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[OBF-421110-002-01]
Briefkorpus

23.)

Dienstag, am 10. November 1942.

Herzallerliebster! Mein geliebtes Herz! Liebster, allerliebster [Roland], Du!

Ich habe von Dir geträumt heute Nacht, Du! Aber ich weiß keinen Zusammenhang mehr, weiß nur, daß Du bei mir warst. Und das ist mir auch schon genug, Herzelein! Du warst bei mir!

Wie ich dich doch liebe! Sooo liebe. Du! Heute ist kein Bote gekommen von Dir. Das erste Mal setzt die Post damit heute aus. Aber ich denke nichts Schlimmes, der Brief wird irgendwo liegen geblieben sein und morgen sicher kommen. Weißt Du, was das Neueste ist bei uns? Zweierlei. Es hat heute zum ersten Male geschneit! Aber ganz naß nur. Und ich bin doch gleich mit den schönen Stiefelein zum Markt gegangen heute. Es hat mich doch garnicht gefroren. Fein passen sie jetzt, nachdem ich sie mal in nassem Wetter ausgetreten hatte. Und nur im Rechten geht es noch bissel streng über die Spanne. Vielleicht gibt sich das auch noch. Und die zweite Neuigkeit, unser Papa ist heute nach Chemnitz zum Spezialarzt gefahren. Sein Arzt hat ihn auf sein Verlangen hin überwiesen, daß er sich mal recht gründlich untersuchen und vor allem durchleuchten lassen kann. Nun und wir aber gespannt auf das Ergebnis. Es ist jetzt in der 5. Abendstunde, wir rechnen noch nicht mit Vaters Rückkehr; denn beim Doktor kann man heutzutage stundenlang sitzen. Er vermutet nämlich ein Magengeschwür, weil er fortwährend Schmerzen hat, es ist auch schlimmer geworden in letzter Zeit. Vor allem nach dem Essen stellen sich die Schmerzen ein. Und weil er so rapid abmagert, das kann nicht normal sein, bei seiner reichlichen Kost. Er wird schon einen genauen Bescheid bekommen beim Spezialisten. Und ich werde Dir nähres davon schreiben.

Ich denke auch, daß er das Rauchen mal einstellen muß. Das kann der Körper bei der fettarmen Kost nicht ertragen, die dauernde Nikotinzufuhr. Du, Schätzelein! Ich habe aus dem Grunde auch Deine letzte schöne Sendung Zigarren und Zigaretten weggeschlossen und Vater nichts gesagt. Ich gebs [sic] ihm auch nicht. Entweder hebe ichs [sic] für Weihnachten auf, oder kriegt jeder meiner Bauern etwas. Schön wars [sic] von Dir, daß Du mir etwas schicktest. Und ich nehme auch später noch eine Sendung an! Du! Ja, das ist nun eine kleine Sorge mit Vater; denn Magengeschichten sind jetzt unschön zu kurieren, man kann doch unmöglich Diät leben. Ja, wir wollen nur den Mut nicht verlieren, vielleicht ist es garnicht so schlimm.

Es ist jetzt schon so finster draußen, daß wie Licht brennen müssen und verdunkeln. Wenn du um 600 [Uhr] heimgehst, ist schon Nacht. Ach, das sind jetzt ein paar häßliche Wochen. Wenn erst Schnee liegt, dann wird das besser. Ich gehe garnicht hinaus abends, wenn ich nicht unbedingt muß. Heute war ich mit Mutsch auf der Mangel von ½ 200 – 300 [Uhr]. Da haben wir schon gefroren, es ist recht kalt geworden seit 2 Tagen. Nun ist unsre Wäsche schon eingeräumt, Mutsch plättet noch einiges eben, dann will sie noch Papas Uniform flicken. Nach dem Abendbrot wollen wir noch stricken. Was ich stricke? Noch ein wenig an E.s Babyröckchen und dann für meinen großen Buben Strümpfe! Für Weilnachten doch! Aber die schicke ich Dir nicht, Herzelein gelt? Es tut mir leid darum. Du hast auch genug bei Dir jetzt. Auch für Papa will ich ein Paar stricken, das ist mein Geschenk für Weihnachten. Du schenkst die Wolle und ich stricke die Socken. Für die Mutsch hatte ich ein Wollkleid gedacht. Aber bis heute hat sie noch keins bekommen, nun hat es der Herr Q. (Schneider) mal in die Hand genommen, der kann sicher eines auftreiben. Ein Geschenk habe ich schon für Mutsch. Einen großen schönen Bilderrahmen, wo sie ihre Kinder alle reinstecken kann! Das war ihr Wunsch schon lange. Er ist aus einem alten Geschäft in Limbach. Dunkel, mahagoniartig – kostet über 6 Mark! Aber schön ist er noch.

Was schenke ich den lieben Kamenzer Eltern? Rate doch mal mit!! Aber wenn Du schon rätst, ich kann ja einmal nichts erwischen. Kaum noch ein Buch gibts [sic]. Als ich bei T. war, um Deine Wünsche zu erfüllen, fragte ich nach einem Buch für Siegfried zu Weihnachten. Er hat mir im letzten Urlaub wieder das schöne Tuch geschenkt und da müssen wir uns abfinden. Nichts Wissenschaftliches gibts [sic] an Büchern, auch nichts Unterhaltendes. Herr T. empfahl mir ein Buch warm für meinen Zweck, es ist von Heinrich Zerkaulen, “Narren von gestern – Helden von Heute”. Ein Buch, worin das Entstehen der deutschen Kriegsflotte geschildert wird. Na, ob sich Siegfried nun gerade dafür begeistern wird? Aber von uns, der Matrosenfamilie wird er es schon annehmen, meinst Du?! Sonst schenk ich’s Dir!! Ach weißt, ich will mich garnicht [sic] aus der Fassung bringen lassen, wenn heuer Weihnachten ohne besondere Liebesgaben verläuft. Es kann eben nicht sein. Und wir feiern doch trotzdem Weihnacht, gelt?! Wollen schon so dankbar sein für das Geschenk, wenn wir uns alle gesund wissen. Ach ich sag’s immer: Geschenke sind doch nachzuholen. Du! Wir werden doch im Innern trotz allem ganz froh und glücklich sein mein Herzlieb! Unser Geschenk, das wir uns einander täglich bringen, ach – das ist ja garnicht käuflich zu erwerben! Das kommt doch tief aus des Herzens Grund und ist so ganz besonders kostbar darum und uns das liebste und werteste! Und solang wir uns dies noch schenken können, Du! Unsre Liebe! Unser ganzes Vertrauen und unsere Verehrung, ach da wollen wir ja garnichts andres haben, begehren wir nichts! Ich bin sooo glücklich und zufrieden in Deiner Liebe! Geliebter!!! Gebe Gott, daß wir immer so glücklich, zufrieden und dankbar sein können. Das ist das schönste im Leben. Und wenn es Dir nur gut geht! Wenn ich Dich nur geborgen weiß, dann begehre ich ja nichts, nichts mehr. Du mein einziges Lieb! Du! Ich muß Dich ja so aus tiefstem Herzen liebhaben! Mein Sonnenschein!

Ach Du! Wie freue ich mich, wenn Du mir erzählst, daß es in Euerm Stübel immer wohnlicher wird, daß eins nach dem andern sich einstellt, bei der Sauberkeit angefangen. So habe ich mir’s doch schon lange gewünscht, daß Du es mal triffst beim Militär. Wenn Du aus dem Dienst kommst, möchtest Du einkehren können in einer Bleibe, die Dir dann ein wenig von dem Zauber heimatlicher Traute verkörpert. Sollst Dich dann wirklich wohlfühlen können. Ach, ich weiß, du könntest es noch so gut haben, Du mußt doch heim verlangen. Die Sehnsucht bleibt. Du! Du!!! Und ich fürchte doch gar nie, daß Du in der Fremde jemals an einen Ort gelangen könntest, wo Du sagst: hier gefällt’s mir, hier will ich bleiben.

Du! Ohne mich ist doch für Dich nirgends mehr Heimat und Zuhaus. Du! Du empfindest ja ebenso wie ich. Wir beide gehören nun zusammen für dieses Leben, können nie mehr allein, einsam gehen wie vorher! Zu tief ist die Liebe in uns gedrungen. Ich kann nicht mehr sein ohne Dich, Du nicht mehr ohne mich.

Und solang nicht Herz bei Herz schlägt und wir vereint gehen, solang schweigt die Stimme der Sehnsucht nicht! Solang lebt die Unrast und das Ruhelose in uns! Und das bedeutet ja unser Glück: Weil wir so erkennen, wie ganz wir aneinander verloren sind! Geliebter! Geliebter!!! Du!!!!!

Glaube mit mir felsenfest daran: einmal führt uns Gott zusammen!

Einmal hat alles Warten ein Ende! Dann bin ich bei Dir! Bin ich Dein! Und Du bist mein! Beglückst mich immer, immer mit Deiner Nähe! Gott sei mit Dir!

Ich habe Dich unendlich lieb! Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946