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[OBF-421027-001-02]
Briefkorpus

Dienstag, den 27. Okt. 1942

Geliebtes, teures Herz! Mein liebes, liebes Weib!

Herzelein! Nun wird sie auch bei Dir sein, die Nachricht davon, daß ich hier bleiben kann. Man kann ja nicht viel geben auf solche Zusicherungen, und schnell kann sich alles ändern – aber so ist es doch jetzt entschieden. Ach Herzlieb! Wie so lieb, sooo lieb kommst Du nun zu mir, zu helfen. Du kannst mir doch am besten helfen. Ich konnte Dir doch all das nicht verschweigen, ich konnte es nicht! Ich mußte Dich mir anvertrauen, ich mußte Dich mittragen lassen – Du bist das einzige Menschenkind, dem ich mich anvertrauen kann auch in schwachen Stunden, in schweren Stunden – ach Herzelein, vor Dir löst sich meine Zunge, vor Dir spricht mein Herz. Das ist doch das tiefste Beheimatetsein: daß ich ein Menschenkind fand, vor dessen Herz ich Alles bringen kann. Herzelein! Und nun ich diese Heimat besitze, nun ich den Weg weiß zu Deinem Herzen, nun muß ich ihn gehen, nun muß ich zu Dir kommen!

Ach Herzelein – dann ist doch erst Alleinsein und Fremde, wenn ich denken müßte, daß Du nicht mit mir gehst, daß Du nicht von mir wüßtest – und das wird nimmermehr sein, auch wenn unsre Boten einmal nicht so schnell folgen können, das wird nimmermehr sein, weil wir einander so in Liebe festhalten! Immer sind wir einander nahe – hellwach macht uns die Liebe.

Oh Geliebte! So war ich auch nicht allein in den Stunden des Bangens und Zweifelns. Und Du standest nicht machtlos beiseite – Deine Liebe war mächtig in mir. Oh Geliebte! Die Liebe eben war es doch, die mich bangen machte, die mich ringen und rechten ließ mit dem Geschick. Oh Herzlein, die Unruhe in mir kam nicht daher, daß Du mein nicht lieb genug gedacht hättest, ach Du, nicht daher, daß ich mich nicht genug gehalten fühlte von Deiner Liebe – oder gar an Deiner Liebe zweifelte — nie, nie will ich das – hörst Du es, Herzlein?!!! – nie werde ich das! — nein, Herzlieb! Es war ein Ringe[n] mit dem Geschick! Ach Du! Das ist doch erst so, seit Du an meiner Seite gehst. Wir sind so gnädig bedacht worden bisher, ein so gütiges Geschick ward uns – ach, beinahe sind wir verwöhnt worden und nun drängen unsre Herzen in Liebe so heiß zueinander, so ungestüm, so ungeduldig – und nun möchten wir unser Leben selber in die Hand nehmen und es gestalten, möchten miteinander leben, möchten ganz umeinander sein – und nun schauen wir schon so lange Zeit aus nach dem Morgenrot dieser Tage, nach einem Lichtschein – hoffen, daß wir ihnen täglich näher kommen – kommen ein ander [sic] im Herzen immer näher – und immer größere Ferne sollte sich zwischen uns schieben? Ach Herzlein! Ferne und Einsamkeit, sie haben mich hart gemacht, sie schreckten mich nicht mehr – aber nun ich Dich habe, ist das doch ganz anders. Nun schwingt in meinem Herzen doch mit, was Du empfindest – ach Herzelein! Doppelt wiegt nun alle Enttäuschung – doppelt aller Schmez [sic], doppelt alle Freude.

Und das ist doch unser größter Kummer, unsre Ungeduld, daß wir einander ^noch nicht aller Liebe erzeigen können – daß ich Dich warten lassen muß, daß ich Dich immer wieder muß allein lassen, Dich immer wieder enttäuschen muß.

Ja, Geliebte, so köstlich und unauslöschlich uns das Wiedersehen ist – so hart trifft uns doch auch die Ferne. Ach Du! Du!!! Ich wollte doch nicht glauben, daß ich so weit mich von Dir entfernen sollte. Ich konnte mich nicht stumm drein fügen – und konnte doch auch nichts anderes, als Dir mich anzuvertrauen, als Gott zu bitten – ich hätte doch nicht einmal um eine Schonung oder Zurückstellung zu bitten vermocht, nein, ich hätte es nicht vermocht – Herzelein, und das war mein Kampf, meine Ratlosigkeit, in der ich mich zu Dir flüchtete.

Oh Geliebte – sieh darin nichts andres als meine Liebe, unsre Liebe – meine Liebe zu Dir! Sie ist ohne Ende!!!

Ach Herzelein! Ich weiß es doch, daß in solchem Kampf, in solchem Ringen, in solcher Ratlosigkeit Schwäche ist, Schwäche des Glaubens, Ungeduld vor Gottes Willen. Oh Herzlieb! Wem wandelte nicht einmal solche Schwäche an, angesichts der Not ringsher, des Herzeleids, des namenlosen Herzeleides um uns, der Gewalt dieses Kriegsungewitters? Wer wäre nicht einmal müde des Duldens, des Hoffens? Wer würde nicht unruhig in solchen Stunden der Entscheidung? Ach Geliebte! So unbarmherzig erst entführt vom Liebsten, aus dem Land schönster Liebe, von Deiner Seite gerissen, geliebtes Weib, aus der Traute einziger Liebe – und nun noch einmal 8 Tage fahren – oh Du! Du!!!

Wieviel Abertausende, die das Schicksal gar nicht erst darnach fragt!

Oh Geliebte! Und nun ist es uns vorerst doch erspart geblieben – darüber laß uns ganz still und dankbar werden, ganz still und dankbar. Gott vergebe uns unser Zweifeln, unsre Ungeduld!

Ach Herzelein! Und wenn es uns anders beschieden war, ich hätte es ertragen – um unsretwillen. Und ich weiß, ich weiß es ganz gewiß, daß Du mit mir gegangen wärest, daß Du es ertragen hättest u[m] meinetwillen – daß Du mein harrst in unendlicher Liebe und Treue! – das weiß ich, Geliebte! Und diese Gewißheit läßt mich doch immer wieder froh werden und weiterfinden und Kraft fassen! Du! Du!!!

Und das mag Dich ganz froh machen: Dein Lieben, Dein Sorgen, Dein Sehnen findet zu mir, sie leben in mir – sie wirken in mir! Ach Du! Nimmermehr können sie zu spät kommen!

Ach Geliebte! Das wissen wir voneinander: Je härter und länger die Trennung, desto stärker und inniger unser Lieben!

Und nun kommt doch täglich Dein lieber Bote, der Freudenbringer – oh Du! Du!!! Wieviel Freude bringt er mir heute wieder! Die lieben Bilder! Du!!! Du!!!!! Sei Gott mit Euch Lieben daheim! Behüte er mir Dich! Mein Liebstes! Mein Einziges und Alles! O Du! Meine [Hilde]! Mein liebes, liebstes, tapferes Weib! Ich liebe Dich Dich [sic] so sehr! Du bist mein! Wir gehören einander – vor Gott und den Menschen – sind verbunden in einmaliger Liebe –

Ich bin ganz Dein – ewig Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli

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Gesendet am
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946