklingt heute zum 100. Male. hörst Du sie wohl auch, mein Lieb!

Ich lege mich auf's Sofa bis Mutter, kommt, lausche und denke Dein – Du!!!

Ich küsse Dich herzinnig! Behüte Dich Gott! Allezeit Deine glückliche [Hilde].

ganz Dein!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946