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[OBF-421104-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 4. Nov. 1942

Teures, geliebtes Herz! Meine [Hilde]! Geliebte mein!

Ein Prachttag war doch heute bei uns. Windstille – Wind gibte [sic] es hier gar nicht viel – warmer Sonnenschein, und in den Bäumen letztes goldenes Leuchten, Verglühen – ach, am liebsten wäre ich zum Nachmittag in diesen schönen Tag gewandert als in den Dienst. Aber das Gold leuchtet bis in mein Zimmer. Du schreibst auch von schönen Herbsttagen daheim. Ach Geliebte! Herzelein! So froh und reich beschenkt kehrte ich heim mit Deinem lieben Boten vom Freitag. Du hast mich so lieb, sooo lieb – hast mich zu lieb! Du!!! Waschfest ist wieder mal vorbei – das vorletzte in diesem Jahre? Ich seh Euch stehen, die beiden fleißigen Wäscherinnen, Mutter und Tochter, seh Euch rumpeln mit Fleiß und Eifer – Kampf dem Schmutz! – Die Hemdenrücken und Hosenböden und Brustkästen – und wenn sie dem Mannerli sind, dann mit doppeltem Eifer und einem Schuß Mutwillen – "mit so viel Liebe" schreibst Du!, das ist doch dasselbe in diesem Falle, gelt? Ich tät’s nicht anders, wenn die Rolle mir zufiele. Ach, was haben wir manchmal gelacht, wenn die mächtigen Pumphosen und Hosenbeine von Mutter auf der Leine prangten! Früher war das ja noch ein bissel anders.

Gold hast in meinem Hemdel gesucht? – Du! such nur in Deinem! Na wart! Waschfrauen müssen auch plaudern. Ach Herzelein! Hast an der lieben Mutsch Deine beste Freundin. So lieb meint es niemand wieder mit Dir, das Mannerli ausgenommen – so lieb und teilnehmend und verstehend hört Dir niemand wieder zu – so hütet mit Dir niemand noch unser Glück. Ach Du! Wieviel Freude empfinde ich darüber, daß Du ein so gutes Verhältnis hast zu Vater und Mutter – das ist auch ein seltenes Glück – und glücklich bin ich, daß ich in Euren lieben Kreis mit aufgenommen wurde, so wie Du es bist in den meines Elternhauses. Ach Herzelein! Ich sagte es schon einmal: Seit Du an meiner Seite gehst, habe ich doch selber auch wieder recht heimgefunden, ein besseres Verhältnis gewonnen zu Vater und Mutter – die Spannungen zu den Eltern, zu Vater einerseits, zu Mutter anderseits, sind geschwunden, sind gebunden an Dich, sind aufgehoben durch Dich. Ach — und so ergeht es mir wie Dir: am liebsten bekenne ich meine Liebe zu Dir meiner Mutter – ach Du – ganz leis und heimlich nur – anders kann ich nicht – ach Du! Du!!! nur Dir, nur Dir selber!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte!

Nun bist auch Du so froh mit mir! O [sic] Schätzelein! Wenn ich mir die Landkarte ansehe – und die umständliche Reiserrute [sic] – dann läuft es mir noch jetzt ganz kalt den Rücken hinunter. Zehn Tage dauer die Fahrt mindestens – oh Du, Du!!! durch leere, öde, eintönige Räume, durch dunkles Land!

Mit dem Kameraden verstehe ich mich gut. Es gibt so mancherlei Gelegenheit, auch im täglichen Haushalten, einander Verstehen zu beweisen. Er ist nun schon länger hier und kennt Mittel und Wege, dies und jenes anzustellen und herbeizuschaffen, so wie wir es dann in Saloniki auch konnten. Stück um Stück wird unsre Wohnung saubrer. Ein Soldat ist dazu abgeteilt, hier mal ein bissel Grund zu schaffen. Toilette und Vorraum sind fertig, in der Stube sind schon Fenster und Tür geseift und gewaschen. Fein wird es dann. Zum Schluß soll auch noch dekoriert werden mit Bildern – und mit Fotos vom lieben Schätzelein. Vor vielen hätte ich sie nicht aufhängen mögen – aber zu zweien – und auf Gegenseitigkeit – ach, was das Mannerli sieht und schaut und weiß und empfindet beim Anblick, Deiner lieben Bilder, das weiß und schaut kein Mensch doch - Du! Du!!! oh Du! Mein lieber Weggesell! Mein Glücksgeschwister – Dein liebes Wesen – Dein Herze – Deine Schönheit – die schaut nur Dein Mannerli – die offenbaren sich nur im Strahlen der Liebe – in der Zweieinsamkeit – im Kämmerlein – im Einssein – oh Du! Du!!! Geliebte! Mein liebes, einziges Weib! Ich liebe Dich so sehr! Ich bin sooo glücklich mit Dir!

Viel Rieglein sind’s bis zum Kämmerlein – und noch einmal viel Rieglein bis zum letzten Herzkämmerlein — und lang, weit der Weg bis dahin — ach Du! Vom ersten Sehnen, vom ersten Schauer des Glücks – zum Du! – übers Glückshäusel – über den ersten Schmerz – und unsre Wege alle – und die Elternhäuser – ach, so weit der Weg – bis zur letzten Traute, bis zu unserem Einssein. Und er war doch notwendig, der lange Weg – bis alle Herzkämmerlein sich öffneten – ein manches öffnet sich doch gar nicht jeden Tag – und ein manches erst bei Nacht – und zu manchem gibt es gar kein Schlüsselein, es muß von selber sich öffnen und aufspringen durch eine wundersame Berührung – ach Herzelein—ist nun noch eines, das mir nicht offen steht? Ist noch eines, in das meine Liebe nicht flutet? Etwa ein Kämmerlein, in dem der Hass noch schlummert? – Oh Du! Ich wollte mit meiner Liebe die Tür zu diesem Kämmerlein aufbrechen und es überfluten – ach nein – Du kannst mich nicht hassen. Mich hinausdrängen aus den Herzkämmerlein? – erst recht nicht; denn all meiner Liebe Flut drängt nach, unablässig, mit der ganzen Kraft meines Herzens. Ja – und nicht eher konnten wir eins sein, bis Du nicht auch meine Herzkämmerlein alle, alle aufgeschlossen und erfüllt hattest. In allen gehst Du nun ein und aus – in allen flutet Deine unendliche Liebe oh Du! Du!! Geliebte! Die Kämmerlein alle des Denkens, Fühlens und Wollens, sie gehören Dir! nichts mag Dir darin verborgen bleiben – ach Herzelein, alles, alles will Dir gehören, alles will beschienen sein von Deiner Liebe, von ihr umfangen sein – oh Du! Du!!! Daß Du ganz froh gewiß sein möchtest meiner Liebe! So viel Liebe wartete in mir – wartete – daß sie sich verströmen möchte, daß sie ein Herze finden möchte und es erfüllen und durchfluten –

und nun strömt diese Liebe! – und ergießt sich befreit, ach so glücklich befreit in Dein Herz, in alle, alle Herzkämmerlein – oh Geliebte! so ungestüm, so ganz glücklich zu Dir, allein zu Dir – ach Du! Dich kann ich so ganz lieben, so sehr – ach Du! Du!!! ich kann es nicht sagen – so wundersehr! Geliebte! Geliebte! Meine [Hilde]! Mein einziges, geliebtes Weib! Der Liebe höchstes Pfand, der Liebe schönste Frucht und Quelle zugleich aber ist doch das Vertrauen – ein Band, das über das Glück des Tages und der Liebe selige Stunden, bindet für das ganze Leben, das die Liebe zu einer Lebensaufgabe erhebt – ach, zu der das Leben doch kaum zureicht – das die Liebe auch zum Wecker und Kraftstrom für alles gute Streben macht.

Oh Herzelein! Daß Du mir vertraust, daß Du so ganz Dich mir anvertraust, daß Du mit mir durch dieses Leben gehen willst, daß Du Dein Leben selber mir weihst, Dein ganzes Weibtum – das macht mich doch unendlich glücklich!

Oh Du! Wenn Du mich nicht festhieltest – mein Herze müßte erstarren in der Weltenkälte – der Weltensturm würde mich hinwegfegen. Ich halt mich an Dich – und Du hältst Dich an mich – das ist letztes Vertrauen, das ist höchste Liebe, das ist innigstes Verbundensein. Oh Du! Geliebte! Du hältst Dich so fest an mich – auch mit den feinsten Herzfasern – und ich – oh Du weißt es – ich muß mich so festhalten wie Du! Mein Wesen verlangt so heiß nach seinem Geschwister, nach seiner Ergänzung, nach dem geliebten Weib! Und mit Deinem Vertrauen rufst Du das Beste in mir auf, forderst Du alles von mir – und das ist doch mein Glück, nach dem ich mich so sehr sehnte: daß ein Menschenkind ganz mich fordert, daß ich endlich mich bewähren kann – daß ich nun lieben, wahrhaft lieben kann! Und Du hast mich nun ganz – ganz – Geliebte! Und Du bist ganz mein – ganz mein! Das liebste, das herzigste, das beste, das treueste, das schönste Weib ist mein! ist mein!!! Oh Herzelein! Sooo sooooo kostbar ist mir Dein Besitz! Sooo hoch und wert schätze ich Dein Vertrauen – ach Du! einzig und unersetzlich Deine Liebe!

Ich liebe Dich so sehr!

Sei Gott mit unsrer Liebe!

Er behüte Dich auf allen Wegen!

Tausend liebe Küsse

von Deinem [Roland],

Deinem glücklichen Mannerli.

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Kommentare

Zusammenfassung des Briefes, Rosemarie Köhler
Das Herbstlaub leuchtet im Sonnenschein. Roland würde gerne spazieren gehen, aber er muss arbeiten. – Er beschreibt, wie gut sich Hilde mit ihrer Mutter versteht und dass sie sich auch mit seinen Eltern gut versteht und sich dadurch sein Verhältnis zu seinen Eltern harmonisiert hat. Wie so lang war doch der Weg ihres Kennenlernens und wieviel Herzkämmerlein mussten aufgeschlossen werden! Nun versichert er ihr wieder die starke Bindung, die sie zueinander haben. Er meint, dass Hilde ihn herausfordert und das mag er an ihr, denn sie ist ja sein so ganz.

Einordnung
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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946