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[OBF-421102-002-01]
Briefkorpus

16.)

 

 

Montag, am 2. November 1942.

 

 

Herzensschätzelein! Mein geliebtes teures Herz, Du! Mein [Roland]!

 

 

[*] Schon am Nachmittag will ich heute zu Dir kommen; denn für den Abend hat sich Frau L. angemeldet, sie will uns mal besuchen. Ich freu mich, daß sie uns mal aufsucht. Die Mutsch ist gleich mal zum Milchmann gelaufen, sie hatte vorhin auch Besuch: Frl. M., ein Mädel, das mit ihr im Geschäft zusammen, war und nun R-A-D und Kriegshilfsdienst beendet hat, sie fängt morgen wieder bei Mutter mit an zu arbeiten. Die alte Trine hat sich solang aufgehalten, sie wollte nur Mutsch nach allem möglichen ausfragen, sie wirds [sic] schon selbst erleben, was verdient wird jetzt und so weiter. Wenn Mutter nicht den Gang vorgeschützt hätte, säße sie wohl jetzt noch hier.

 

 

Mittlerweile ist es 4 Uhr geworden. Bald wird Vater wieder gekrochen kommen, er hat ausgeschlafen um diese Zeit. Er hat nun heute Nacht seine 13 Stunden abgesessen! Und früh sind doch 6 Mann eine Stunde zu zeitig gekommen, trotz aller Reklame vorher.

 

 

Wir haben uns fein hineingefunden in die neue Zeit, es war doch schon fein hell, als ich aufwachte. Und ich bin gleich am Vormittag erst all meine Wege gegangen. Zuerst füllte ich Giroanweisungen aus, heftete die Feuerversicherungsakten ab. Dann trug ich den Brief für Dich zur Post, das Päckchen. In der Apotheke kaufte ich Zahnpasta und Hansaplast. Im Rathaus fragte ich vergeblich nach unseren Bezugsscheinen für Schuhe. D.h. ich habe für Mutsch mit beantragt. In der Drogerie kaufte ich Watte und Kopfwaschpulver, will mir dann noch das Haar waschen. Nun zu Girokasse, dauerte auch ein Weilchen, weil ich mit Ursel T. mich unterhielt.

 

 

Dann bin ich zur Frau R., die meine Kragengarnitur sticken will. da habe ich mir auch erst ein Muster ausgedacht und es aufgezeichnet für sie. Auf dem Heimweg schaute ich gleich mal nach, wie die Züge fahren, ab heute ein neuer Fahrplan. Es hat sich wenig geändert; eingestellt hat man keine Züge.

 

 

Ich muß es nämlich wissen, weil ich am Mittwoch früh zum Weihnachtsmann fahren muß, er hat mich bestellt. Nicht neugierig sein, Mannerli! Dein Fraule verrät kein Sterbenswörtchen weiter! Du! Ich glaube, ich freu mich doch nun auch auf Weihnachten, weil ich Dir vielleicht eine Freude machen kann! Du!!!

 

 

Papa ist da! Er brennt eben eine "Rumänische" an und läßt Dich schön grüßen und dankt Dir sehr für den willkommenen Zuschuß[.] Geliebter! Du! Will ich doch erst mal fein der Reihe nach antworten auf Deine lieben Boten, vom Waschfest her hinke ich doch hintenach [sic]. Dein lieber Montagsbrief bringt mir ja so viel Liebe! Du Guter!! Ich bin doch so froh über Dein Glücklichsein, ach Herzlieb! Du!!! Darum kann auch ich ganz froh und stille sein, weil Du so ganz glücklich bist in meiner Liebe. Wie danke ich Dir für all Deine Worte, die mir Dein Glück künden! Du!! Von Herzen danke ich Dir!!! Nichts kann mich mehr erfreuen und beglücken, als das frohe Bekenntnis Deiner großen Liebe. Mein Schätzelein! Geliebter!!! Ach und mit solchem Reichtum im Herzen gehen wir durch die Tage und nichts kann uns erschüttern im Glauben aneinander. Nichts kann unsre Liebe und Treue wanken machen.

 

 

Unsre Liebe ist wie die Sonne, so sieghaft, mächtig, lebenssprühend und unvergänglich! Oh Schätzelein! Auch nicht die dunkelste Wolke verdeckt im Grunde ihr Strahlen. Unvergänglich ist unser Lieben, solang überhaupt noch ein Atem in uns ist.

 

 

Du bist mein und ich bin Dein! Bis in den Tod. Oh Du!!!

 

 

Gott segne unser heißes Lieben und Drängen nach Einssein! Geliebter! Mein Herzelein! Hast nun auch so Deinen Drasch in der Dienststelle, ehe der Umzug nicht beendet ist wird das auch nicht besser werden. Zwei Schriftwechsel kommen da zusammen und wollen bearbeitet sein, an die alte und die neue Nummer. Du schreibst, daß Du in den nächsten Tagen die Anschrift an die neue Nummer erwartest. Sag, ist das nun so zu verstehen, daß sich Deine Nummer auch noch mal ändert? Die nachgeschickte Post aus S. [sic] läßt aber auch lange auf sich warten, weil sie erst über Wien zurückmuß.

 

 

Sieh an, hab ich also Deine Reise nach B. recht verfolgt! Bin doch fast schon so bewandert (mit dem Finger) auf der Landkarte wie Du! Hat sich denn Kamerad H. schon mal gerührt? Wie wird es ihm denn gefallen?

 

 

Du Herzlieb, es ist schön von Dir, daß Du künftig mehr den Briefwechsel mit der Heimat pflegen willst. Wirst hoffentlich künftig immer mehr Übersicht gewinnen in Deiner Arbeit und dann auch Ruhe, all Deine Pläne zu verwirklichen. Es ist in der Tat nichts wichtiger in dieser Zeit, als daß man die Verbindung mit den Lieben recht vertieft und aufrecht erhält, zumal mit Deinen Brüdern solltest Du das und den nächsten Verwandten. Ach, man möchte immer so viel Gutes, manchmal kommt es aber meist nur bis zum Wollen, weil halt zuviel durcheinandergeht in dieser ruhelosen Zeit. Und es ist oft eine Kunst, sich den Rücken frei zu halten. Die wir beide aber künftig immer besser lernen wollen! Ja, Du?

 

 

Du Herzlieb, da denke ich eben an etwas anderes. Wenn Du wieder mal Zeit hast, dann schreib doch bitte nochmal an Deinen Kameraden Honigmann! Ich möchte ja so gern Honig haben. Besonders in der Weihnachtszeit, wenn ich paar Pfefferkuchen backen möchte. Die schmecken nämlich wunderbar mit Honig. Ein kleines Bauchel bekommt mein Herzlieb? Nanu! [*] Wie geht denn das zu? Du bekommst das Bauchel? Du hast doch garnicht mit bösen Buben gespielt?! Oder mit bösen Mädchen? Das kann ja lustig werden, Du! Bekommst Du vielleicht statt meiner in 6 Monaten die erhöhte Butterration? Na, na!! Dir scheint, in R.  ist es noch nicht so knapp mit der Fettigkeit und dem Fleisch. Du! Ich bin doch wahrhaftig ganz gespannt auf das Kalendermannerli! Am 3. oder 4. November muß es sich anmelden. Ich bin ganz neugierig! Du auch Herzlieb? Wart nur fein ab mit mir, gelt? Und drei Tage später, solang wie die Post geht, dann weißt Du es auch.

 

 

Hast Dir schon Gedanken gemacht, das [sic] wir hätten artiger sein sollen. Du! Herzelein! Wenn Du bei mir bist, dann kann ich nicht mehr klug denken, oder zaghaft sein – oder berechnen. Dann lebe ich nur in Dir, mit Dir – dann versinkt alles, alles, daneben. Und meine Liebe zu Dir ist so groß und so übermächtig und sie kann nicht anders sein! Und ich stehe für alles, alles ein, was mir aus dieser Liebe erwächst, Du! Reue kenne ich nicht. Ich liebe Dich! Und das bedeutet doch alles, Du! Alles für ein Weib. Und ich weiß, seit Du bei mir warst, daß Du es mir ja geweiht hast, Dein schönstes Geschenk! Unser höchstes Geschenk dann! Oh Geliebter! So ganz eins sind wir doch in allem! Warum noch denken, grübeln? Wir sind bereit. In Gottes Händen liegt unser Geschick. Unser Wollen allein ist nicht maßgebend. Ach Herzensschatz! Wir sind bereit! Das heißt: für Gutes und für Schweres. Wir tragen gemeinsam in Liebe und gegenseitiger Treue das, was Gott uns schickt. [*] Komme, was da wolle: ich gehöre Dir und Du gehörst mir! Du!! Herzelein! Bald komme ich wieder zu Dir! Für heute leb wohl!

 

 

Ich denk doch immer Dein! Immer! Behüt Dich Gott!

 

 

Ich hab Dich doch sooo lieb. Oh Du! In meinem Herzen ruht unser Glück! Deine Liebe! Meine ganze Freude! Mein Ein und Alles, Du!

 

 

Ich küsse Dich! Ich grüße Dich! Deine glückliche [Hilde].

 

 

 

[* vier kleine Kreuze am linken Rand der Briefseite, vermutlich nachträglich hinzugefügt]

 

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946