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[OBF-421022-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 21. Okt. 1942

Herzallerliebste! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Unser Stündlein ist gekommen. Hu – das Mannerli hat fein Abendbrot gehalten, und wenn es so wäre wie im Urlaub, mein Plätzchen neben Dir auf dem Kanonapee [sic], dann wäre ich wohl erst mal ein bissel müde – vom reichlichen Abendbrot. Fettschnitten gab's, dazu Weintrauben und gebackene Makkaroninudeln (um mich auf oberfrohnsch recht verständlich zu machen) – zum Mittagessen gab es Makkaroni, schön trocken abgegossen, wie ich es liebe, und Aprikosenkompott. Von dem Rest haben wir uns einen Teller geholt und ihn auf unserem Petroleumkocher gebacken.

Ich war aber auch hungrig. Bin nach dem Dienst, um 5 Uhr, mal stadtwärts gegangen, um mich um einige Dinge zu bekümmern. Es wird ja so zeitig schon dunkel, die Stadt ist verdunkelt, die richtige Geschäftsstraße habe ich gar nicht gefunden. Eine breite Boulevardstraße bin ich fast 20 Minuten lang gegangen, ohne daß sie am Ende gewesen wäre, im Mondenschein bin ich zurück. Unheimlich und gespenstisch die vielen im Dunkel huschenden Autos.

Ach Schätzelein – wie hast Du Dein Mannerli schlecht gezogen, daß es Dir immer wieder davonläuft und in den Hauptstädten des Balkan herumstromert! Ich habe ja fast nichts gesehen. Nur die großen Linien der vielen modernen Bauten lenken immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich. Unvermittelt oft stehen und ragen sie aus einer viel niedrigeren, altmodischen und kleinstädtischen Umgebung. Wie schon in S. ist man hier überall am Bauen. Die beiden Karten mögen das deutlich machen. Andere fand ich nicht. Ich muß mal ein bißchen fotografieren.

Wenn ich nun so durch die Straßen bummle, komme ich ganz von selber zum Vergleichen. Wenig Friseurläden sah ich – das war die Stärke Salonikis. Dafür mehrere große Blumengeschäfte. Viele Wein- und Delikateßgeschäfte gibt es. Die Süßwarenläden sind noch gut ausgestattet. Die Preise? Die rumänische Währung ist das Lei. 60 Lei sind eine Mark. Gegen B.[*] ist alles etwa doppelt so teuer, manches auch noch teurer. Zum Friseur mußte ich. Das ist nun ein Gewerbe, das überall geht wie das Bäckern und Fleischern – auch die Hantierungen sind international. Maniküren gefällig? Das ist mir auch noch nicht angeboten worden – die Rumänen täten wohl auch besser, die Sauberkeit an anderen Stellen mehr zu pflegen.

Aber soviel kann ich von meinem Gang im Halbdunkeln gar nicht erzählen und urteilen und erzählen. Hätte doch auch nicht gewagt, mein Herzlieb nach den Begegnungen mit ihm im Halbdunkel zu beurteilen – Du!

Ach Herzelein! Ich habe ja so oft Dein gedacht. Dein Dienst war doch heute später zu Ende als der meine. Warst bei Deinen Buben und Mädeln. Bin ich denn noch Dein liebster Bub? Du!!! Ich käm schon auch mal gern zur Scharstunde!

Herzelein! Ich glaube, daß ich nun doch hierbleiben kann. Bist froh mit mir darüber? Du!!!! Unendlich dankbar bin ich darüber! Was sagst denn, wenn Dein Bub gar nicht mehr weiter von Dir fort will? Ach Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Herzlein! Nun ist schon wieder der andere Tag, da ich weiterschreibe. Heute wurden doch bei der Musterung die Namen derer verlesen, die hier verbleiben – und Dein Mannerli – ist dabei – Du!!! Ach Du! Wieviel leichter ist mir nun!

Herzelein! Denk, hier hab ich gestern abend aufgeführt [sic]. Eine Müdigkeit überfiel mich, ich wollte mich nur ein Stündchen langstrecken, aber ich konnte nicht mehr aufstehen, ich war zu müde – nach der Anspannung, nach dem Druck, die auf mir lagen. Ach Du! Du!!! Du!!!!!

Herzelein! Ich weiß doch gar nimmer, ob Du mich noch lieb hast, Du!!! Wann wird der erste Bote kommen, der es mir sagt? Oh Du! Ich warte so darauf! Ich freue mich doch nun wieder darauf, den lieben Boten zu empfangen. Ach, Herzelein! Ich konnte ein paar Tage lang überhaupt an nichts mit Freude denken. Und das Urlaubsland ist vor den Erlebnissen der letzten Tage wie in eine Unwirklichkeit versunken. Und es war doch alles Wirklichkeit – und ist es noch Du! Du! Lebt fort in unseren Herzen! Lebt fort! Lebt!!! Oh Herzelein! Ich werde es nun wieder an mir vorüberziehen lassen.

Oh Du! Will all die Stunden mir zurückrufen, all die Zeichen, die mir sagen, daß Du mich liebst, daß Du mich ganz , ganz liebhast – oh sooo lieb! Oh Du! Geliebte! Daß ich mich sonne und wärme in Deiner Liebe!

Oh Herzelein! Ich brauche diese Sonne! Ob Du auch die meine so brauchst? Du!!! Sie scheint und strahlt Dir allein, Dir ganz allein!!! Regentag ist heute hier. Reinemachen in der Natur. Und Reinmachen steht heute auf Deinem Programm. Ob denn die Möbel nun da sind? Mußt womöglich auch drüben umgehen.

Ach Herzelein! Mußt nun auch wieder für Dich gehen – und gehst doch jeden Weg auch für mich, für uns. Ach Herzelein? Wenn diese Hoffnung auf unser Ziel nicht immer vor mir stünde, wenn der Ausblick nicht wäre in das Land unsrer Liebe, unsres künftigen Lebens dieser Ausblick, der so viele Jahre in mir als Hoffnung nur lebte, der nun aber Wirklichkeit ist – ach Du! Du!!! Und er wird eines Tages mehr sein als nur Ausblick, – dann werden wir inmitten stehen, in dem Garten unsrer Liebe, im Land unsrer Liebe. Oh, das glauben wir fest – und lassen nicht ab, Gott zu bitten um Erfüllung dieser Hoffnung.

Herzelein! Heute schicke ich Dir 6 Päckchenmarken mit. Ich bitte Dich lieb! darbt Euch nichts ab! Hier in R. gibt es noch mehr Eßbares zu kaufen als in B [sic], wenn auch ein wenig teurer. Vielleicht kann ich bald mal eine kleine Kostprobe geben! Bitte schicke mir den ärmellosen Pullover mit dem weiten Halsausschnitt! Nun leb wohl für heute. Behüt Dich Gott! Dich, mein Herzlieb! Mein liebes Weib! Mein Alles, Du! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb!

Ich küsse Dich - Du!!! Ewig Dein [Roland]

Dein glückliches Mannerli

 

[* Roland hat sich hier geirrt, eigentlich meint er S. (Saloniki)]

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Kommentare

- R. hat gut Abendbrot gegessen, weil er nach dem Dienst noch in der Stadt herumlief
- in Bukarest gibt es wenig Friseure
- R. kann nun hier bleiben
- R. weiß nun gewiß, dass er am Ort bleiben kann und ist erleichtert. Nun will er die Erinnerung an den Urlaub nacherleben

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946