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[OBF-421113-002-01]
Briefkorpus

26.)

Freitagabend, am 13. November 1942.

Mein lieber, liebster [Roland]! Herzensschätzelein! Mein Herzensmannerli! Ich sitze beim Schein der Leselampe, im Ofen brummelt ein lustiges Feuer, Freitags ist es ja ein Badefeuer! Der Letzte wässert sich eben!! Papa. Die Uhr zeigt punkt [sic] sieben, eben höre ich unsere Uhr schlagen, Du! Und beim Mannerli ist es ja schon 800 [Uhr] jetzt. Wirst auch schon Abendbrot gehalten haben? Und vielleicht um diese Zeit wie ich sitzen und schreiben. Ach, das ist doch wirklich das allerschönste am Tag! Zu Dir kommen. Wir waren wieder fleißig heute und um 5 Uhr war alles blitzblank. Wir haben umgeräumt zur Wintersaison! Das heißt so viel: der Küchentisch steht nun wieder vorn bei der Tür, damit man die Speisen bei der Hand hat, wenns [sic] nun so kalt wird – das Bänkel ist im Vorsaal aufgestellt. Mutsch hat noch feine Vorhänge drangemacht, weil die alten ganz zerschlissen waren. Schön sind sie, weiß mit blauen Streifen unten am Ende. Wenn Du nochmal heim darfst, bevor Frühling wird, dann kannst Du alles ja selber begutachten. Es würde dir schon auch gefaen. Überhaupt gefällt mirs [sic] immer am besten zuhaus, wenn ich eben fertig bin mit reinemachen. Aber wenn Du da bist, bin ich garnicht [sic] so eitel, dann ist die Hauptsache: Du bist drin im Stübel, was noch ist, kümmert mich weniger. Ach Du!! Herzelein!

War denkst Du denn, was ich heute für hohen Besuch empfing? Rate mal!! Er ging kaum durch die Tür! 1.86 m lang! Das kann doch nur der [Laube] sein, wirst du denken. Und der war es auch! So eine Überraschung.

Ich wollte gerade zum Fleischer gehen und Mutsch wollte derweil die Badewanne hereinbringen in die Küche, als es Sturm klingelte. Es war kurz nach 5 Uhr, schon dunkel. Und ich sah für einen Moment lang nur etwas Langes, Schwarzes unter der Haustür stehen. Na, dann ergab sich des Rätsels Lösung. Er kam mit herauf.

Nach 10 Minuten folgte seine Mutter und sein kleiner Stiefbruder, die bei ihrer Schwester waren. Na, es gab freudige Überraschung auf beiden Seiten. Mutsch kochte eine Tasse Griechischen, Schwarzen!

Ja, er ist gestern abend angekommen und will morgen früh schon wieder fort, nach Stralsund zu seiner Frau, woher er auch kam. Er ist ohne sie heimgekommen, finde ich komisch, gelt? Du würdest mich jedenfalls nicht allein zuhaus lassen, wenn Du schon einmal auf Urlaub wärst!! Seine Mutter war bös, weil sein Besuch so kurz ist. Ja Schätzelein, er muß auch nach Rußland, wenn sein Urlaub zu Ende ist, seine Truppe ist schon weg. Er macht sich nicht viel Gedanken darum, es ginge ja nicht zur Front.

Oberfeldwebel ist er nun, schneidig sah er aus. Er ist schon ein schöner Bengel und ich weiß jetzt auch, daß ich ihn kenne. Damals, als im Jahnhaus Adalbert Lutter spielte, weißt Du noch, Liebster? Als ich dich so gern dabei gehabt hätte!

Ja, damals saß ich doch dann ganz verlassen dort bei den schönen Klängen guter Tanzmusik. Und er war auch da. Und er hat einmal mit mir getanzt, ich besinne mich jetzt, aber das war mein einziger Tanz an jenem Abend, ich war nicht da mit meinen Gedanken, der, den ich ersehnte – ach, der hatte mich ja enttäuscht. Ich bin nachhaus gegangen.

Ich weiß nicht, ob ich diesen [Roland Laube] damals noch näher hätte kennengelernt. Vielleicht — er fiel mir wohl schon einst auf durch seine stattliche Erscheinung, aber ich war mit meinem Herzen woanders. Ich hätte mich auch nicht mehr besonnen auf jene Begegnung – es sind nun 4 Jahre her, es war auch Herbst. Er war es, der mich heute darauf aufmerksam machte. Er tat es so, als gälte es nur für mich allein, diese Erinnerung aufzufrischen. Die Mütter sollten wohl nichts merken. Er wußte auch noch, daß ich so rasch verschwunden war damals. Und fragte, ob Du damals schon mit mir gewesen seist.

Wie seltsam ist das Leben. Es war damals schon in Marineuniform. Wenn du nun dabeigewesen wärest Herzlieb und hättest Dir sagen lassen sollen: “na, [Nordhoff], in 4 Jahren sind Sie mein Schüler!” Komisch! Ach, er erzählte mir eine ganze Menge in der kurzen Zeit. Das erste war, daß er mich wiederkannte. Dann von Dir! Daß er mit Dir sehr zufrieden war. Und daß Du sein drittbester warst. Ich soll Dich recht herzlich grüßen und Dir alles Gute wünschen! Er wußte, daß Du in Bukarest bist. Er wüßte alles, sagte er auf mein erstauntes Fragen. Er schneidet gern bissel auf, gelt? Auch das erzählte er mir, daß er gefürchtet sei in ganz Norddeutschland und auf dem Balkan, als Ausbilder! Dasselbe hörte ich beseits von Dir, was ich wohlweislich verschwieg. Dann [sic]: Du hättest einen Vortrag halten müssen über Rassenkunde damals?! Hast mir doch garnichts erzählt! Ja, dazu hätte er Dich einfach bestimmt. Und dann fragte er mich plötzlich, ob ich das Gedicht bekommen hätte von Dir. “Welches Gedicht?"

"Nun, er hat ein sehr schönes Gedicht geschrieben und ich habe es gelesen." Ich ließ nun nicht locker. So wars gewesen: er hat Dich schreibend gefunden und erhascht, daß Du in Versform schriebst. Auf seine Aufforderung hin habest Du es ihm verweigert zu zeigen[.] Da hätte er Dir Befehl gegeben, irgend etwas zu holen und in Deiner Abwesenheit habe er sichs hervorgesucht und gelesen. Er war ganz beeindruckt, noch vorhin! Und er hat es mir paar mal gesagt, wie schön das Gedicht gewesen sei. Ich soll Dich nur mal fragen, warum Du mirs [sic] nicht geschickt hast!

Ach Du! Herzelein! Du hast es mir bestimmt geschickt! Das weiß ich. Du hast mir überhaupt von Varna aus mehrere Verse geschickt. Ich weiß nur nicht jetzt, war er für eines meint. Besinnst Du Dich? Und willst Du mirs verraten, welches ihm so aus dem Herzen geschrieben war? Wie seine Augen blitzten, als er das erzählte! "Ja, wirklich, ein so schönes Gedicht wars! "Daß er's Ihnen nicht gab?' [sic] Ich muß jetzt lachen, wenn ich daran denke.

Er behauptete, daß sich nun für Dich Rußland erledigt hätte. Und wenn Kamerad H. nach Varna zurück sei, dann wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht lange mehr dort; denn die wären alle im Aufbruch begriffen. Wenn H. nicht nach Osten käme, so rechnet er mit Griechenland. Na, ich gebe auf sein Reden nicht viel, wenn er gleich Oberfeldwebel ist.

Du wirst’s schon erleben wo H. steckt, wenn er Dir mal schreibt.

Und über Deine Zukunft weiß der Herr [Laube] wohl ebenso w[e]nig, wie jetzt noch Deine eignen Vorgesetzten, gelt?

Er meint, daß es in Bulgarien noch am schönsten sei.

Über den neuesten Vorfall äußerte er sich nicht, daß der Amerikaner Frankreich bedroht. Wir könnten beruhigt sein, nach Deutschland kämen die nicht. Das hoffen wir auch nicht!

Er sieht aber seinem Vater sehr ähnlich, dem R. Wilhelm. 

Glaubst? Du siehst nicht älter aus als er – garnicht [sic]! Wenn er mal in Deinem Alter ist, dann ist er verblüht. Er ist äußerlich nä[ml]ich ganz sein Vater, aber ganz. Das sind Frauenbetrachtungen, Du! Ach, hab ich gelacht! Er trug ja Paradeuniform, nicht wahr? Und legte nicht ab bei uns, weil er bald weiter wollte. Zu Seinem [sic] frühren Chef nochmal. Im Mantel, Dolch an langer Kette, sternbestickt und betreßt saß er da, die Mütze auf dem Schoße. Ein weißseidenes Halstuch schaute oben heraus. Das tragen, glaub ich, nur die Angeber; denn ich sah es noch nicht.

Kurz, als er nun gegangen war, sagte Mutter: „was hatte er denn für ein Tuch um, er hatte es wohl im Halse?, ich wollte immer fragen, habe mich nur nicht getraut.” Ach Du! Da habe ich aber lachen müssen! So Mutsch! – Das war ein Erlebnis vorm Bade! Wir haben noch eine ganze Weile erzählt. Und nun weißt Du aber auch alles, Schatz! Und ich will Schluß machen davon.

Er trug mir wiederholt an Dich herzlichste Grüße auf und wenn er mal da ist, wenn Du auch gerade Urlaub hast, dann wird er bestimmt zu uns kommen. Er hat Dich geschätzt.

Und nun war er wohl neugierig auf Deine Frau! Meinst auch? Ach Herzelein! Ich habe heute umsonst auf Deinen Brief gewartet, aber morgen kommt bestimmt wieder einer und der säumige dazu. Auch von Siegfried warte ich auf ein Lebenszeichen, er schreibt do[ch] sonst im Monat mindestens einmal. Er ist vielleicht auch mit dabei, bei den 3 Panzerdivisionen, die an der Südküste Frankreichs gelandet sind. Ach der Ärmste! Und dabei stand sein Sinn auf Urlaub. Das ist bitter. Ich weiß nicht, hab so eine Ahnung, als stünde er wieder mitten drin im Vormarsch. Wir werden ja hören. Der arme Kerl hat schon das meiste aushalten müssen von Euch dreien. Der wird aber froh sein, wenn der Kampf mal ein Ende hat. Er tut mir oft recht leid, der Siegfried. Und weiß ja eigentlich auch so garnicht [sic] recht, für wen er alles auf sich nimmt, für wen er kämpft und seine Kräfte opfert. Wie muß es solchen ums Herze sein, die nichts Liebes und Kostbares zurücklassen in der Heimat? Aber was wissen wir denn aus Siegfrieds Leben.

Eines wünsche ich ihm nur von Herzen, daß auch er gesund einst wiederkehrt; damit er sein Leben neu beginnen kann. Er ist ja um seine schönsten Jahre beraubt.

Mein [Roland]! Vorhin kam auch Frau L. nochmal: unsere Arbeitstagung hat sich von morgen nachmittag auf Montagnachm. [sic] verschoben. Ist mir auch recht. Denn für morgen Abend bin ich zu meiner Schulfreundin Hilde T. geladen, die Jungvermählte! Sie ist ja nur Wochenende über zuhaus. Da kann ich nicht absagen, es würde sie vielleicht kränken.

Und somit ist der Nachmittag frei für mein Schätzelein! Du!!! Am Sonntag ist Gottesdienst, Bußtagsgottesdienst. Wir singen dabei. Montag: Chemnitz. Dienstag: voraussichtlich Rotes Kreuz, kann sein auch, erst in 8 Tagen. Mittwoch: Kinderschar. Donnerstag: Singstunde. Stollenbacken. Freitag: Hauptprobe im Stadtpark für die 10-Jahresfeier. Dann ist Totensonntag. Montag den 23 [sic]: Bahnhofsdienst in Chemnitz 15-2300 [Uhr] . Und dann ist Luft für eine Weile – unberufen!

Schätzeli! Da beginnt ja noch in diesem Monat die liebe Adventszeit! Der erste Sonntag nach dem Totenfest – ist heuer der 29. November. Kanns [sic] doch sein, daß Elfriede ein Adventskindlein bekommt! Sie schreibt: Ende November denkt her zu mir. Ich will Dir nur gleich mal ihren schönen Brief mitschicken.

Wirst Du denn ein wenig Adventstimmung im Stübel haben?

Ich laufe seit Tagen nach Tannengrün – nichts aufzutreiben. Nicht einmal auf die Gräber gibts etwas. Ich habe schon der Mutter nach Kamenz geschrieben, ob der Hutberggärtner etwas locker macht! Wer weiß, obs Tannenbäume gibt, die werden wohl auch zweckmäßiger in die ollen Stinkkisten von Autos verfeuert. Er ist ein Jammer, was dafür für schönes Holz draufgeht.

Heute stehen die Weihnachtsferien in der Zeitung. Voraussichtlich heißt es da: vom 12. Dezember – 14. Januar. Kälteferien zugleich. Ach, da fällt mir ein daß ein Rußdorfer Lehrer im Osten gestorben ist. Vielleicht kennst Du ihn. Johannes L. 1900 geboren. Was dem gefehlt haben mag. Ich kenne ihn nicht.

Und, Liebes! Vom NSLB–Pirna kam heute Dein Weihnachtsgeschenk! Das geht diesmal über die Frauen. Nicht, weil es so groß und umfangreich ist! Es war dem Gauleiter diesmal nicht möglich sein Geschenk unmittelbar an die Front zu schicken, schreibt er. Vielleicht, weil man für alles eine Zulassungsmarke benötigt.

Na, Du wirst Deine Neugier bezähmen können von dieser Seite, gelt? Und ich lege das Geschenk in Dein Weihnachtspäckel!

Ein Brief ist auch dabei vom Gauleiter und einer noch von der Kreiswaltung Pirna! Magst sie dann selber lesen. Eines will ich Dir nur verraten, was mich überraschte: T. ist versetzt. Seit dem 2. 11. 42 ist er in Oschatz Schulrat! Seine Stelle bleibt bis zur Rückkehr von Kreisleiter E. unbesetzt und wird von einem Herrn Max W. vertreten. Dieser E. ist wohl auch im Krieg?! Oder brauchen sie den zur Innenpolitik. Na, unsrethalben. Du siehst also, das [sic] alles im Wandern und Ausziehen begriffen ist. Selbst die Leute im festen Beruf in der Heimat. Und dahinein kommt erst mal Ordnung und Übersicht, wenn wirklich Frieden ist. Es werden viele, viele Kräfte gebraucht.

Und ich glaube, wir dürfen uns an die Hoffnung halten, aß Ihr Lehrer zu denjenigen gehört, die unter die Rubrik Mangelberufe fallen und vielleicht noch vor dem offiziellen Frieden loskommt. Sag? Woher wissen die denn Deine neueste Anschrift? Teilst Du sie der Kreiswaltung in Pirna immer gleich mit, wie sie das wünschen? Man vergißt Euch also doch nicht ganz, Schätzeli!

Nun ist Herr T. nicht mehr Dein Vorgesetzter.

Manchmal bin ich doch froh, daß wir noch nicht eingezogen sind an einem Ort, wo man Dich eingesetzt hat Vorderhand. Wer weiß, wieviel Mal wir noch ausrücken und neu einrücken! Davon gehen nur die Möbel kaputt.

Ich war wieder mal drüben bei B. Es klappte immer noch nicht mit dem Abtransport, immer wären wichtigere Dinge erst dran. Wenn wir nur nicht gleich Rat geschafft hätten, da wären sie uns gewiß beizeiten auf die Pelle gerückt, gelt? Bin nur gespannt, obs [sic] heuer noch wird. Ich legte ihnen ans Herz, ja nur bei gutem Wetter zu kommen, was sie mir auch versprachen. Mein liebes, gutes Schätzelein! Ich glaub ich muß nun bald aufhören, ich werde müde. Es war ein straffer Arbeitstag heute. Und ein wenig schmerzt mir der Kopf von der dunstigen Wärme des Badens im Zimmer. Obwohl die Wanne wieder weggeschafft ist. Du bist mir darum nicht böse, gelt? Morgen komme ich doch schon wieder zu Dir! Du!!! Du!!!!! Und wenn ich jetzt in mein Schlafstübel rücke, da nehm ich doch Deine 3 letzten lieben Boten mit, dann bist Du mir ganz nahe, bis ich einschlafe, Du! Du!!!!! So tu ichs [sic] fast jeden Abend. Ich muß schon ganz sehr müde sein, wenn ich Dich mal nicht mitnehme, Du! Herzallerliebster mein!

Ach Du! Wie lieb ich Dich hab! Ich kann es nicht in Worten sa[ge]n. Fühlst Du meine große Liebe? mein [Roland]! Erkennst Du sie? Ach Du! Ja! Ja! So sagt mir mein Herz! Es schlägt ja so glücklich! Du!!! Für Dich allein! Und ich weiß! Du liebst mich ebenso herzinnig!

Gott sei mit Dir! Gut Nacht! In Liebe küßt Dich Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946