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[OBF-421102-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 2. November 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Ach, wie schnell ist ein Tag herum! Kommt das Mannerli doch kaum nach mit dem Schreiben – kann sich der Liebe, die der Bote täglich bringt, kaum noch erwehren, kriegt gar keine Luft mehr! Ist gleich gut, daß der Bote heute einmal ausblieb – ich weiß doch warum: weil Waschfest ist. Ganz gegen die Gepflogenheiten sonst in der Mitte der Woche – ich weiß doch auch warum: weil der Herr Minister für Gesundheit, Wohlfahrt und Kräfteerhaltung es angeregt hat – kennst Du den? Ach — ich freue mich, wenn Ihr so gut folgt und vernünftig seid daheim – seid es nur in allen Stücken auch aus eigener Einsicht, nicht nur dort, wo es Euch der Minister empfahl. Du, Herzelein! Hab mir doch einen Kalender gemacht und warte nun darauf, daß ich ein Strichel setzen kann – damit ich den nächsten Urlaub nicht verpasse – gelt? Du! Du!!!

Ach Geliebte! Bist wieder so herzlieb zu mir gekommen in Deinem lieben Boten vom Mittwoch! Sind zwei Steine nun von unseren Herzen gefallen – ach Du! Du! Sie hätten doch sonst auf uns gelegen, und unseren Lebensatem noch unfreier und schwerer gemacht. Ach Herzelein! Es hätte uns schwerer getroffen als viele andere. Die meisten werden auch in der Fremde heimisch bei Weibsvolk und Gelagen, sie betäuben sich. Ach, Dein Mannerli muß die Ferne mit vollem Bewußtsein erleben und empfinden – unsre Boten brauchten nun viel länger. Ach Geliebte! Es ist eine recht große Gnade, die uns widerfahren ist.

Hab ich Dir schon erzählt: Wir sind nun nur noch zu zweien im Stübchen, sind ein Stock tiefer gezogen. Durch eine kleine Tür gelangen wir in unseren eigenen Waschraum mit Clo. Jetzt haben wir’s nun fein bequem. Mächtig verdreckt und verliedert war alles – und es werden noch ein paar Tage hingehen, bis wir unsre Wohnung so haben, wie es uns vorschwebt. Der Kamerad L. ist eifrig darauf bedacht das Ganze recht sauber und wohnlich einzurichten. Dein Mannerli ist mit seinen Interessen und seiner Andacht nach dem Dienste meist anderwo. Aber er fördert und unterstützt trotzdem die Bestrebungen der Ordnung und Sauberkeit. Na, ich glaub, manchmal wird mein liebs Fraule schon mal nach dem Rechten sehen müssen, im Bücherschrank und Notenschrank und auf dem Schreibtisch. Weißt, das Mannerli möcht schon immer fein aufräumen – aber es kommt nicht immer dazu, die Zeit langt manchmal nicht, ist oft kostbarer, als sie’s fürs Aufräumen sein muß. Und doch macht sich gute Ordnung auch bezahlt. Na – darüber läßt sich noch einmal reden, wenn wir erst mal Stübchen und Schränke haben zum Ordnunghalten – gelt? Darfst nicht denken, daß in meinem Spinde nun die Butter neben, geschweige denn auf dem Kamme liegt. Hab doch jetzt einen feinen großen Spind – früher hatte ich ihn halb so groß. Ja, Herzlein, was das alles anbetrifft, so geht es dem Mannerli wieder gut, so ist es ihm von einem zum andern Male besser gegangen. Und das ist doch so viel im Soldatenleben schon – man würde es erst recht schätzen, wenn es einem Mal fehlte wie denen an der Front! Den vielen, vielen – ach ja – man ist noch gar nicht dankbar genug auch für diese alltäglichen Dinge – ich habe sie doch ernstlich noch gar nicht missen müssen. Der Frontsoldat, der Infanterist zumal, der alles auf dem Rücken umher bei sich haben möchte, der mit dem Unterstand vorlieb nehmen muß – oh, unser Leben müßte ihm als Luxus und Reichtum erscheinen. Ach Du – wichtiger ist ja, daß ich zu einem guten Kameraden auf die Stube kam. Ja – und noch wichtiger dann – bleibt mein Schätzelein – Du! – Du!!! Ach — wie könnt ich Dich vergessen! Wie könnt ich Dein vergessen! Du!!!!! !!!!! !!! Was wäre mir ein Schloß, ein Reichtum, wenn ich Dich missen müßte – oh Herzelein, Geliebte! Alles, alles geb ich hin – ohne Zögern, ohne Schmerz, mit Freuden!, wenn es Dich zu lösen gelte dafür – mit Freuden! Weil Du mein alles bist mein Alles, Du! Du!!! Weil mir das Leben ohne Dich nichts mehr gilt – oh Du!!! Erzählst mir von zwei neuen Schützlingen. Ach, da muß ich wieder daran denken: Die Menschen die mich nun näher kannten, die Eltern, Brüder, Verwandte und Bekannte, die warteten doch darauf, daß der [Roland] mal eine Frau anbrächte – und warteten desto gespannter, je länger der sie warten ließ. Nicht nur aus Neugier, sondern auch aus Anteilnahme. Und sie erwarteten etwas von ihm, so, wie sie ihn kannten. Und das Mannerli, so frei es war in seinen Entschlüssen, so fühlte es doch diese Erwartungen, fühlte eine Verantwortung, hatte den Willen, bei aller Freiheit der Entscheidung, diesen guten Erwartungen zu genügen, vor ihnen zu bestehen.

Ach Herzelein, Du! Du!!! Ich denke an die Zeit, da ich Dich noch gar nicht genug kannte, da ich noch unsicher war – und ermesse beim Vergleichen, wie so lieb, wie sooo lieb ich Dich gewonnen habe – oh Du! Du! Du!!! Du bist die Eine, die Meine, die Einziggeliebte! Oh Herzelein! ich geb Dich nimmermehr frei – Du mußt mein bleiben! Mein! Mein!!! Du bist mein liebes Weib! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Was auch die anderen erwarteten – das meiste erwartete doch das Mannerli selber – erwartete eines vor allem, und zu allem, was die anderen wohl nicht gewußt und geraten hätten – Liebe, Liebe – ein gutes, liebes Herz – ach Du! Eine Heimat, eine Zukunft. – und alles, alles ist herrlich erfüllt – alles – durch Dich, Geliebte! Geliebte !!! [Hilde]!!! Behüt Dich Gott! Du! Ich habe Dich so lieb – sooo lieb!

Ich bleibe in ewiger Liebe und Treue

Dein glückliches Mannerli,

Dein [Roland].

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Kommentare

Zusammenfassung des Briefes:
Roland schreibt, dass Hilde ihm sooft schreibt, dass er gar nicht mit Antworten hinterher- kommt. Er freut sich, dass sie nun auf seinen Rat hören, um ihre Kräfte zu erhalten, nicht immer dann Waschfest zu halten, wenn Hilde ihre Periode hat. – Roland und sein Stubenkamerad L. sind ein Stockwerk tiefer gezogen. Herr L. ist sehr sauber und für Ordnung! Es war dort sehr verdreckt und so machen sie es sich gemütlich. Jetzt hat er einen großen Schrank und freut sich darüber und über den netten Zimmerkameraden. – Roland bedauert die Frontsoldaten, die im Unterstand schlafen müssen und immer ihr Gepäck auf dem Rücken mitschleppen müssen. Er lobt, wie gut er es getroffen hat und wie dankbar er dafür ist. – Aber ohne sie wäre er nicht glücklich. Er versichert ihr, dass er sie nie wieder frei gibt.

Einordnung
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Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946