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[OBF-421015-002-01]
Briefkorpus

2)

Donnerstag, am 15. Oktober 1942.

Geliebter! Einziggeliebter!

Es ist spät schon, die Uhr geht auf 1100 [Uhr] nachts.

Aber um bei Dir zu sein bin ich nie zu müde – sei es auch nur ein Weilchen, Du! Ach Du! Wie sahen doch an unseren Tagen jedesmal die Nacht am Fenster stehen, die dunkle, heimliche – Du! Und sie ist uns so vertraut, ach, wenn alle Stimmen schweigen, dann reden doch unsre Herzen zueinander. Geliebtester! Mein einziges Lieb!

[D]u! Ein Tag und zwei Nächte schon ohne Dich. Mein [Roland]! Da sah ich nun Dein weißes Tuch ins Dunkel zurücksinken – als der Zug eine Biegung nahm, glaubte ich noch ein Zipfelchen von Dir zu erhaschen, doch nein die Nacht hatte Dich verschluckt, ein gähnendes Dunkel huschte an meinem Fenster vorüber.

Und ich sah Dich doch vor mir noch so leibhaftig, mein Herz, Deine geliebten Züge, hörte Deine liebe Stimme noch im Ohr. Und wieder trennten sich unsre Wege, die doch zutiefst ein Ziel nur haben, Du! Ach, wir wissen darum! Und was uns äußerlich auch trennt, Geliebter!! Der Weg unsrer Herzen ist der wichtigere von beiden und der kennt nur ein Ziel: Zueinander! Du!!!!! Du!!!!!

Ich habe eine wunderbare Ruhe und Herzensfröhlichkeit in mir. S[ie] hat mich noch nicht verlassen. Ich bin dankbar darum. Und als ich nach unserm Abschied allein im Bettlein lag und das Nachtgebet sprach für Dich und unser Glück, ach Du! Da übermannte mich nicht der Schmerz und das Weh, wie sonst – eine wunderbare Ruhe und Ausgeglichenheit breitete sich in mir aus, die mich bis heute noch nicht verlassen hat. Und sie kommt mir von der festen, tiefen Gewißheit unsrer unlöslichen Verbundenheit, Geliebter – ich weiß – von unsrer herrlichen Liebe, der großen, starken, ach! Und nicht zuletzt von unserm unbedingten Gottvertrauen.

Oh Geliebter! Daß mein Glück und mein Seelenfrieden auch Dein Inneres erhellte und froh und frei machte! Du!!! Alle Kraft kommt mir, das Leben ohne Deine Nähe zu tragen. Denn Du wurzelst in mir, so tief in mir. Ach, Du! Bist Du mir überhaupt noch ferne? Geliebtester!! In Herzen nie!! Nur wenn die Liebe sichtbar sich verschenken will, im Überschwang des Glück’s, dann misse ich Deine Nähe. Ach Du! Ich hebe Dir ja alles, alles auf! Du! Ich warte Dein!!

Einzigster! Der Mittwoch kam. Frühmorgens ½ 800 [Uhr] erwachte ich und schaute suchend zu meiner Linken hin – das Plätzlein war leer, kein dunkler Schopf lugte aus den Kissen, kein leuchtender Blick grüßte mich und kein Mündlein bot mir den Gutenmorgenkuß. Allein.

Ach Du! Ich mußte doch zu Deinem Bildnis eilen, ich sehnte mich unendlich nach Deinem Anblick. Ach, daß Du mein bist. Pflichten machten mir den ersten einsamen Tag leicht. Und der Nachmittag sah mich bei Frau L. Es waren einige nette Stunden, d[i]e wir verbrachten. Frohe Grüße! Vielleicht freunden wir uns künftig näher an, es mag sich allein finden.

Ach, ich war doch – und bin es jetzt noch, ganz nur bei Dir! Einziggeliebter! Die Spuren Deines Hierseins sind bald alle verwischt. Ach Du, nur äußerlich!

Heute Vormittag hatte ich häuslichen Drasch, es kam keine Post von irgendwoher. Doch, von Trudi G. Sie wird bald entlassen. Viele Grüße an Dich.

Ach Du! Am Nachmittag fuhren Mutsch und ich zur Stadt, um Kleiderstoff zu kaufen. Völlig vergeblich. Daß es so mies steht, hätte ich nicht erwartet. Die Geschäfte können nichts mehr leisten. Es muß denn so nochmal gehen mit Mutschs' Garderobe. Um 600 [Uhr] waren wir wieder zuhaus. Nach dem Abendbrot ging ich zur Bibliothek des K. Voraus, im „Hirsch". Von Keller, Johst und Löberlein brachte ich mir etwas mit. Wahllos nahm ich etwas mit, ich bin noch viel zu sehr mit Dir beschäftigt, als daß ich mich schon in andre Schicksale vertiefen könnte. Es ist ganz kostenlos sich mit Büchern zu versorgen ist im Jahresbeitrag einbezogen und so kam es, daß ich e[be]n nicht leer wieder fortging. Und außerdem bin ich jetzt zuerst nur für Benoni zu haben!

In der Singstunde übten wir für Totensonntag u. Reformation. Ein neues Instrument steht da, sehr gut! Oh du, meine ganzen Sinne weilten bei Dir. Ob Du nun "daheim" bist? Herzelein! Ich denke an Dich! Mein Einziggeliebter! Hebzlieb!!!

Ach Du! Du! Gott segne und behüte Dich auf Deinem Wege; er führe Dich gesund durch diese Zeit. Amen.

Geliebter! Für heute innige Küsse! Gute Nacht!

In unendlicher Liebe, in steter Treue

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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