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[OBF-421114-002-01]
Briefkorpus

27.)

Sonnabend, am 14. November 1942.

Herzensschätzelein! Mein lieber, liebster [Roland]! Du!

Ach Herzensmannerli, endlich! Was doch alles erst getan sein will, ehe ich zu Dir kommen kann. Aber eher finde ich auch nicht Ruhe, bei Dir zu sitzen. Die Mutsch kocht Marmelade und will anschließend plätten. Es liegt noch allerlei da von der Wäsche her. Ich habe all meine Gänge besorgt und brauche dann nur noch etwas zu backen für'n [sic] Sonntag. Nur Roggenmehl mit Kartoffeln! Aber das schmeckt auch; ohne Gebackenes ist’s einem ja garnicht [sic] wie Sonntag! Wenn ich gleich Brötchen kaufe, da hapert’s wieder am Aufstrich.

Du! Anschließend an meine Verrichtungen zuhaus will ich die Freundin. [sic] besuchen, es wird gegen Abend werden. Die Eltern wollen mal ins Kino gehen "7 Jahre Glück". Papa möchte gern: Hans Moser spielt!

Du! Heute ist mir doch wieder so viel, viel Freude zuteil geworden. Dein lieber Sonntagsbote kam an. Ach Du! Es ist mir doch eine rechte Herzensfreude, Deine frohen Briefe zu erhalten! Wie froh Du bist, Du! Ach, wie glücklich macht es mich, Du! daß Du Dich so gut wieder mit Deiner neuen Umgebung abgefunden hast. Ach, Du hast es so gut getroffen, Liebster! Wir haben allen Grund, ganz sehr dankbar zu sein. Aus dem Boten, den Du an die Eltern richtetest auch heute, ersehe ich mal wieder, unter welchen Verhältnissen nun manche im Osten ihr Leben hinbringen müssen. Schrecklich ist das. Zumal angesichts des Winters. Wenn zu allem Übel dann noch gesundheitliche Schäden kommen, ach – dann ist wahrlich das Maß des Übelstandes voll. Und es gibt kein Zurück. Auch solche Posten müssen besetzt sein. Bedauernswert ist jeder solcher Männer, die im Osten stehen und unsrer tiefsten Dankbarkeit wert.

Ach, es möchte bald ein Ende nehmen, das alles.

Liebster! Auch die Eltern freuten sich recht sehr, daß Du ihnen schon wieder einen lieben Brief zusandtest, sie rechneten garnicht [sic] schon wieder damit und freuten sich umso mehr.

Ach Du! Ehe ich auf Einzelheiten näher eingehe, muß ich erst noch verschiedenes auf Deine letzten Boten sagen. Will gleich mal schauen. Eines aber, Schätzelein! Die beiden niedlichen, zarten Birkenblättlein sind schon in meinem "lebendigen Rahmen“ verewigt! Sie sind ganz reizend! Ich freue mich, wenn zu mir solch sinnigen Gruß schickst ab und zu.

Da ist Dein Sonnabendbote. Du erzählst mir, daß Du mit H. in der Stadt warst. Er führte Dich zu den Sehenswürdigkeiten. Und hatte doch kein Verständnis für mein aufnahmebereites Mannerli! Ach Du! Wirst schon noch alles allein mal beschauen können an einem freien Tag, gelt? Ich weiß schon wie das so ist: es sehen nicht alle mit den gleichen Augen.

Und was mir nun mein Mannerli berichtet, ach – das ist mir ja so vertraut, eine Bestätigung dessen, war ich von dem fremden Manne so ausführlich und anschaulich erfuhr über Rumänien im großen und ganzen und insbesondere auch über Bukarest. Die Bauart ist auch Dir als Merkmal ins Auge gefallen. Ich sah es ja im Film kürzli[ch], wie bedenkenlos man Bauten aneinander gereiht hat da. Ein Gesamtbild solch einer Straße in B. ist ein buntes Auf-und-Ab. Nach dem Rande der Stadt zu mag sich das noch verschlimmern. Typisch ist halt für den ganzen Balkan: überall ein stilloses Kunterbunt.

Ach ja Mannerli, vielbeschäftigt mag da Dein Auge gewesen sein. Hast vielleicht auf die Menschen kaum geachtet – dafür aber mehr auf die Auslagen in den Geschäften. Ach, ich erfuhr auch das im Vortrag, daß Rumänien ein außergewöhnlich reiches Land sei. Weil es an genügend Absatzmöglichkeit fehlen soll. Da wird der Deutsche schon bald Rat schaffen!! Mannerli, gutes! Ärgere Dich nicht ob Deiner schmächtigen Geldbörse! An solchen käuflichen Dingen hängt nicht immer eine Seligkeit, wenn man sie dann gleich besitzt. Du wirst Dich daran noch gewöhnen und den Lockungen der Auslagen mit kalter Schulter begegnen, weil Du vernünftig genug bist einzusehen, es ist eben unmöglich.

Und ich? Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Meine Parole! Nein Liebes! Ich kanns [sic] schon verstehen, daß in Dir viele Wünsche wach werden, bei solchen Angeboten. Zuletzt gipfelt doch Deine Kauflust nur darin – ich weiß es ja längst, Du Racker! – um mir und den Lieben eine Freude zu machen. Aber nochmal leg ich Dir ans Herz! Denke zuerst an Dich. Und dann, wenn was übrig bleibt für uns, denke an Praktisches.

Am liebsten ist uns etwas Eßbares, etwas was das Haushalten erleichtert. Preise setzt zu mir da vor! Höre!! Preise! Das ist ja Inflationsgeschäft! Du! Denke immer daran, wenn Du mal unmutig wirst, weil Du Dir einen großen Wunsch versagen mußt des Geldes wegen.: [sic] auch ich hier zuhaus muß mich ja gedulden damit, Dir alles Liebe zu erweisen und alles zuliebe zu tun, so mußt Du eben auch. Einmal muß ja dieser Krieg zu Ende sein – so oder so.

Ach, Du! Wir wollen doch so froh und dankbar miteinander sein! So recht von Herzen froh und dankbar unserm Herrgott, der uns so reich gesegnet und beschenkt hat. So recht von Herzen froh unsrer Liebe, die nächst dem Glauben unser höchstes Gut ist. Und das sind wir doch! Oh, von ganzem, tiefstem Herzen! Ach Herzelein, wie Du bekenne ich doch aus meiner Seele heraus: wenn Du mir nur bleibst, wenn Du mir nur heimkehren darfst, dann bin ich reicher als jeder König und wenn ich sonst bettelarm bin. Was sind neben unserm Glück unsrer Liebe all die kleinen Sorgen und Lüste und Unzufriedenheiten – null und nichtig sind sie. Und wenn wir an äußeren Gütern alles noch verlören, wir wollten doch froh ganz von vorn beginnen, wenn uns nur Gesundheit geschenkt ist. Ach Du! Du!! Und um die kleinen Sorgen der Geschenke für Weihnachten machen wir uns nun bestimmt keine dummen Gedanken mehr! Ach Du! Alles unnütze Sorgen, vor der Freude, das Fest gläubigen Herzens begehen zu dürfen, im Wissen um Deine Liebe, ach Du! nicht nur im Wissen, im Glauben, im unerschütterlichen, an Deine Liebe! In der Geborgenheit und der lebendigen Gegenwart Deiner Liebe! Du!!! Ach, so sollst auch Du denken und Dich zufrieden geben.

Am lieben Sonntagmorgen kommt mein Mannerli zu mir, ganz lieb! Ganz lieb, ganz nah! Der liebe Herzensbub! Ob ich Dich leiden werd? Ei, wer solch eine Frage stellen mag, schriftlich gar, der muß wissen, daß sie beantwortet wird. Und muß wissen, daß sein liebes Bitten gewährt wird! Du süßer, nichtsnutziger Bub! Hast doch gleich, wenn Du die Äuglein aufmachst dumme Gedanken! Wart nur! Ich werd Dich fest einsperren im Gärtlein, wenn Du gerade den finstersten, heimlichsten Weg gehst!! Oh Herzelein! Ich darf doch garnicht [sic] lang davon reden. Du!!! Ich sehne mich doch so unsäglich nach Dir, Schätzelein! Herzelein! Geliebter!!!!! Ach Du! Wie herzinnig lieb wir uns haben! Soooooo lieb!

Nicht nur im Liebheimlichen! Ach, in allen Dingen! Ganz eins! Ich bin sooo glücklich mit Dir! Oh Du! Überglücklich! Geliebter! In Deinem Sonntagsboten schreibst mir doch auch noch etwas Feines unter allem anderen Lieben, Du! In den kommenden Tagen beginnt doch nun auch der Urlaub anzurollen , Urlaub beginnt anzurollen . . . . . Herzelein!! Herzelein! Hörst mich jubeln?! oh leise, leise!!! Aber Du rollst schon mit! Und Du paßt gewiß ganz fein auf, daß Du nicht außerhalb der Reihe rollst?!! Sonst müßte ich doch denken, das Mannerli mag nicht mehr gern heim! Muß ich das denken? Oh Herzelein! Wenn Frühling wird? Ach, vielleicht noch eher..... ! Ich freue mich ja schon heute ganz unbändig, wenn ich bloß daran denke! Ach Du!! Du!! Hast Dir schon mal den Weg zum Bahnhof genau angeschaut? Und sag? Wieviel Tage fährt man von B. bis Wien?, von Wien bis Chemnitz 12 Stunden Ach Du! Wenn ich so daran denke jetzt. Sei nicht böse, aber ich muß Dirs [sic] sagen. Ich mag Dir eigentlich garnicht [sic] bis Wien entgegenkommen. Weißt, dann wird doch Mutsch letzte Hand anlegen an alles, was ich doch nur für dich vorbereiten will! Das will mir so garnicht [sic] in den Sinn. Aber – demgegenüber steht, daß wir die Tage besser ausnützen wollen, den Urlaub geschickter verteilen auf beide Elternhäuser. Wir könnten ja auch von Kamenz aus entgegengesetzt auseinanderfahren. Du nach Wien, ich nach Oberfrohna. Da wäre es beinah wieder so wie einst, als Du mein lieber Bräutigam warst und nach Schilka ins Elbschlößchen fuhrst. Ach Du! Das findet sich schon! – Am allerliebsten möchte ich einmal mit Dir ganz allein sein. Ach ja – ganz allein mit Dir. Unter fremden Menschen, auf die wir nicht die mindeste Rücksicht nehmen brauchten.

Ginge das nicht an, Geliebter? Irgendwo sein mit Dir, ganz unbekannt. Und jede Stunde gehörte uns ganz allein. Wunderschön! Gleich in der Gegend um Wien müßte das sein, daß wir noch die Zeit ausnützen könnten, die Du bis Wien auf der Anfahrt benötigst. Wollen wir das? Die Eltern wären enttäuscht. Aber sie würden uns ganz sicher auch verstehen können. Wann waren wie schon einmal ganz miteinander allein in unserm Glück? Noch nicht einen Tag. Als wir auf unsrer Böhmenreise es waren, so ganz aufeinandergewiesen [sic] unter Fremden, Du! Da waren wir noch lang nicht Mann und Weib. Ach Du! Wenn ich an Dich denke, wenn ich meine unendliche Liebe zu Dir auflodern fühle, ach – dann möchte ich einmal so ganz nur Dir gehören. Dir allein!

Keine Stunde einem anderen abtreten, wäre er mir noch so lieb und vertraut. Ich stelle mir eine Reihe von solchen Tagen, da wir in glückseligster Eintracht fern von allem anderen leben dürfen, als die schönsten Tage unsres bisherigen Zusammenseins vor.

Aber wie es nun ist, heutzutage. Bei uns Hausmütterchen regt sich daneben auch gleich dies und jenes Bedenken. Die Frage unsrer Bleibe! Mit der Ernährung hätten wirs [sic] vielleicht in dieser Zeit nirgends so gut wie daheim, (aber man bekäme gewiß ein feines Hochzeitsreisepäckel geschickt mit allen guten Sachen!) Dann: unsre Bettlein wie zuhaus wärens [sic] vielleicht auch nicht. Aber wozu habe ich denn Koffer, man muß heute sowieso Bettwäsche eigens mitbringen. Ja und noch so verschiedene Bedenken: Du möchtest Deine Sachen schön in Ordnung bringen und würdest vielleicht die und jene Bequemlichkeit vermissen, die es eben nur 'daheim' gibt. Sind alles Punkte, die mir vollkommen einleuchten. Und im Sommer hat das auch erst einen Reiz, wenn man draußen seinen Tag verbringen kann und nicht womöglich in Gaststuben rumhocken muß. Das stünde ja wohl auch bei uns, wo wir uns aufhielten bei schlechtem Wetter. Ach, man hätte wohl auch noch viel mehr Wünsche. Wenn wir abends wie zuhaus traulich zusammenhocken und ein schönes Buch lesen wollten. Dieser Verschlag lockt und hat doch manchen Nachteil. Zuhause ist es schön und ich denke, wir beide hätten mehr voneinander woanders einmal. Aber eines bedenke ich doch bei allem Wünschen und Träumen zutiefst.

Du kehrst heim und sehnst Dich in der Heimat auszuruhen, sie auszukosten bis ins Letzte und sie in Dich aufzunehmen so lieb und fest, daß Dir alle Erlebnisse und Bilder Kraft schenken, dann die Fremde wieder zu ertragen. Wenn ich Dir auch Inbegriff der Heimat bin, Geliebter! Deine Lieben und das Elternhaus sind es nicht minder. Wenn auch in anderem Sinne.

Und es wäre wohl undankbar, wenn wir nur an uns dächten.

Die Eltern erwarten Dich auch mit aller Liebe, so wie ich Dich erwarte. Und die wollten wir abweisen, übersehen, indem ich Dich mit fortnehme? Nein. Das geht wohl nie an. Das kann ich Deiner Mutter nicht antun. Wenn Du mir zuliebe gleich diesen, meinen Wunsch erfüllen wolltest. Die böse Kriegszeit ist sorgenvoll und hart genug, zumal für Deine lieben Eltern, die 3 Söhne draußen haben. Und deren höchste Freude und schönstes Geschenk es ist, wenn einer davon mal heimkehrt. Ach, man muß nur einmal sich in die Lage einer Mutter versetzen. Mutterliebe ist schon selbstlos genug. Aber es ist undankbar von uns Kindern, wollten wir die wenigen Freuden noch schmälern oder gar entziehen. Mein Schätzelein! Bitte vergiß meinen Wunsch.

Wir müssen alle irgendwie ein Opfer bringen heute. Und das unsere hier ist bei unserem Herzensglück wohl das allerkleinste. Gelt? Wir halten uns so sooo fest in inniger Liebe! Und das können auch die lieben Eltern wissen, wie so lieb wir einander haben. Du!!! Wenn wir einst unser Nestchen für uns besitzen, dann sind wir doch so lang ganz allein miteinander, Du! Und dann, oh dann lebe ich doch so ganz nur Dir und Du nur mir! Oh segne Gott unser Wollen! Behüte er mir Dich, mein Liebstes! Ich will Dir jetzt Ade sagen, Schätzeli! Morgen komme ich wieder zu Dir!

Ich halte Dich in unwandelbarer Liebe fest!

Ewig deine glückliche [Hilde].

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Kommentare

Hilde erwartet Roland im Frühling auf Urlaub. Sie diskutiert, ob es richtig ist, sich ganz allein zu treffen und die Eltern ganz oder weitgehend von Rolands Besuch auszuklammern. Hilde kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht richtig wäre und versetzt sich in die Lage von Rolands Mutter bzw. Eltern.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946