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[OBF-421111-001-02]
Briefkorpus

Mittwoch, den 11. Nov. 42

Herzelein! Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Herz! 11. November – Hellmuths Geburtstag – wo mag er nun stecken? – Ach, die Örtlichkeiten und irdischen Wirklichkeiten möchten uns manchmal alle Ferne und Trennung furchtbar und schmerzlich bewußt machen. Aber die Gedanken, der Geist schlagen Brücken – sie lassen in ihrer Geschwindigkeit Räume und Entfernungen schrumpfen — und noch festere, schnellere Brücken schlägt die Liebe! Die Liebe!!!

Ach Du! Wie wundersam beinahe ist es doch, daß unser Bote sich findet, durch Ferne, durch Nacht, durch verschlammte Fluren – und eine ganze Kette bilden sie doch - vier sind unterwegs, reichen sich die Hände und verbinden uns. Schätzelein! Dein lieber Sonnabendbote ist bei mir.

Du! Du!!! Hast mich so lieb! Sooo lieb – wie ich Dich so lieb habe! Oh Du! Du!!! Nichts mag ich mehr von dieser Welt, als daß Du mich liebhast! Daß Du an meiner Seite gehst und in meinem Herzen wohnst! Herzelein! Ich kann nicht mehr allein leben! Ich muß Dir so ganz gehören! Ich muß Dich an meiner Seite wissen! Ich muß mich an Deinem Herzen bergen!

Ich liebe Dich!!!

Oh! Diese Liebe glüht und lebt auch in Deinem Herzen! Sie lebte zuerst darin — und wird nie erkalten! Weil wir einander ganz zu eigen geworden sind! Weil wir einander gehören – ganz, mit allen Sinnen, mit dem Herzen! Weil sich unsre Herzen, unsre Seelen verbunden haben! Oh Herzelein! Ich muß an unsre Bilder denken, die wir in unsrer ersten Freundschaft tauschten. Ganz verändert haben wir uns – haben es selbst aneinander gar nicht gemerkt, und werden darauf erst mit dem Vergleichen aufmerksam – haben uns zusammengelebt – der Zauber der Liebe hat uns in seinen Bann geschlagen. Und so auch mit den Herzen! Ich kann nur noch in Dir und durch Dich leben und erleben. In allen Gedanken, Gefühlen und Planen bist Du, Geliebte! Mein Leben ist Dein Leben. Ach Herzelein! Möchtest Du es recht glücklich fühlen, wie ich so ganz Dein geworden bin! – wie Du Dich in Deines Mannerlis Herz gelebt hast! – wie Du Dir Dein Mannerli ganz zu eigen gewonnen hast! Schätzelein, Herzlieb! So wie Du Dich ganz mir geweiht hast – so gehöre ich Dir – und nicht weniger! Und nun mußt Du mich auch behalten! Du! Ich geb Dich doch nimmermehr frei. Ich halt Dich so fest! – so glücklich! so erfüllt und beglückt und beseelt von meinem kostbaren Schatz! Oh Du! Du hast mich lieb! Du hast mich l[ieb]!!!

Oh Herzelein! Mit Dir trete ich täglich vor den Höchsten, daß ich ihm unsre Liebe, unser Glück, unser Leben, daß ich Dich ihm selber anbefehle! Unsre Liebe! Unser Leben! – auch Gott im Himmel wird es so sehen! In seinem Namen legten wir doch unsre Hände ineinander – zu ihm flüchten wir mit allem Jubel und Bangen unsrer Herzen!

Niemand anderem mag ich unsre Liebe anbefehlen! Oh Geliebte! Gottes Eigentum und Geschenk ist unsre Liebe! Und niemand vermag sie uns zu nehmen!!! War mir nun mein Schätzelein so nahe in Wort und Bild am Feierabend. Es freut mich, daß Ihr die Gelegenheit wahrgenommen habt, mir ein wenig in mein Leben zu sehen. Ach Herzelein! Einen Spion und Detektiv – Du hast keinen besseren als mein Herze selbst, in dem Du doch ein und aus gehst, täglich, stündlich, in dem Du immer wohnst – Du!!! Fein, daß Rumänien so ausführlich dran war. Nun kennst Du es am Ende besser als ich selbst. Ja, wer so in der Stadt lebt wie ich und nie etwas anderes von Land und Leuten erführe, könnte sich ebensowenig ein treffendes, umfassendes Urteil bilden wie jemand, der ein Land nur flüchtig besuchend, die markanten Punkte fotografierend, bereist und über seine Erdkunde und Geschichte nachsieht. Erst beides zusammen: Leben im und mit dem Volk und Wissen über es ermöglichen ein gutes, gültiges Urteil. Rumänien nimmt auf dem Balkan tatsächlich eine Sonderstellung ein, die in seiner rassischen und kulturellen Entwicklung begründet liegt. Das drückt sich praktisch schon darin aus, daß es die lateinischen Buchstaben hat, also das normale Alphabet – und deutlicher ja in seiner Sprache, die zwischen den slawischen Sprachen der Nachbarn und dem Italienischen bzw. Lateinischen steht. Damit bildet das Land zwischen den slawischen Nachbarn, Russen, Bulgaren, Serben eine eigenartige Insel. Und man fragt sich, wie es zu dieser Inselbildung gekommen ist. Man braucht nun an den Reklamen und Aufschriften nicht so lange herumzuixen – und mit meinen lateinischen Kenntnissen kann ich mir manches zusammenreimen. Von den Menschen hier kann ich noch nicht viel sagen. Die mir nun so täglich auf meinem Gang begegnen, machen, gemessen an den in S. empfangenen Eindrücken, den Eindruck geringerer Wohlhabenheit, Sauberkeit. Dunkel ist vorherrschend – und ganz allgemein ist wenig Helligkeit und sichtbare Lebensfreudigkeit mit diesen Menschen; kein einheitliches Bild, sondern der Eindruck hochgradiger Vermischung. Die Landser wissen ja auch zu erzählen, daß die Weiblichkeit hier viel weniger abweisend, dafür aber mehr verseucht ist. Auf der Bahnfahrt nach B. hatte ich auch deutlich den Eindruck der Unsauberkeit, der Nachlässigkeit. Der Schaffner, der uns kontrollierte, wäre mit seinem schmierigen Mantel in B. unmöglich gewesen. Die wartenden Menschen auf den Bahnhöfen, die Dörfer am Wege zeigten bedeutend weniger Pflege als in B. Und weil Du von der schönen Landschaft schreibst: B. liegt in flacher, reizloser Umgebung. Das Land hin zur Donau ist reizlos, fast auch baumlos. Und so ist es auch nach Osten hin. Sind vielleicht Bilder mehr vom Karpathenrand gewesen. Aber ich mag das nicht zu fest behaupten. Dazu kenne ich noch zu wenig. Wenn ich werde in Urlaub (U - r– l–a – u – b) fahren dürfen, dann werde ich wieder ein neues Stück dieses Landes und des Südostens überhaupt, kennen lernen. Ob ich mich darauf freue? – Auf das Kennenlernen? – Und auf anderes aber noch viel – viel mehr – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Heute, glaube ich, hat das Urlaubfahren hier wieder begonnen. Das Mannerli wird wohl erst noch am Ende stehen – aber es rückt schon – und ich werd doch fein aufpassen, daß niemand mich abdrängt – von meinem Herzensschätzelein! Ach Du! Geliebte!!! So, wie das Mannerli zu Dir drängt – so mächtig kann gar niemand mich abdrängen – ich hab Dich doch am allermeisten lieb – ja, Du! Ich hab Dich am allermeisten lieb – wie lieb? – oh Du! Du!!! Du weißt es – und Dein drängendes Herze sagt es Dir – so wie das meine mir sagt, daß Du mich unendlich lieb hast! Ach Du! Du!!! Schätzelein! Ich weiß es doch, daß kein Herze mir in dieser Welt je und nun so lieb und weit sich mir auftut als das Deine – oh! und mir allein! Und sollten alle Frauen der Welt mir zur Wahl stehen – ach Du! Ich eilte in Deine Arme, an Dein Herz – Du hast mich lieb! Du hast mich allein so lieb! – Oh Herzelein! An Dich halt ich mich! Zu Dir flüchte ich mich – an Dein liebend Herz – in Dein liebend Herz! Ja – flüchten ist der rechte Ausdruck fu – flüchten in die Geborgenheit der Liebe – “flüchten” vor der Welt, die so lieblos, berechnend, geschäftlich, kalt geworden ist, vor diesem Theater, in dem alles nur in Maske einhergeht und sich aufspielt – ach, sie könnte ganz anders sein! – aber mit Dir will ich unsre Welt bauen – Herzelein! unsre Welt! Mit Dir will ich dieser Welt ein eigenes Teilchen einfügen. Ach Du! Mit Dir fürchte ich diese Welt nicht, diese Menschen! Mit Dir bin ich doch nun ganz froh und glücklich – weil mein Lebensschifflein nun einen Hafen hat – weil der Thron in meinem Herzen nun nicht mehr leer steht – ach, weil mein Wesen nun in Dir seine glückliche Ergänzung gefunden hat – weil ich mein Seelengeschwister gefunden habe.

Ach Du! Ich habe doch gewußt, daß dies etwas ganz Wichtiges, das Wichtigste und Bedeutsamste in meinem Leben ist, etwas Entscheidendes, etwas, das dieses Leben löst und erfüllen hilft. Und darin empfinde ich doch mit Dir! Es ist etwas Großes um die Liebe – es ist soviel Wundersames – es ist ein Weben bis in die Sternenwelt – und eine Verbindung hin zu[r] Vaterliebe Gottes selbst. So erleben wir sie – und so ist sie unser Schicksal. Ach Geliebte! Ich bin noch nie so froh gegangen in meinem Leben als nun mit Dir! Ich habe mein Schicksal noch nie so froh bejaht und auf mich genommen wie nun, da Du mir geschenkt wurdest und Du es mit mir teilst. Oh Du! Alles, alles bedeutet mir Deine, unsre Liebe! Und weil sie so uns Schicksal ist, wie wir sie erwarteten und an sie glaubten, und wie wir sie nun empfangen und sie uns erfüllt, so wissen wir Gott als ^den, der uns beschenkte, und als den Hüter über unserem Bunde! Er bleibe uns gnädig! Er behüte Dich mir!

Herzelein! Leb wohl! Du! Du bist mir sooo nahe immer, so ganz nahe! Du liebst mich! Und ich liebe Dich!

Und bin so glücklich darum!

Ewig Dein [Roland].

Dein Herzensmannerli!

[*] M. Befehl Nr. I A + Ing. V.O. Werft V.
__________________________________________________________________________________________________________
Vst./ Krf.Komp./ Wbt.O./ Mar. Lehrst. St. - Zug
Stückzahl: Verteiler: Standortbefehl 

 

 

[* das Folgende ist Teil des Papiervordruckes, auf dem Kopf stehend, Maschinen geschrieben]

 

 

 

 

 

 

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Kommentare

[Bukarest] Mittwoch, den 11. Nov. 1942 Roland beobachtet, dass Hilde und er sich verändert haben. Nun sind sie zusammengewachsen durch die Liebe der Herzen und der Seelen. – Rumänien nimmt auf den Balkanländern eine Sonderstellung ein. Sie haben lateinische Buchstaben und liegen sprachlich zwischen lateinischer und italienischer Sprache. Sie bilden eine Insel zwischen den Slawischen Völkern: Bulgaren, Serben, Russen. Durch Rolands Lateinkenntnisse kann er die Aufschriften auf Plakaten und Reklamen entziffern. – Bukarest liegt reizlos in einer flachen Landschaft bis zum Ufer der Donau. - Roland denkt schon an den Urlaub, aber er steht noch ganz hinten auf der Liste. - - Die Schriftzeichen am Ende des Briefes standen auf dem Kopf und sind von einem Formular aus der Dienststelle von Roland. Er hat offenbar auf der Rückseite dieses Formulars seinen Brief geschrieben.

Einordnung
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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946