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[OBF-421017-002-01]
Briefkorpus

4.)

Sonnabend, am 17. Oktober 1942. Abend.

Herzensschätzelein! Einziggeliebter Du!

Nun ist die stille Abendstunde und ich setze mich vor den Bogen, sitze in Gedanken nahe bei Dir, halte Deine liebe Hand in der meinen und lasse noch einmal den heutigen Tag an mir vorüberziehen mit seiner Freude, seinem Leide, seinen Pflichten – und werde ganz still und zufrieden. Ach Herzelein Du! Wo finde ich Dich zur Stunde? Ich meine, daß Du nun wieder an Deiner alten Stelle bist in S., bald werde ich Näheres hören von Dir.

Ach Du! Vor 3 Wochen bist Du gekommen, heim zu mir! Nun sind wir [u]ns schon wieder aus den Augen, Schätzelein. Doch aus den Herzen verlieren wie einander nie – nie! Mein Geliebter! Mein [Roland]!! Du, der heutige Tag – brachte mir als größte Freude Deinen ersten Boten aus Wien. Herzlieb! Wieviel große, innige Freude war in mir, nun gehen doch die lieben Zeichen bald wieder ganz regelmäßig zwischen uns, Du! Du findest zu mir! Ich finde zu Dir! Immer – immer!!! Ach Schätzelein! Ich könnte ja nicht leben ohne Deine lieben Boten[!] Und ich weiß, auch Dir ist mein Liebgedenken in der Fremde alles Glück und aller Sonnenschein. Ach, unsre Liebe, sie will ja strahlen, will sich ja verströmen so ganz! Wie hemmen wir je ihren Strom?! Sie bahnt sich den Weg unaufhaltsam von Herz zu Herzen, auch durch Hindernisse. Und so soll es ja sein zwischen uns! Ein immerwährend Strömen und Drängen. Geliebter!!

Am Mittwoch schriebst Du mir Deinen Boten von Wien aus und Du hast recht getippt – ich wir nachmittags bei Frau L. – ein Zug war sch[on] vollbesetzt hinaus und Du mußtest spannen, daß im nächstfolgenden ein Plätzel wurde. Um 1615 [Uhr], ach Liebster, da saß ich bei Frau L. beim Bohnenkaffee. Wir haben so oft von Dir geredet! Ich freue mich daß Du im Zug nach Dresden gut Platz hattest! Wenn ich bei Dir gewesen wäre, Du! Kamerad H. fandest du dann doch noch kurz vor [de]r Abfahrt, freut mich! Du! Ich glaub der war dicker geworden als Du! Na weißt? Seine Mutti hat ihn vielleicht auch nicht so voll und ganz mit Beschlag belegen können – so wie ich! – sie hat ja zwei kleine Rackerchen zu versorgen, und da hat der Vati viel Ruhe und Muse [sic], sich zu aalen und dick zu werden. – Wessen Teil war nun das bessere? — Oh Du!!! Ich glaube, ich kann Dich einmal nie von mir lassen, auch wenn ich mehrere Kinderchen hätte. Bist und bleibst ja mein liebstes Mannerli, zuallererst. Ach, nun hatte sich für Dich ein Ring geschlossen da am Südbahnhof. Du! [Un]d wenn Gott will, dann sehe ich Dich in einem ½ Jahre da wieder!! Du!!! Wie lieb will die Hoffnung darauf alles schon ausmalen! Aber wir müssen uns gedulden [*]. Ach, gedulden, Herzelein! Und so viel Liebe entbehren, es ist unser Opfer. Und wir müssen es bringen, wir wollen es bringen, und müssen aus tiefstem Herzen dankbar sein, wenn es dabei bleibt. – Ja Geliebter! Das war meine Freude, daß Du heute zu mir gekommen bist.

Und eine traurige Nachricht ward uns, als Mutsch von der Ärztin heimkam, die ihr ein Stärkungsmittel verschrieb; von Oma erfuhr sie, daß unser Verwandter in Kaufungen, weißt oben das erste Gut in Kaufungen, W.s, der alte Vater der oben wohnt, gestorben ist. Ganz plötzlich, nach überstandener Blasenoperation. Er ist von Omas Schwägerin der Gatte. Er wurde heute schon begraben und da Oma eine Kutsche bestellt hatte dazu, bin ich mit Mutsch zur Beerdigung mitgefahren. Man war uns so dankbar. Und dadurch kam unser Programm auseinander. Gegen 5 [Uhr] waren wir wieder hier und brachten die liegen gebliebene Arbeit zurande, so ging der Tag nur zu rasch um. Herzelein, bist mir nicht bös wenn ich heute schließe; ich bin reichlich müde nach alledem.

Du! Morgen komme ich wieder zu Dir, mein Goldherzelein! Für heute nimm denn tausend innige Grüße und Küsse von Deiner getreuen [Hilde].

Gott behüte Dich! Mein Sonnenschein, Du! Ach, ich habe Dich so, sooo lieb!

 

 

[* das Wort davor ist stark verwischt.]

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946