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[OBF-421106-002-01]
Briefkorpus

19.)

Freitag, am 6. Oktober [*] 1942.

 

 

Herzallerliebster mein! Geliebtes teures Herz! Mein [Roland]!

 

 

Du! Herzelein, ich komme doch heute wieder am Morgen zu Dir wie gestern. Vielleicht, daß es nun so bleibt in den Winterwochen? Es ist morgens noch so dunkel, daß man keine rechte Arbeit im Hauswesen verrichten kann, jedoch bei der Leselampe sitzen kann ich sehr gut. Aber: nur nichts vornehmen, es wird ja doch anders. Siehst Du, wie miserabel mir die Feder folgt? Und dabei ist es eine neue, die ich so behandelt habe, wie es sein muß.

 

 

Du, Schätzeli! Wir waren doch gestern in Limbach einkaufen. Und sind wahrhaftig erst 1/2 700 [Uhr] wieder heimgekommen. Ab 3 Uhr sind die Geschäfte offen. Es war schwerlich, unsre Wünsche zu erfüllen. Es macht keinen Spaß mehr, einzukaufen. Die Mutsch kriegt keinen Hut. Ich keinen Besatzstoff für meinen Mantel. Und vieles andre ist noch, was man bis zum Frieden zurückstellen muß. Vatern kauften wir noch ein schönes Hemd, für Weihnachten. Ach, wir sind nicht enttäuscht, wußten schon, daß wenig zu erwarten steht jetzt. Und wir zwei Weibel werden uns schon mit Findigkeit und Überlegung hindurchfitzen! Ist halt so mir alles mit mehr Zeitverlust und Mühe verbunden.

 

 

Liebster! Nach dem Abendbrot bin ich gestern noch zur Singstunde gegangen. Um diese Jahreszeit gehe ich am liebsten, da beginnen wir schon mit den schönen Weihnachtsliedern! Und auch neue Literatur ist hinzugekommen, die etwas wert ist. Ich glaube, der neue Kantor gibt sich alle Mühe, aus unserm Chor etwas herauszuholen. Es ist nur schade, daß unsre paar Männer so unregelmäßig kommen, wir können nicht so üben, wie es sein sollte. Und neue Mitglieder kommen nicht hinzu.

 

 

Liebes Du! Jetzt will ich doch mal etwas zu dem auch sagen, was Du mir zu berichten hast, will nicht nur immer von mir erzählen. Bis zum Sonnabend, den 31. Oktober sind Deine Boten bei mir. Mein Schätzel verdreht immer noch manchmal die Wochentage mit dem Datum, daß ich dann erst auf dem Almanach mich vergewissern muß, welcher Tag gemeint ist. Ich nehm Dir doch die kleine Zerstreutheit nicht übel! Schlimmer wäre es nur dann, wenn Du die Anrede verdrehst! Und mich mit einer 'anderen' verwechselst! Du!

 

 

Wirst denken: mit solchen Dingen kann sie gut Scherz treiben, weil sie ganz genau weiß, daß sowas nicht vorkommt, gelt?

 

 

Ja, mein Herzelein hat reichlich Arbeit jetzt immer. Manchmal empfindet man es als einen Segen, manchmal auch als eine Last. Aber eingewöhnen und dreinschicken muß man sich eben, so oder so. Und Du wirst Dich immer besser einarbeiten. Ich lese erfreut, daß das Essen wieder gut und reichlich ist. Und viel angenehmer jetzt, da Ihr es in aller Ruhe einnehmen könnt am gedeckten Tisch. Und der andre Vorzug ist, worüber ich mich auch freue, daß man Dich den ganzen Tag, außer Dienst ganz unbehelligt läßt. Und im Sonnabendboten sehe ich doch, daß mein Mannerli allerhand Drasch hatte mit dem Umzug einen Stock tiefer. Ja, ich kenne das!!

 

 

Aber nun habt Ihr beiden noch eine Annehmlichkeit mehr eingetauscht: den Waschraum nebenan. Ich glaube schon, daß du manchmal garnicht [sic] den Eindruck des Kasernenlebens empfindest, bei solchem Dasein. Aber in bezug auf persönliche Freiheit und Interessen, wird man doch fortwährend daran erinnert, daß man eben doch Soldat ist, Dienender. Du! Ich bin aber trotz alledem dankbar und froh, Dich da in einer so guten Bleibe zu wissen, Herzelein! Wir können nicht genug dankbar sein für solch gnädiges Geschick. Ist recht so, mein Herzlieb, daß Du mal an Dich denkst und Dir einige Anschaffungen machst! Da freut sich doch Dein Frauchen ganz besonders, das weißt Du doch! Wenn dann mein Mannerli heimkommt und steigt neben mir umeinander, mit schönen Dingen, das es sich selbst ausgewählt hat im fremden Land, und doch dabei daran an sein Weibel gedacht hat, ob auch alles vor seinen Augen Gnade findet – gelt? So ist es doch, oder bilde ich mirs [sic] nur ein?

 

 

Herzelein! Und ich leg’s Dir nochmal ans Herz: halte Umschau nach etwas Brauchbarem für Dich! Du kennst meine Wünsche. Und wenn sich gute Gelegenheit bietet, dann greife zu.

 

 

Du gibst mir nun auch auf all das Antwort, was ich erlebte. Das verunglückte Trauerspiel "Emilia Galotti": Dahin komme ich nicht wieder. Und hörst nun von dem Kirmesgelage in Mittelfrohna. Du, die Kantorei will auch ihr Jahresessen so gern bei Oma abhalten! Bin ja gespannt, ob sie für uns etwas beschaffen kann. Es macht viel, viel Mühe.

 

 

Bis 600 [Uhr] abends hat nun mein Schätzelein Dienst. Und da muß es auch im Dunkeln heimtappen. So geht mirs [sic] nicht alle Tage, armes Hascherl! Gib mir gut auf den Verkehr Obacht, Liebes! Daß Dir nichts geschieht!!

 

 

Ach Du! Im lieben Freitagboten sagst mir doch, daß Du Dich dabei ertapptest, wie Du ganz froh heimwärts drängtest, Du! weil [sic] Du Dich auf mich freutest, auch auf das Alleinsein mit mir. Ach Du! Die Ungeduld, bald wieder bei mir zu sein beflügelte Deinen Schritt! Du sehnst Dich nach mir! Oh Du! Oh Geliebter! Ach, all Deine Worte, wenn ich sie lese -

 

 

wieder und wieder – ach – wie wird mir dann! Du!!! Wie ich Dich liebe! Wie ich Dich liebe!! Du!!!

 

 

Und wie alles so gewaltsam hin zu Dir drängt, Mein Alles! Du! Ach Du! Wir haben einander so ganz unendlich lieb! Ich kann doch manchmal das große Glück kaum fassen, Du mein Liebstes! Oh Du! Halte mich immer so fest! Halte mich so ganz fest, mein geliebtes Herz! Ich will mich doch so gern, sooo gern in Deiner Liebe geborgen wissen. Ach Du! Ich muß ja Dein warten! Muß Dein warten! Was gibt es noch für mich in dieser Welt, als Dich allein?! Du, all mein Sehnen, mein Verlangen, Du mein Glück! Ach Du, in solchen Stunden drängt es uns hin zum Allmächtigen, ihm unser übervolles Herz zu bringen. Zu groß drückt uns die Last der Glückes. Und wo anders, als bei Gott allein können wir solches Glück bergen? Geliebter! Bete mit mir um unser Glück! Gott erhalte uns unser glückhaftes Einssein! Er segne unsern Bund und lasse uns gute Frucht bringen! Oh, daß diese Wartezeit nicht vergebens war, sondern nur eine Zeit der Bewährung und ein Beweis der großen Liebe Gottes, daß er uns einander nur immer inniger zuführte! Herrgott. Bleibe uns gnädig und barmherzig. Behüte mir mein Liebstes! Amen.

 

 

Geliebter! Ich freue mich so, daß Du auch in B. Gelegenheit hast ins Gotteshaus zu gehen. Nun kannst Du Dich nie einsam fühlen!

 

 

Du! Ich denke in unendlicher, inniger Liebe Dein! Mein Glück! Mein Ein und alles! Du! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

 

 

Ich bleibe bis in alle Ewigkeit ganz Deine [Hilde].

 

 

 

[* Hilde hat hier falsches Datum angegeben, tatsächlich stammt der Brief vom 6. November und nicht vom 6. Oktober 1942.]

 

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946