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[OBF-421106-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 6. Nov. 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Freitagabend – bald ist die Woche zu Ende, bald winkt der liebe Sonntag – Badetag daheim, bei meinem lieben Frauchen – oder heute vielleicht nicht? Du!!! Das Mannerli wird erst morgen vom Wasser ausgiebigen Gebrauch machen, morgen läuft es fein warm. Ich bin doch wieder ganz allein – der Kamerad – Heinrich L. heißt er, so lang ist er gar nicht – ist im Film "G.P.U.", den mag ich nicht sehen.

Ach, mein Schätzelein könnte doch so fein bei mir sein jetzt. Muß wohl aber erst noch Abendbrot halten – bei mir ist es um 8 Uhr, bei Dir aber um 7 Uhr – komisch. Zwei liebe Boten sind zu mir gekommen, vom Montag und Sonntag sind sie. Sei von Herzen bedankt für Dein Liebgedenken. Will Gleich erst mal schauen, was einer Antwort bedarf. Ach Du! Dein Liebsein doch zuallererst. Herzelein! Daß ich es Dir nicht zeigen kann, leben kann, wie so lieb ich Dich habe – als nur aus der Ferne – ach Du! Du!!! Ich möcht Dich so lieb beschenken – ich wüßte so manches – aber ich kann nicht wie ich möchte, am Gelde fehlt es. Kann Dir nur ganz lieb und treu mein Herz, – Dein ist es doch – bewahren, kann Dir nur nur immer wieder mich selber bringen. Das ist nun unser beider Kummer, über den wir uns gegenseitig trösten müssen.

Ans Schenken denkt mein Herzelein – schon wieder – Du!!! – ans Weihnachtsgeschenk. Machst das Mannerli wirklich neugierig. Und ich hab noch garnichts für Dich, für die Lieben alle – nichts für Dich – und werde doch nicht genug sparen können, um ein schönes Geschenk zu machen. Ach Herzelein, ich beschenkte Dich doch so gern, so lieb wie der Meister Rembrandt sein liebes Weib – ach, gar nicht zuerst auf Nützliches bedacht, auf Schönes nur, Liebes, Du!!! Und dagegen redet nun die Vernunft: Ich möchte Euch daheim auch ein wenig helfen. Und das leider verträgt der Geldbeutel nicht. Dabei ist es hier geradeso wie seinerzeit in Griechenland und Bulgarien: etliche Artikel werden seltener, werden in absehbarer Zeit in geringerer Qualität hergestellt, so Seife. Prima Seife gibt es hier noch, wenn auch teuer. Möcht' Euch gern mit Fettigkeiten aufhelfen – ich werde Speck schicken können – möcht auch den Kamenzer Eltern gern etwas Liebes tun. Nüsse, Honig, Strümpfe – das alles gibt es hier, teuer – man möchte Geld drucken können. Ja, das sind nun neue Kopfsorgen – aber ihretwegen werde ich die Zahl meiner grauen Härchen nicht mehren. Was ist nicht, kann eben nicht sein. Und Weihnachten wird es dennoch – auch Du sagst es!

Ein liebes Päckchen hast nun schon wieder für mich unterwegs. Hast doch so lieb an alles gedacht wieder, was dem Mannerli fehlen könnte an Kleinigkeiten. Ach Geliebte, Kleinigkeiten sind es doch neben dem großen Wunsch, Dich ganz zu besitzen, für immer bei Dir zu sein – in Deiner Liebe zu gehen und Dich in meine Liebe zu hüllen.

Hast mich doch nicht recht verstanden in dem Liebheimlichen, Du! "Wir hätten vielleicht sollen artiger sein" – Schätzelein, so mein ich es doch: vielleicht wärest dann gar nimmer krank geworden. Nein, nein, Geliebte, keine Reue beim Mannerli – Du! Reue über mein Geschenk, über meinen Willen, ganz hin zu Dir? - nein, Geliebte, Du, mein liebes Weib! Darin bin ich mit Dir doch ganz eins – und wenn es gälte, auch ganz bereit, Schweres mit Dir zu tragen – Du! Du!!! Darin ist unser Wiedersehen eine neue Station gewesen - oh Geliebte! Ich wäre ganz froh und glücklich mit Dir gewesen – Du weißt es! Du weißt es!!! Ganz auf Gott stellen wir es nun – er segne unser Wollen – und wir wollen seinem Willen uns beugen – er will unser Bestes.

Seit das Mannerli aus dem Hause ist, kommt ein Besuch über den anderen – als ich da war, ist kaum einer dagewesen. Ich glaub, sie haben Angst vorm Mannerli – laß Dir nur das 'Gegenbesuchsmittel' wieder kommen, wenn Du es mal über bist, Du!!! Wär schon auch deshalb fein, wenn Du Dein eigenes Stübel hättest – aber dieser Wunsch auch kann uns beiden jetzt nicht erfüllt werden. Ich kann mir recht gut vorstellen, daß Du manchmal Deinen Groll hast, wenn so eine Abhaltung über die andere kommt und Deine Pläne stört. Ja, es können einem auch einmal die Menschen zu viel werden.

Von den Möbeln hast mir noch nicht geschrieben. Ich nehme darum an, daß sie noch beim Händler stehen. Bist unterdessen gewiß schon wieder mal dortgewesen. An Frau Sch. habe ich gestern ein Brieflein gerichtet. Meine Feldpostnummer ändert sich nicht mehr. “Ich warte auf die neue Nummer", sollte eben heißen auf die Nummer 19719.

Verschlafen – in den lieben Sonntag hinein geschlafen – hat doch der pünktliche Wecker gefehlt, das Mannerli – Murmeltierchen Du! Hast mit mir gehen wollen, gelt? Meine Kirche begann doch erst um 10 Uhr. Und prompt stellt sich Frln. Sch. ein, die gute Seele – gut ist sie, aber bissel neugierig auch, so wie die älteren Jungfern es sind, gelt? Wir beide – Du!!! – sind doch nur noch aufeinander neugierig – gelt? Was um uns her geschieht, wir können es ganz vergessen – ich bin doch bloß auf mein Weiberl neugierig – möcht gleich wieder einmal schauen, wo es eben steckt – und wenn ich es wüßte – möcht ich es schauen – und wenn ich es schaute, dann wollt ich es küssen – und wenn ich e[s] küßte, dann wollt ich wissen, ob es mich auch ganz lieb noch hat — — ach Du, Herzelein! Bist Du auch so neugierig? Möchtest wohl auch wieder einmal nach dem Brünnlein schauen? Möchtest mit dem Geliebten die liebsten, heimlichsten Wege gehen – im Gärtlein – Du? Oh Du! Du!!!!!!!!!!! Ein verschlafener Sonntag ist nicht schön – aber ein langer Sonntagvormittag – lieber dann ein feines Schlummerstündchen nach Tische, ja, Du?!!!

Aber die Zeit kann noch so knapp sein – vom Essenbereiten wird sie nicht abgezogen – Kartoffelhörnchen werden trotzdem gebacken – Leckermäulchen! Ich werd aber fein auf der Hut sein später – das dickste Bauchel mag ich nicht haben!

Ja Herzelein! Meine Pläne für Sonnabend und Sonntag: Am Sonnabend ist ja 12,30 [sic] Uhr schon Dienstschluß nach dem neuen Plan. Will am Nachmittag mal die Stadt ein wenig näher besehen. Geld habe ich keines mehr. Am Abend werde ich wieder daheim sein, fein mich baden und dann mich zu meinem Schätzelein setzen. Sollte ich den Sonntag auch für mich haben – so muß ich erst mal überlegen. Werde am liebsten auch mich ein bissel auslaufen und das Freie suchen. Am Sonntag ist hier großer Feiertag: Namenstag des rumänischen Königs. Kürzlich hatte er den 21. Geburtstag. Aber man begeht hier den Namenstag. Reich ist das Musikleben hier in der Stadt, ich ersehe es aus der Zeitung – ich fürchte nur, die Eintrittspreise sind recht hoch. Sollte es regnen am Sonntag, werde ich vielleicht die Opernachmittagsvorstellung besuchen: Madame Butterfly. Auch einen Film habe ich mir vorgemerkt: „Auf Wiedersehn, Franziska” – Du hast ihn mir empfohlen.

Ach Herzelein! Mit dem Schönsten, Besten, Liebsten will ich meine freien Stunden ausfüllen – ach Geliebte, das ist doch das Deingedenken, ist doch das Nahesein bei Dir — und nahe bin ich Dir doch in allem, was ich an Gutem, Schönem erlebe. Ach Du! Das Schönste sucht sich das Mannerli aus im fremden Lande, in der fremden Stadt, daß ich es für Dich miterlebe, daß ich Dir es bringe, daß ich reicher werde – für Dich, für Dich – für uns – Geliebte!!!

Oh Du! Wie hätte ich Dich gern überall zur Seite! Müßtest überallhin mit mir gehen. Ach, kannst doch alle Wege mit dem Mannerli gehen – bist ihm nie im Wege – nie! – Aber glücklich ist es, wunschlos glücklich dann, wenn Du ihm zur Seite gehst! Oh Geliebte! So gehe ich doch alle Wege, muß sie so gehen, als ob Du mitwärst – als ob? – bist es doch – bist es doch in lebendigster Wirklichkeit – bist in meinem Herzen ganz tief drinnen, immer gegenwärtig!

Leb wohl für heute, Herzelein! Dein Mannerli will nun die Feder mal niederlegen – aber es wird bei Dir bleiben – bis es in den Schlaf sinkt!

Behüt Dich Gott! Mein Liebstes! Mein liebes Weib! Mir anvertraut, an die Hand gegeben – Dir ganz verloren, gefangen in Deiner Liebe –

Ich liebe Dich! Ich lasse Dich nicht!

Ich küsse Dich herzinniglich!

Ewig Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli.

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946