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[OBF-421112-002-01]
Briefkorpus

25.)

Donnerstag, am 12. November 1942.

Geliebter! Mein [Roland]! Herzensschätzelein! Du!!!

Die Hand ist noch ganz ungelenk von der Kälte, war eben beim Milchmann ohne Handschuhe, huh! Wie ist’s schon bitter kalt!

Ich muß jetzt immer Handschuhe anziehen. Hab doch meine liebe gute Wärmflasche im Krieg! Hoffentlich kommt sie mir in "alter Wärme" wieder – um den Gegensatz des Wortes "in alter Frische" zu gebrauchen. Ja, auch im Bettlein fehlt sie mir gar sehr!! Gar sehr!!

Sodaß ich doch schon zum Ersatz gegriffen habe, meiner Gummine [Wärmflasche]. Die ist aber längst nicht so fein wie meine richtige Wärmflasche! Und dulde sie nur ein Weilchen bei mir, dann fliegt sie in hohem Bogen raus. Herzelein, es wird nun ernstlich Winter daheim. Frostig geht die Luft, mit Nässe durchsetzt, diese Witterung macht einen auch so frieren, die Kalte [sic] kriecht ordentlich an einem hoch. Keine Bange, Du! daß [sic] ich mich nicht genügend dagegen schützte!! Bin schon ganz mit Wolle angetan und die Stiefelein gehen mit mir aus, ganz gleich, ob Sonntag oder Wochentag. Solch paar Stiefel trägt man, wenn man sie benötigt und nicht nur für gut. Ach Du! Schön sind sie doch, so fein warm. Und ich muß doch so dankbar an mein Schätzelein denken, wenn ich sie trage, wie gut es mich versorgt!!

Du! Es ist jetzt ½ 400 [Uhr], schon beginnt es zu dunkeln, ich habe noch einen Gang zur Frau L. vor heute abend vor der Singstunde. Es handelt sich um Konzepte für Gedichte und Verslein, die meine Kinder aufsagen sollen. Am kommenden Sonnabend haben wir auch wieder Arbeitstagung in Chemni[tz], da kommen wir auch erst im Dunkeln heim. Wie schön ist es da, daß ich Deine Lampe habe! Sie leistet mir wirklich gute Dienste! Es gibt bei uns so wunderselten mal eine Batterie.

Du Schätzeli! Weil ich gerade vom Dunkeln rede, fällt mir doch gleich mein Traum wieder ein, den ich in der Nacht zum Mittwoch hatte. Mir träumte, es war Nacht und Du weiltest bei mir. Im Schlafkämmerle waren wir doch, in unseren neuen, eigenen Bettlein – es war aber der Eltern Zimmer noch – Du lagst neben mir im Bettlein und schautest immer so sehnsüchtig herüber zu mir. Ich konnte Dich im hellen Mondlicht sehen. Du!! Und da bin ich doch ganz heimlich Dir näher gerückt, bis ich Dein Mündlein erhaschen konnte – oh Du!! Du!!! Und dann hast Du mich doch plötzlich mit einem Ungestüm an Dich gedrückt, hast mir so viel Liebes, Süßes ins Ohr geflüstert und hast mich – oh Geliebter! Hast mich doch ganz sehr liebhaben [m]üssen! Ach, ich habe es sooo genau gespürt! Sooo süß, sooo süß war es, Du! Und ich hab Dich müssen auch liebhaben, Herzelein! Soo sehr! Daß ich aufwachte. Ach Du! Das war das erste Mal wieder, seit Du fort von mir bist.

Geliebter! Sooo lieb habe ich Dich! Nur Dich allein!!!!! !!!!! !!! Ach Du! Ich darf ja garnicht [sic] sehr daran denken, sonst packt mich die Sehnsucht noch viel mehr als ohnehin. Du! Ich will doch ganz stark sein. Und ich kann es auch! Geliebter!!! Weil ich Dich sooo unermeßl[ic]h liebe! Weil Du der Einzige mir bist! Mein Auserwählter! Weil ich Dir die Treue halte! Und weil Du mir auch die Treue hältst und mich so ganz liebbehältst in der Fremde. Weil nur ich allein den Platz in Deinem Herzen ausfülle! Geliebter! Du läßt niemand neben mir ein in Dein Herz! Das weiß ich! So beglückt!! Und ebenso beglückt sollst Du es doch auch von mir wissen, mein Geliebter! Du!!!!! Du!!!!! Ich trage Dich sooo lieb und treu im Herzen! Dich ganz allein! Ach, Du! Ich kann ja garnicht [sic] mehr, keinen Schritt mehr gehen ohne Dich! Bist ja ein Stück von mir! Bist mein Herzblatt! Mein Ein und Alles! Ach Du! Wenn es möglich wäre, ich nähme Dich doch gleich auf in mein Herz, in meinen Schoß, daß Du immer in mir wärest wie das Kindlein im Mutterschoß. Immer in mir? Ach Geliebter! Du bist ja immer in mir, in meinem Herzen! Mir so eng verbunden!

Nur manchmal wird die Sehnsucht so körperlich ungestüm und groß, daß man sich das Unmöglichste wünscht, nur um sich so recht, recht nahe zu sein.

Geliebter! So närrisch lieb haben wir uns! Weil wir eben so froh und glücklich sind wie Kinder, unsrer Liebe! Und darüber schäme ich mich garnicht [sic]. Nein! Ich empfinde es mit Jubel im Herzen, daß mich der Gedanke an Dich hellaufjauchzen macht und tief beglückt, und so im innersten [sic] berührt. Daß ich mich einer so hellen, reinen, großen Freude hingeben kann, wie nur Kinder es [vi]elleicht noch können. Ach Du! [Roland]! Herzensmannerli! Wetten, daß wir die Allerallerallerglücklichsten sind? Du!!! Ich halte Dich soo sooo fest!!! Bist ganz ganz ganz mein. Und ich bin so ganz Dein! Ja? mein Herzelein?!! Ja ja ja!!!!! Ach Du! Goldherzelein! Bist soo lieb wieder zu mir gekommen heute. 2 liebe Boten, der Nachzügler vom Donnerstag ist mit dabei. Wer weiß, wo der rumgestolpert ist, vielleicht bei der Verdunklung verirrt?! Es kann die Verzögerung auch daher kommen, weil die Post jetzt bei uns anders befördert wird, nur mehr per Eisenbahn. Das Postauto, welches mittags und abends nach Chemnitz fuhr, ist eingestellt mangels an Triebstoff! Ich bin nun noch garnicht [sic] so recht im Bilde, um welche Zeiten die Post abgeht und ankommt. Muß mal fragen.

Ist möglich, daß auch Du Verzögerungen feststellen mußt. Na, weißt? Wenn nur die Post überhaupt noch geht, ja? Dann ist’s schon gut. Du Schätzeli! Übrigens habe ich einen innigen Weihnachtswunsch! Briefbogen! Die, wenn Du hättest!! Das wär' fein. Ich muß mich langsam um Nachschub kümmern. Hier aber lässt man mich verkümmern. Ich bekomme auch nur 1 Stahlfeder auf’s Mal!

Ach liebster [Roland]! Wenn Du durch die Stadt gehst, steigern die verlockenden Auslagen allerorts Deine Begehrlichkeit – ich glaub's wohl! – [a]ber sei nicht unzufrieden, was nicht ist, ist nicht. Wir bleibens [sic] auch ohne dies und jenes. Und Du bist ja auch vernünftig, wenn auch manchmal noch der Unmut hochsteigt, ob der beschränkten Geldmittel. Ich bin so froh über das, was Du mir schon alles mitgebracht hast! Und bin in allem reichlich versorgt. Nur für Dich sähe ich’s gern, daß Du noch mal was erwischst. Aber wie wir schon sagten: das alles ist auch dann nachzuholen, wenn wir wieder beisammen sind. Es muß ja auch hier in Deutschland wieder besser werden wirtschaftlich.

Hauptsache ist, Du hast soviel [sic] Geld, um Deine notwendigsten Bedürfnisse zu decken und Dir ordentlich was zu Essen [sic] zu gönnen!!!

Wenn dann noch was übrig ist, freuen wir uns hier drinnen am meisten, wenn Du uns etwas wirklich Nützliches zukommen läßt. Seife, Speck, Nüsse, Honig, ach! Hör auf! Das sind für uns ja schon Herrlichkeiten, die die Welt bedeuten! Mehr wünschen wir garnicht [sic]. Und diese Dinge sind ja auch teuer genug. Du Liebster! Vergiß bit[te] Dich nicht über dem Schenken! Ich ermahne Dich ganz lieb!!!

Und Weihnachtsgeschenke? Ach geh! Das sind nun auch bei mir Kopfsorgen zweiten Ranges geworden. Man muß sich den Tatsachen ergeben. Ich wünsche mir das zu Weihnachten: Dich froh und wohlauf; einen lieben Brief von Dir, worin ich sehe, wie und wo Du das Fest feiern wirst.  Im Rundfunkprogramm sind wie ja auch ganz nah beisammen, gelt? – Dann: eine warme Stube, Stollen von der Sorte wie Du und was schönes zu lesen vielleicht, ach und Ruhe - Ruhe, daß ich bei meinem Herzlieb si kann ganz ungestört!! Ich glaube diese Wünsche sind alle erfüllbar. Und ich lasse mir auch keine grauen Haar wachsen über Äußerlichkeiten. Was nicht ist, das ist eben nicht. Und heuer werden alle soviel Einsehen haben. – Am kommenden Wochenende finde ich Dich vielleicht im Kino oder im Theater. Schön, daß du Dir etwas gönnst, und ich freue mich mit, wenn Du mir Dein Erlebtes erzählst. Es mag von ganz eigenartigem Reiz sein, bekannte Opern im fremden Lande zu hören und die Schauspielkunst zu erleben. Und ich glaube ein Theater und Konzert sind noch die dankbarsten Vergnügungen, die man jetzt findet überall, wo man nicht angeekelt davon gehen muß. Ach, um Dich sorge ich mich doch so garnicht [sic]! Was Du mir nun erzählst von Euren Mitarbeitern im Dienst, auch den weiblichen, das vernehme ich mit größter Ruhe und Gelassenheit. Während vielleicht nun andre Frauen sich den Kopf schwer machen mit allen möglichen Gedanken. Manche haben auch Grund dazu.

Ach, wie sie auch kommen die Weibel in der Fremde: ich glaube fest, daß mein Mannerli sich sein eignes Weibel von solch einem nicht aus dem Herzen drängen läßt! Nein. Nie und nimmer! Ehe ich das glaube, müßte die Welt aus den Fugen gehen. Ach Du!

Wir rissen uns ja selbst das Herze heraus, wenn wir einander untreu würden. Und davon brauchen wir gar nimmer zu sprechen. Du! Ich bin Dein – Du bist mein! Geliebter!!!! Und was Du am Schlusse Deines lieben Boten so wie hingeworfen schreibst: – – - wenn nun das Mannerli so alt wird…. Du! Dummköpfle großes! Bist ja sonst der bessere Rechner!

Das Verhältnis zwischen uns bleibt ja ewig das gleiche! Mögen nun Jahre ins Land gehen, soviel [sic] wollen, uns kann keiner!! Du bist mein lieb goldiges Mannerli, zu dem ich aufschaue wie zu meinem großen lieben Bruder, den ich aber auch trotz der "bösen 13", die dazwischen liegt, sooo unendlich liebbehalte, wie man nur jemand auf der Welt liebhaben kann! Und ich komme Dir ja immerfort nachgestiegen an Jahren! Merkst es denn garnicht [sic], Du? Ich lasse nicht ab von Dir! Ich lasse nicht nach, mich nach Dir zu recken und zu strecken! Geliebter!

In jeder Hinsicht ist das doch mein Wille, mein Verlangen, mein Streben. Du mußt es fühlen, wissen! Geliebter! Es ist alles Liebe, unaufhörliche Liebe, die mich zu Dir hinzieht. Und ich kann Dir heute, wie in alle Ewigkeit nichts anderes sagen:

behalte mich bei Dir, ich hab Dich sooooo lieb.

Wie könnte es wohl geschehen, daß sich unsre Liebe eines Tages in das Gegenteil wandelte? Sag, Wie könnte das geschehen?!

Dann wollte ich tot sein. Das ertrüge ich nicht.

Mein [Roland]! So wie wir heute in innigem, herzenstiefem Einverständnis durchs Leben gehen Hand in Hand, treu vereint. So soll und wird es sein bis an unser Ende. Wenn der Herrgott uns nur gnädig ist und uns behütet vor aller Gefahr. Was in unsrer Macht steht, das tun wir, um unsern Bund hoch und heilig zu halten, bis auf den Tag, wo uns Gott zusammengibt auch äußerlich, dieses Dasein zu leben in wirklicher Gemeinschaft, in wirklichem Zusammensein. Ach, dann gibt es ja keinen anderen Gedanken mehr, als unsre liebe Pflicht zu tun im eignen Hause! Dann leuchtet unser Ziel noch einmal so hell voraus! Weil wir dann mit vereinten Kräften es erstreben, ganz nahe beisammen uns lieb zur Seite! Oh mein [Roland]! Wer könnte solches Glück verraten? Wer könnte solche seligen glücklichen Zukunftspläne umwerfen? So grausam, so unbarmherzig schlecht kann von uns beiden keines sein. Wir sind fest in unserem Willen! Unser Leben läuft schon heute ganz gerade in der Bahn, in der es nach diesem Kriege weiterlaufen wird. Von Herz zu Herzen nur geht der Strom unaufhaltsamer Liebe! Du!!!

Wie liebe ich Dich! Gott erhalte Dich mir! In Ewigkeit ganz

Deine glückliche [Hilde].

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Kommentare

Zu "Was Du mir nun erzählst von Euren Mitarbeitern im Dienst, auch den weiblichen, das vernehme ich mit größter Ruhe und Gelassenheit.": Es ist interessant, dass seit Neuestem auch weibliche Mitarbeiterinnen erwähnt werden.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946