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[OBF-421027-002-01]
Briefkorpus

11.)

Dienstag, am 27. Oktober 1942.

Herzallerliebster! Mein liebstes Mannerli! Mein lieber [Roland]!

Du! Heute ist Dein lieber Brief wieder zu mir gekommen! Hat mich doch so erfreut, Geliebter! Mir so viel Glück gebracht! Ach Du! Sei von Herzen lieb bedankt für all Deine Liebe. Recht als eine feine Belohnung kam er doch zu mir heute. Ja! Dein Frauchen muß sich heute mal laut loben, weil es wirklich fleißig gewesen ist.

Gleich vorm Hellwerden heute früh gings [sic] los mit dem Schaffen. Die Betten hab ich abgezogen und im Flur zum lüften [sic] ausgelegt. Alle beiden Schlafstübel hab ich leer ausgeräumt. Dann hab ich Kaffee getrunken und bin zum Wochenmarkt: Spinat, Sellerie, Möhren, Kohlrabi, Petersilie gabs [sic]. Schnell bin ich wieder nachhause. Da wollte erst mein Schätzelein aus dem Briefkasten! Aber dann gings [sic] alles nochmal so hurtig. Kartoffeln holen, Feuerung, Asche hinuntertragen, Schuhe putzen, die sahen lustig aus, weil wir damit auf dem Felde waren. Kartoffelmus kochte ich mit Rotkraut, einen Rest Gänsebratensoße und ein Spiegelei, Birnenkompott. Das Feuer wollte nicht brennen, weil die Sonne so drückte! Ich hatte einen Drasch. Dann hab ich erstmal meine Markteinkäufe im Keller verstaut. Den Spinat muß ich nachher noch bereiten, sonst wird er mir faul.

Die Mutsch wollte ja heute Mittag mit dem Bus zur Oma, wo sie auch nachts bleibt; denn Friedel [*] ist zu ihrem Fritz gefahren, am Abend ist Kegeln, da schaffts [sic] Oma nicht allein. Morgen kommt Friedel [*] wieder. Und da mußte das Essen pünktlich fertig sein. ½ 1200 [Uhr] als Mutsch kam, war der Tisch gedeckt. Und um 100 [Uhr] war ich schon fertig mit Aufwaschen. Nun gings [sic] aber weiter in den Schlafstuben. Fensterrahmen überall abgeseift, Scheiben geputzt, die Möbel mit dem Leder abgerieben, weil überall die Fliegen :: [**] machten! Ich habe alles fein gründlich gefummelt bis in jede Ecke. Und dann gewischt, gebohnert, Betten bezogen mit frischer Wäsche, unsere eigenen Bettsachen wieder fein aufgehoben bis zum nächsten Urlaub! Dann bin ich erst mal davongelaufen, viel mehr gefahren! Auf dem Sattel saß ich schön artig!! Zum Bauer nach Milch. Vorher kehrte ich flugs mal bei Oma [Laube] ein, um ihr paar [sic] Krautköpfe zu bringen und den Seefisch, den wir bekamen, aber nicht mögen. Sie freute sich so, daß sie mir ein Pfund Mehl gab, da soll ich Dir mal was von backen! Ich habe Deine Grüße bestellt und soll Dich herzlichst wieder grüßen. Sie freut sich mit mir, daß Dir es wieder so gut geht. Auch G. war zuhaus, er spielte aus Deinem Buch, es gefällt ihm gut! Ich soll Dir nochmal herzlich danken!

Als ich nun zum Bauer kam, saß da eine Frau, die durfte nicht wissen, daß ich ...! Nach langem Herumdrucksen fand Frau L. Rat und ich surrte hinten hinaus mit der Milch! So ein bissel Drasch!! Mir gabs [sic] einen Spaß. Ich fand sofort eine Notlüge, als ich mit meiner Tasche hineinkam. Wir hätten do[ch] gestern ganz vergessen unser Kraut zu bezahlen, sagte ich. Und sie ging freudestrahlend darauf mit ein! Du kennst sie ja, wie sie lacht und lacht! Ein seltner Vogel. Aber seelengut. Bis 1/2 500 [Uhr] mußte ich bei der Bushaltestelle sein; denn Mutsch wollte mir den Staubsauger mitschicken um diese Zeit. Ich habs’ gerade so geschafft. Ach, dann mußt ich erst mal etwas essen. Mir knurrte der Magen so! Und dann habe ich schnell noch die Matratzen abgesaugt und meine schönen frischen Betten eingeräumt. So. Nun bin ich fertig. Die Treppe bohnerte ich noch, sie war staubig von den Bettmutzeln [sic]. Und die Bettvorleger klopfte und bürstete ich noch unten.

Eben ist die Sonne untergegangen, war wieder ein herrlicher Tag. Hoffentlich habt Ihr in Rumänien auch solch schönen Herbst! Es ist um 600 [Uhr] schon vorbei, Papa will Suppe essen, wenn er heimkommt; denn er hat sich heute Nachmittag seine letzten paar Zähne noch ziehen lassen, der Ärmste. Na, ich koche ihm auch gleich einen Topf Kamillen mit zum Spülen. Gottseidank raucht er nicht auf die Wunden!

Ja Schätzeli! Das war ein kunterbunter Tag, aber ich bin garnicht müde! Könntest ruhig bei mir sein jetzt, ich tät Dir nicht einschlafen! Ach Du! Goldherzelein!

Wir sind also allein heute Abend, Papa und ich. Wenn er kommt, will ich ihm Deinen lieben Brief zu lesen geben! Er wird sich freuen, wie sich Mutsch freute! Ich soll Dich herzlichst grüßen und wenn die Wäsche vorbei ist, will sie Dir schreiben. Auch ich habe noch Schreibschulden: Hellmuth, Elfriede. Aber weißt, das läßt ich garnicht so erzwingen, man muß dazu bissel in Stimmung sein. Bis zu Hellmuths Geburtstag muß es werden!

Du, Herzelein? Weißt was ich mir heute Abend als Belohnung für meinen Fleiß gönne? Rate mal! „Rembrandt" Dieser Film läuft im Apollo, er soll so schön sein. Papa geht sowieso zeitig zu Bett. Wird mein Mannerli zanken? Ach nein! Wenn er bei mir wäre heute, da gabs [sic] ja eine viel viel schönere Belohnung, gelt? Aber die verrate ich nicht! Nicht davon sprechen! Wir bekommen beide nur Sehnsucht dann. Du!!! Du!!! So will ich Dir für heute Deine lieben Hände drücken, Herzelein. Morgen will ich Deinen lieben Boten beantworten. Ich bin so froh und glücklich Du! Ach Geliebter! Du mußt es ja auch sein! Wie ich Dich liebe!!! Gott sei mit Dir! Du mein Ein und Alles! Ich bin Dir so gut!

In Ewigkeit Deine treue [Hilde]. Dein!

 

[* über dem Wort "Friedel" ist ein Fermate-Zeichen. Im Brief vom Vortag merkt Hilde zu diesem Symbol an: “Wie ist die Regel? Die Fermate verlängert die Note um einen halben Ton?!”]
[** jeweils 2 mal 3 Punkte vertikal übereinander, die wohl den Fliegenkot darstellen sollen]

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Kommentare

drew.bergerson

Do., 02.07.2020 - 16:46

Zum Satz „Als ich nun zum Bauer kam, saß da eine Frau, die durfte nicht wissen, daß ich ...!“: Offene Geheimnisse: Hamstern!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946