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[OBF-421014-002-01]
Briefkorpus

1.)

Mittwoch, am 14. Oktober 1942.

Herzelein! Schätzelein, Du! Mein lieber, lieber [Roland]!

Ach Du! Du! Wo finde ich Dich denn jetzt? Sicher schon im fremden Land; denn die Uhr zeigt die 9. Abendstunde. Es ist spät geworden, weil Herr N. zu Besuch bei uns weilte bis vorhin. Oh Herzelein! Nun komme ich doch ganz schnell zu Dir – ach Du! Wie es mich doch drängt hin zu Dir, Geliebter! Ich habe dich den ganzen Tag doch verfolgt in meinen Gedanken, und so wie ich gefühlt habe, daß Du, mein Herz, ganz bei mir bist noch im Innern, so war ich Dir doch sooo nahe! Oh Herzelein! Es ist ja so wundersam, wie ich die Liebe zu Dir so groß und gewaltig in mir fühle, Du!

Ach Geliebter! Es ist mir alles noch wie ein großes, wunderschönes Erleben, wie ein Märchen – daß Du bei mir warst! Daß du wieder bei mir warst!! Oh Herzelein! Du! Du!!!!!

Ganz verwundert sehe ich auf meine Zeichen hier nieder, die Dir doch nun von all meinem Glück wieder künden müssen, ganz verwundert, weil sie neben der Wirklichkeit, neben dem Unmittelbaren meiner großen Glückseligkeit so dürftig wirken, ach, so jämmerlich schwach. Du! Glaubst Du mir das? Herzlein? Du! Ich muß ganz allein mit mir sein, mit Dir im Herzen, ach – ich bin sooo, sooooo glücklich, mein [Roland]!

Und ich fühle unsagbar froh, wie uns dieses Zusammensein noch inniger zu Einem verschmolzen hat, wie unsre Herzen zusammenschlagen in wundersamen, glückhaftem Gleichklang.

Geliebter! Es ist mir noch nicht zum Bewußtsein gekommen bis zu dieser Stunde, daß ich nun wieder allein bin. Ach Du! Bin ja noch bis an den Rand meines Herzens angefüllt vom Erleben Deiner so geliebten Nähe. Mein [Roland]! Mein Alles Du! Du kannst mich so ganz erfüllen und ausfüllen, mit Deiner Liebe, mit Deinem Wesen. Du! Ich muß es Dir sagen, was ich ganz deutlich erkennbar herausgefühlt habe aus den Tagen, die uns geschenkt sind, um beieinander zu sein, miteinander zu leben für eine kurze Spanne Zeit, – wenn auch die größere Spanne des Jahreskreises für uns Trennung [b]edeutet – mit jedem Zusammensein ist meine Liebe zu Dir tiefer und inniger geworden, immer gößer und sehnsüchtiger wuchs der Wille, mich so ganz Dir in Liebe zu vermählen, immer weiter öffnete sich mein Herz und Wesen dem Deinem, um es so ganz, in letzter, innigster Traute zu umfassen - [i]ch bin immer glücklicher geworden, mein Geliebter! Du! Und ich weiß, all meine Glückseligkeit kommt mir nur von Dir, sie kommt mir von dem Wissen um Deine Liebe zu mir, vom Wissen um Dein Glück, daß mir Dein ganzes Wesen strahlt, oh Du! Es ist ein Glückstrahlen hin und wider [sic]! Du!!! Es ist ein heimlich Weben – ein selig Erzittern, daß sich bis zum Sturme steigert, bis zum heißen Feuer entfacht, wenn erst Aug in Auge ruht, Herz an Herzen…. wenn Mund zu Mund sich neigt und nur noch das "Du" Raum hat zwischen uns, wenn nur das "Du" lebt. –

Ach Geliebter! Was zwischen uns lebt und wogt in solchen Stunden, das taugt nicht für die Feder. Das ist uns ureigenster Besitz. Heiligstes Vermächtnis.

Du bist mir wieder einmal heimgekehrt. Heimgekehrt! Oh Herzelein! Ich müßte an meiner Liebe zu Dir irre werden, wenn es nicht so ist, wie ich empfand: Du bist mir wahrhaft heimgekehrt, Geliebter! Bist bis in mein Innerstes gedrungen, bis ins letzte Herzkämmerlein und hast da Wärme gefunden und Geborgenheit und alle Traute, die ein Heimkehrer sucht. Oh Du! Und wenn ich auch diejenige war, die Dir die Heimat verkörperte, die Dich erwartete daheim, ach ….. so habe ich doch zuinnerst ebenso vom Heimkehren und Einkehren geträumt! Wollte doch ebenso glücklich einkehren und heimkehren in Deinem Herzen! Wollte mich so ganz darinnen bergen und wiederfinden. Oh Geliebter! – Liebende sind ewig Suchende, ewig Sehnende, solange sie einander ferne sein müssen. Und leben sie gleich in heimatlichem Land, solang das Herze seine Heimat nicht hat und nicht seinen Hafen, finden sie nicht Ruhe.

Und ich weiß, mit Dir zusammen fühlt’ ich mich im fernesten Land zuhaus. Geliebter mein! -

Ach, ich habe die Tage in Deiner Nähe erlebt, wie man nur ein ganz großes Herzensglück erleben kann: selig, wunschlos, gebannt, gefangen im goßen Wunder, im Glückssonnenschein; jeder Tag ein köstliches Geschenk, jeder Tag ein Sonntag, ein Gnadengeschenk des Himmels – und selbst die wenigen Stunden, da ein paar Wolken sich vor die Sonne schoben, waren mir schmerzlich süßes Erleben, das ich nicht missen will, weil es mich erschauern machte vor der Urgewalt und Macht unsrer Liebe. Ich weiß nicht, ob Du es auch so empfandest. Geliebter! Es ist mir in jener Stunde am Bergeshang mit einer Schärfe klar geworden, wie selten noch, daß jedes Hindernis, was sich unsrer Liebe, unsrem Einsein [sic] in den Weg stellt, in uns beiden einen Gegner findet, der bis zum Letzten kämpft, ja der bis zum äußersten fähig ist. Und Du sollst nicht meinen, daß ich Dir an Kräften nachstehe hierin – Du! Das Weib ist anders geartet in mancher Hinsicht – aber im Kampf um den Besitz, um die Liebe, steht es dem Manne nicht nach. Ach Geliebter! Was Du mir sagtest, ich behielt es im Herzen.

Und ich will Dir heute zum Abschluß dazu sagen, Du sollst mich nicht um etwas zu bitten brauchen, meine unendliche Liebe zu Dir bestimmt mich in allen Dingen, – ich weiß, [D]u glaubst und vertraust mir, des [sic] bin ich so froh! – Und wo mein Fuß zu straucheln droht, Geliebter, da lasse ich mich doch von Dir leiten, Du! Ich bin doch so ganz Dein, bin Dir an Deine Hand gegeben, Du bist mein Beschützer, zu Dir schau ich auf voll Vertrauen, voll Liebe. Ach Du!

Herzelein! Was ich bei Dir an Jahren nachstehe, daß [sic] stehe ich Dir an Liebe und Verständnis und liebender Einsicht bestimmt nicht nach, Du weißt es, Du! Ach Du, Du!!! Liebe, unendliche, große, gute und tiefe, echte Liebe verbindet uns einander, ach – das besagt doch alles.

Geliebter! Ich bin Dein Weib und ich lebe nur so, bin immer und überall ganz Dein Weib! Und ich will – solang ich Dir fern sein muß noch – in Zukunft ganz be[s]onders und in jeder Hinsicht darauf bedacht sein, meine Stellung gegenüber der Umwelt zu wahren und recht zu vertreten. Ich habe es schon selbst erkannt, in welcher Gefahr ein Weib steht – zumal in unsrer Zeit – und da ich nun mit Dir mich darüber austauschte, Herzelein, habe ich noch viel mehr erkannt wie ich darauf bedacht sein muß, die Augen offen zu halten und sicher und selbstbewusst zu handeln.

Ach Du! Es ist darüber kein Wort mehr zu verlieren. Wir haben uns längst verstanden. Du! Ich muß es Dir nur noch einmal sagen, um Dich einmal mehr meiner bedingungslosen Liebe und Hingabe zu versichern. Ach mein [Roland]! Wir kennen ihn auch, den Grund solch dummer Zweifel: er ist die böse Ferne, das harte Getrenntsein, das uns so viel Unruhe manchmal schafft und Herzenspein. Aber ach, Herzelein! Was ist eines Tages alles vorbei – vergessen – verweht wie ein böser Traum. Einmal werden wie doch ganz, für immer umeinander sein, miteinander leben! Und wir dürften doch jetzt schon immer einmal von diesem Glücksbecher nippen! Du! Wie köstlich muß es sein, ihn im vollsten Bewußtsein des Besitzes zu leeren! Du!!! Gott wird uns die Stunde der Erlösung und Befreiung in Gnaden schenken, mein Gebliebter! Du!!!

Ach Du! In diesen Tagen glücklichsten Einsseins und beseligten Zueinanderfindens, würde uns doch wieder alle Kraft auch zuteil, die wir brauchen, um die nächste Spanne Zeit bis zum Wiedersehen zu ertragen.

Geliebter! Wie wir im Grunde dieses Zwangsleben hassen auch und verachten, wir brauchen ja garnicht näher darauf einzugehen! – so tragen wir doch im Herzen eine tiefe und große Freude und Zuversicht. Du! Du! Geliebter!

Woraus kommt uns solche Kraft? Woraus wächst sie uns? Oh Du! Aus unsrer köstlichen Liebe! Und aus dem unerschütterlichen Gottvertrauen! Du!! Du!!! Wie dürfen wir uns reich schätzen in solchem Besitz! Geliebter! Oh, daß wir uns in allen Dingen und so bis ins Letzte fanden! Du!!! Wie bin ich glücklich mit Dir! Und wie wollen wir erst diesem Glück leben im Frieden!!!!! Oh Herzelein! Ich sehe unsres Weges kein Ende! Du! So hell, so sonnenhell und froh liegt unsre Zukunft vor mir! Wie freue ich mich auf’s gemeinsame Schaffen! Oh sei Gott uns gnädig und barmherzig!

Mein Schätzelein! [Roland] Du! Liebster mein! Mein! Mein!!!!! Oh Du! Überglücklich berge ich mich an Deiner Brust –

Oh halte mich fest, so ganz fest! Ich liebe Dich! Und ich will nur noch Dir leben – nur Dir, Du! Ach Geliebter! Jubeln und Jauchzen erfüllt meine Brust! Sag? Fühlst Du mein Glück? – Ach, was wollte ich Dir heute alles sagen – ich hab Dir wohl nur so Närrisches geschrieben, ach Du! Nimm alle meine Zeilen als Zeichen tiefglücklichsten Liebens. Oh Du! Ich sinne und sinne, wie und womit ich Dich ganz froh und glücklich machen könnte, mein Herz! Es fällt mir doch garnichts ein….. ach, zu nahe und deutlich leben in mir noch alle Bilder seligster Traute und glückhaften Naheseins – Du!!! Du!!! Ich liebe Dich – ich liebe Dich! Du!!!!!

Geliebter, es ist schon spät – ich will Dir morgen mehr erzählen. Ach, möchte immer nur sagen von meinem Glück. Du! Du! Bist Du auch sooo glücklich: Ja!!! Ja!!! Ich spürs ja, all mein Glücksempfinden es ist der Widerschein Deines Glückes! Oh Herrgott im Himmel, sei du uns gnädig. Behüte mir mein Liebstes, segne seine Wege, stehe ihm bei allezeit. Amen.

Geliebter! Ich bin bei Dir! Fühlst Du meine Liebe?

Oh Du! Ich umarme Dich! Deine [Hilde].

Gut Nacht! Geliebtes, teures Herz! Ich küsse Dich! Mein Sonnenschein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946