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[OBF-421014-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 14.10.42

Herzensschätzelein!

1/4 3 Uhr ist es, da ich zum ersten Male zur "Feder" greife. Nach dem nun schon gewohnten Gesuche u. Gepacke sitze ich im Wartezimmer in Türnähe, damit ich unter denen bin, die mitkommen. Ein Zug ist vollbesetzt schon hinaus. Der meine fährt nun 16,15 Uhr. Ach Herzelein! Die Fahrt ging gut bis hierhin. Ganz pünktlich setzte mein Zug sich in Bewegung. Er stand schon da ganz schwach besetzt, ich hatte ein Polsterabteil ganz für mich fast bis Dresden. Wäre so fein für Dich noch Platz gewesen. Als nun der Zug so [gefü]hllos und mit- [unklar] leidlos eine ganz andere Spur als die Üb. nahm und Meter um Meter mich Dir entfernte [,ohne daß] ich auch irgendetwas dazutun konnte  - oh wie grausam! – Da wollte mich doch noch [unklar] die Traurigkeit überkommen. Ich will nur Deiner Spur noch folgen! Aber ich war stille, und wurde stille – Geliebte! Ich habe doch ganz lieb Dein gedacht.

In Wien waren wir um 9 Uhr – da warst Du nun zu Haus undsofort [sic], undsofort [sic] bis ins Kämmerlein.

Oh! Etwas verspätet [fuhren] wir nach Dresden, sodaß ich [unklar] mehr nach Dresden fahren konnte. Ich [mehrere Wörter unklar] Kameraden H. und nicht zu sehen. Kurz vor der Abfahrt, als ich am Zuganfang stand, wo man zwei Wagen vorspannte, kam er gut erholt und voll strahlend an. Wir bekamen einen Sitzplatz im überfüllten Zuge – mußten in Prag aber wieder herauskrabbeln, hatten wieder Glück und fuhren gepolstert bis Wien, das Mannerli hatte einen Sitzplatz und hat so mit etlichem Stellungswechsel ein paar Stündchen genickt, während uns der Zug immer weiter entführte, von Prag an in einen trüben Regentag. Nun hat sich für das Mannerli ein Ring geschlossen h[ier] am Südbahnhof. Herzelein, Du! Wann werde ich diesen Bahnhof wiedersehen? Wirst Du mich dann hier erwarten?

Ach Du! Du!!! Wie lieb will die Hoffnung darauf alles schon ausmalen! Aber wir müssen uns gedulden. Ach Herzelein! Gedulden! Und sooo viel Liebes entbehren – es ist unser Opfer; und wir müssen es bringen und wollen es bringen – und müssen aus tiefstem Herzen dankbar sein, wenn es dabei bleibt. Ach Du! Du!!! Ich kann darüber jetzt nicht mehr schreiben – es ist hier nich der rechte Ort und die rechte Andacht, zu nahe ist noch alles – Geliebte, Du! – Und ich will es ausklingen lassen – Du!!!

Wirst jetzt bei Frau L. sein. Wirst mein denken – mußt ja mein denken, immer, wie ich Dein denken muß immer – Du! Du!!! Liebstes! Liebstes auf Erden!

Ich küsse Dich – ich liebe Dich! Über alles!

Ewig Dein [Roland], Dein Herzensmannerli!

Viel viel herzliche Grüße den lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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